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FB Psychologie, Klinische Psychologie & Psychotherapie
Fachtag Schulpsychologie 2015 Wiederkehrende körperliche Beschwerden im Kontext Schule – ein Hinweis auf psychische Probleme? Dr. rer. nat. Marco Daniel Gulewitsch Diplom-Psychologe Psychologischer Psychotherapeut
26.06.2015
Textfassung
•
Wie häufig sind körperliche Beschwerden bei Schülern?
•
Wie nennt man diese Beschwerden eigentlich?
•
Wie sind wiederkehrende körperliche Beschwerden erklärbar? Biopsychosoziales Modell Welche Rolle spielen psychische Faktoren? Welche Rolle spielen soziale Faktoren? Welche Rolle spielt der Körper?
•
Wie ist es erklärbar, dass die Beschwerden in manchen Fällen persistieren während sie in anderen Fällen wieder remittieren?
•
Was kann man tun?
2 | Fachtag Schulpsychologie 2015 | Dr. Marco Daniel Gulewitsch
26.06.2015
Kinder und Jugendliche mit wiederkehrenden körperlichen Beschwerden fallen auf … sie verlassen häufiger den Unterricht … sie fehlen (entschuldigt) aufgrund der Beschwerden … sie fehlen (entschuldigt) wegen Untersuchungen … sie haben häufiger Schwierigkeiten „mitzuhalten“ ? Welche Beschwerden fallen besonders auf? Schmerzbeschwerden und gastrointestinale Symptome !
Da stimmt doch was nicht!
3 | Fachtag Schulpsychologie 2015 | Dr. Marco Daniel Gulewitsch
26.06.2015
Was sind Hypothesen? ? Kinder/Jugendliche sind tatsächlich körperlich erkrankt ? Simulation (Unlust, Vermeidungsverhalten) ? Ungünstige Lebensumstände (zu wenig Schlaf, zu wenig Bewegung, schlechte Ernährungsgewohnheiten)
? Zugrundeliegende „psychische Ursache“, die sich körperlich zeigt (Stress, Ängste, Depressivität, Mobbing, Belastungsfaktoren in der Familie) „Was ist es denn, was sich hier in körperlichen Schmerz verwandelt? Die vorsichtige Antwort wird lauten: etwas, woraus seelischer Schmerz hätte werden können und sollen.“ (Breuer & Freud, 1895)
4 | Fachtag Schulpsychologie 2015 | Dr. Marco Daniel Gulewitsch
26.06.2015
Wie häufig fehlen Schüler? • •
Studie mit 2679 Schülern (Alter M = 13.9 Jahre) in BadenWürttemberg 25 Schulen (6 Gymnasien, 5 Realschulen, 14 Hauptschulen)
• Wieso fehlen Schüler? Lenzen et al., 2013
5 | Fachtag Schulpsychologie 2015 | Dr. Marco Daniel Gulewitsch
26.06.2015
Wie häufig fehlen Schüler? •
Auch bei entschuldigten Fehltagen: Zusammenhänge zwischen Anzahl der Fehltage und psychopathologischen Symptomen.
6 | Fachtag Schulpsychologie 2015 | Dr. Marco Daniel Gulewitsch
26.06.2015
Wie häufig sind körperliche Beschwerden bei Schülern?
7 | Fachtag Schulpsychologie 2015 | Dr. Marco Daniel Gulewitsch
26.06.2015
Häufigkeit von körperlichen Beschwerden: Schmerzen als häufigstes körperliches Symptom Studie zur Gesundheit von Kindern und Jugendlichen in Deutschland (Kindergesundheitssurvey, KiGGS); N=14959 „Hattest Du / hatte Ihr Kind in den letzten 3 Monaten Schmerzen?“
Ellert et al., 2007 8 | Fachtag Schulpsychologie 2015 | Dr. Marco Daniel Gulewitsch
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Häufigkeit von körperlichen Beschwerden: Schmerzen als häufigstes körperliches Symptom Studie zur Gesundheit von Kindern und Jugendlichen in Deutschland (Kindergesundheitssurvey, KiGGS); N=14959 Ellert et al., 2007
9 | Fachtag Schulpsychologie 2015 | Dr. Marco Daniel Gulewitsch
26.06.2015
Häufigkeit von körperlichen Beschwerden: Schmerzen als häufigstes körperliches Symptom Studie zur Gesundheit von Kindern und Jugendlichen in Deutschland (Kindergesundheitssurvey, KiGGS); N=14959 Genannte Schmerzlokalisationen
3- bis 10-jährige
11- bis 17-jährige
• • • • •
• • • • •
Bauch (69%) Kopf (56%) Hals (48%) Bein (36%) Ohren (29%)
Kopf (78%) Bauch (60%) Rücken (49%) Hals (45%) Bein (36%)
Ellert et al., 2007 10 | Fachtag Schulpsychologie 2015 | Dr. Marco Daniel Gulewitsch
26.06.2015
Häufigkeit von körperlichen Beschwerden Studie in Tübingen und Umgebung N=1539 Eltern (1.-4. Klasse), N=731 Kinder (3.-4. Klasse) •
Aus Elternperspektive: Bauchschmerzen (37.4%) - Kopfschmerzen (35.3%) - Blähungen (24%) - Erschöpfung/Energiemangel (23.5%) -
•
Aus Kinderperspektive: Kopfschmerzen (47.6%) - Bauchschmerzen (40%) - Erschöpfung (33.3%) - Blähungen (28.9%) -
11 | Fachtag Schulpsychologie 2015 | Dr. Marco Daniel Gulewitsch
Gulewitsch et al., 2014; Child Psychiatry & Human Development
26.06.2015
Häufigkeit von körperlichen Beschwerden Studie in Tübingen und Umgebung N=1539 Eltern (1.-4. Klasse), N=731 Kinder (3.-4. Klasse) Polysymptomatisches Auftreten •
Aus Elternperspektive: ≥7 Symptome: 13,6% - ≥13 Symptome: 1,8% -
•
Aus Kinderperspektive: ≥7 Symptome: 19,5% - ≥13 Symptome: 9,3% -
Gulewitsch et al., 2014; Child Psychiatry & Human Development
12 | Fachtag Schulpsychologie 2015 | Dr. Marco Daniel Gulewitsch
26.06.2015
Wie nennt man diese Beschwerden eigentlich?
13 | Fachtag Schulpsychologie 2015 | Dr. Marco Daniel Gulewitsch
26.06.2015
Unklare körperliche Beschwerden – alleine schon die Benennung ist schwierig! Befindlichkeitsstörungen; funktionelle Störungen oder Erkrankungen; funktionelle Syndrome; Funktionsstörungen; Disstreß; Hypochondrie; larvierte Depression; multiples Beschwerdesyndrom; multiple psychosomatische Störungen; Nervenschwäche; nervöse Erschöpfung; nervöser Erschöpfungszustand; Neurasthenie; neurasthenische Erschöpfung; Organneurose; Psychasthenie; psychogenes Syndrom; psycho-physischer Erschöpfungszustand; psycho-vegetatives Erschöpfungssyndrom; psychovegetatives Syndrom; Somatisation; Somatisierungsstörung; somatoforme autonome Funktionsstörungen; somatoforme Störung; Stress-Syndrom; umschriebene differenzierte sensomotorische Konversionssymptome; undifferenziert-psychovegetative Beschwerden; undifferenzierte psychosomatische Störung; vegetative Dystonie; vegetative Labilität; vegetative Neurose; vegetative Stigmatisation; vegetativ-endokrines Syndrom.
14 | Fachtag Schulpsychologie 2015 | Dr. Marco Daniel Gulewitsch
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„Somatisierung“ - Was ist eigentlich damit gemeint? •
Abwehrmechanismus: Verschiebung ins Körperliche.
•
„Eine Tendenz körperlichen Stress zu erleben und zu kommunizieren, der nicht hinreichend durch pathologische Befunde zu erklären ist, diesen auf körperliche Erkrankung zurückzuführen und dazu medizinische Hilfe aufzusuchen.“ (Lippowski, 1988)
•
„Somatisierung meint die Erfahrung und den Bericht von körperlichen Beschwerden, für die kein hinreichender medizinischer Befund vorliegt, verbunden mit einem hohen Ausmaß von organ-medizinischer Hilfesuche.“ (Kriebel et al., 1996)
15 | Fachtag Schulpsychologie 2015 | Dr. Marco Daniel Gulewitsch
26.06.2015
Somatoforme und funktionelle Beschwerden •
„Somatoform“ – Neologismus aus dem griech. „soma“ und dem lateinischen „forma“: „körpergestaltig“ (DSM-III).
Symptome, die wie körperlich verursachte Erkrankungen aussehen, aber nicht auf eine organpathologische morphologische Veränderung zurückführbar sind. •
Dennoch ist die Funktion eines Organs u.U. verändert („funktionelle Störung“).
•
Manches auch gut zu objektivieren (nicht eingebildet!) wie Tachykardie, Schwitzen, Zittern, veränderte Motilität der Bauchorgane, Durchfall.
!
Körper-Psyche-Dichotomie (funktionell ≠ psychogen).
16 | Fachtag Schulpsychologie 2015 | Dr. Marco Daniel Gulewitsch
26.06.2015
Unklare Beschwerdebilder in verschiedenen medizinischen Fachdisziplinen Typische Beschwerdebilder, die auch bei fachgerechter medizinischer Abklärung nicht zu einem positiven Befund führen („funktionelle Störungen“):
, Reizdarmsyndrom
, juveniles Schmerzverstärkungssyndrom
(Noeker & Petermann, 2008)
17 | Fachtag Schulpsychologie 2015 | Dr. Marco Daniel Gulewitsch
26.06.2015
Somatoforme Störungen nach ICD-10 (F45) F45.0 Somatisierungsstörung
polysymptomatische, über den Verlauf stark fluktuierende Beschwerdebilder
F45.1 Undifferenzierte Somatisierungsstörung
mäßige Variabilität der Beschwerden (niedrigerer Diagnose-Cutoff)
F45.2 Hypochondrische Störung
Weniger Beeinträchtigung durch Symptomatik, mehr angstvolle Beschäftigung mit der Möglichkeit einer schweren, unerkannt fortschreitenden körperlichen Erkrankung
F45.3 Somatoforme autonome Funktionsstörung
Schilderung eines körperlichen Beschwerdebildes, da weitgehend vegetativ innerviert und kontrolliert wird (z.B. kardiovaskuläres, gastrointestinales, respiratorisches, urogenitales System) medizinisch unklare Schmerzstörungen
F45.4 Anhaltende Schmerzstörung F45.8 Sonstige somatoforme Störungen F45.9 Somatoforme Störung, nicht näher bezeichnet 18 | Fachtag Schulpsychologie 2015 | Dr. Marco Daniel Gulewitsch
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Prävalenz somatoformer Störungen nach Diagnosekriterien im Jugendalter
Tabelle aus Schulte (2010)
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Hauptteil Wie sind wiederkehrende körperliche Beschwerden erklärbar?
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26.06.2015
•
Kinder und Jugendliche berichten in der Mehrzahl überwiegend monosymptomatische Beschwerdebilder.
•
Wiederkehrende oder chronische Bauchschmerzen häufigste Beschwerde.
•
Schmerzbezogene funktionelle gastrointestinale Störungen (z.B. funktionelle Bauchschmerzen, Reizdarmsyndrom, abdominelle Migräne und Dyspepsie).
21 | Fachtag Schulpsychologie 2015 | Dr. Marco Daniel Gulewitsch
Rom-III-Konsensus-Kriterien
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Häufigkeit schmerzbezogener funktioneller gastrointestinale Störungen N=1537 Elternurteile über 6-10jährige Kinder Jungen, % (n)
Mädchen, % (n)
Gesamt, % (n)
Funktionelle Dyspesie
0.0% (0)
0.3% (2)
0.2% (3)
Reizdarmsyndrom
4.8% (33)
5.1% (40)
4.9% (75)*
Abdominelle Migräne
0.9% (6)
1.0% (8)
1.0% (15)*
Funktionelle Bauchschmerzen
2.0% (14)
1.8% (14)
2.0% (30)
≥1 Diagnose
7.5% (52)
7.8% (61)
7.7% (119)
* 4 Kinder erhielten beide Diagnosen.
Gulewitsch et al., 2013; European Journal of Gastroenterology & Hepatology
22 | Fachtag Schulpsychologie 2015 | Dr. Marco Daniel Gulewitsch
26.06.2015
N=1537 Elternurteile über 6-10jährige Kinder Reizdarmsyndrom 4.9%
Funktionelle Bauchschmerzen 2.0%
Schmerzhäufigkeit 1x/Woche
57.3% (43)
46.7% (14)
mehrfach pro Woche
40.0% (30)
53.3% (16)
2.7% (2)
0% (0)
jeden Tag Schmerzintensität schwach
9.3% (7)
30% (9)
mäßig
61.3% (46)
50% (15)
stark
22.7% (17)
13.3% (4)
1.3% (1)
3.3% (1)
<1h
58.7% (44)
63.3% (19)
1-2h
25.3% (19)
30.0% (9)
3-4h
9.3% (7)
6.7% (2)
Großteil des Tages
6.7% (5)
0% (0)
2 Monaten
14.7% (11)
10% (3)
3 Monaten
9.3% (7)
0% (0)
4-11 Monaten
32.0% (24)
36.7% (11)
1 Jahr oder mehr
44.0% (33)
53.3% (16)
45.3% (34)
16.7% (5)
sehr stark Schmerzdauer
Beschwerden seit
Schulfehltage deshalb (3 Mon.)
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Gulewitsch et al., 2013; European Journal of Gastroenterology & Hepatology
Häufigkeit schmerzbezogener funktioneller gastrointestinale Störungen
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Chronizität der Beschwerden Bauchschmerzen im Kindesalter … … persistieren in einem Drittel der Fälle über ≥5 Jahre (systematisches Review)2.
… könnten bedeutender Risikofaktor für das Reizdarmsyndrom im Erwachsenenalter sein1,3,6. … hängen mit psychischen Störungen im Erwachsenenalter zusammen1,4,5 (z.B. OR=2.7 allgemein, OR=4.9 für Angststörungen).
1
Campo et al., 2001; 2 Gieteling et al., 2008; 3 Gulewitsch et al., 2011; 4 Hotopf et al., 1998; 5 Shelby et al., 2013; 6 Walker et al., 1998
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Wie sind wiederkehrende körperliche Beschwerden erklärbar? Welche Rolle spielen psychische Faktoren?
25 | Fachtag Schulpsychologie 2015 | Dr. Marco Daniel Gulewitsch
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Zusammenhänge mit psychischen Faktoren In klinischen Stichproben von Kindern und Jugendlichen mit wiederkehrenden Bauchschmerzen finden sich … … höhere Werte hinsichtlich klinisch relevanter Angstsymptome1,3.
… bis zu 79%ige Komorbidität mit Angststörungen und 43%ige Komorbidität mit depressiven Erkrankungen1,2. … erhöhtes Stresserleben und maladaptive Copingstrategien4,5.
1 Campo
et al., 2004; 2 Dufton et al., 2009; 3 Galli et al., 2007 ; 4 Thomsen et al., 2002 ; 5 Walker et al., 2007
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ERGEBNISSE
Zusammenhänge mit psychischen Faktoren Diese Zusammenhänge finden sich auch in populationsbasierenden Studien. N=1537 Elternurteile über 6-10jährige Kinder Gesamtproblemwert
Verhaltensprobleme
Emotionale Probleme
Hyperaktivität
Verhaltensprobl. Gleichaltrige
M
(SD)
M
(SD)
M
(SD)
M
(SD)
M
(SD)
keine Diagnose
7.75
(5.26)
1.85
(1.65)
1.64
(1.76)
3.01
(2.26)
1.29
(1.59)
≥1 Diagnose
11.70***
(6.45)
2.28*
(1.84)
3.78***
(2.36)
3.81**
(2.52)
1.86**
(2.05)
Reizdarmsyndrom
12.12***
(6.15)
2.52*
(1.89)
3.78***
(2.56)
4.03**
(2.34)
1.90*
(1.96)
Funktionelle Bauchschm.
10.21
(6.41)
1.90
(1.77)
3.53***
(1.94)
3.14
(2.53)
1.57
(2.01)
• 18.6% der Kinder mit Diagnose nach Rom-III liegen hinsichtlich des SDQGesamtwerts im klinisch auffälligen Bereich (vs. 7.1%; OR=3.0). Gulewitsch et al., 2013; European Journal of Gastroenterology & Hepatology 27 | Fachtag Schulpsychologie 2015 | Dr. Marco Daniel Gulewitsch
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Prämorbide psychologische Risikofaktoren Kritische Lebensereignisse stehen häufig mit dem Beginn der Beschwerden in Zusammenhang1,2. •
Hierzu gehören beispielsweise3-5,8: - interpersonelle Stressoren (Trennungen, Verlusterfahrungen, Mobbing) - veränderte Lebensumstände (z.B. Jobverlust der Eltern, Schulwechsel) - Leistungsversagen - Krankenhausaufenthalte - Missbrauch6,7
!
Gefahr der Entwicklung zu chronischen Stressoren.
1 5
Bradford et al., 2012; 2 Jones et al., 2013; 3 Devanarayana et al., 2008 ; 4 Devanarayana et al., 2011; Boey & Goh, 2001; 6 Koloski et al., 2005; 7 Sonneveld et al., 2013; 8 Walker et al., 1991
28 | Fachtag Schulpsychologie 2015 | Dr. Marco Daniel Gulewitsch
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Psychische Faktoren • • •
chronischer Stress Angst Depressivität
Bewältigungsverhalten
29 | Fachtag Schulpsychologie 2015 | Dr. Marco Daniel Gulewitsch
Schmerz
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Wie sind wiederkehrende körperliche Beschwerden erklärbar? Welche Rolle spielen familiäre Faktoren?
30 | Fachtag Schulpsychologie 2015 | Dr. Marco Daniel Gulewitsch
26.06.2015
Zusammenhänge mit familiären Faktoren In Familien von Kindern mit wiederkehrenden Bauchschmerzen finden sich ein höheres Ausmaß an … … psychischen Problemen und eine höhere Stressbelastung der Familienmitglieder1,8 … verzerrter intrafamiliärer Kommunikation (high-expressedemotions)3 … körperlichen Erkrankungen von Familienmitgliedern2,5-7 … Gesundheitsängstlichkeit und dysfunktionalem Krankheitsverhalten4,5 (Modelllernen?) 1 Garber 6
et al. , 1990, 2 Hotopf et al., 1998; 3 Liakopoulou-Kairis et al., 2002; 4 Ramchandani et al., 2011; 5 Robinson et al., 1990; Van der Veek et al., 2011; 7 Walker et al. 1992; 8 Walker et al., 1998
31 | Fachtag Schulpsychologie 2015 | Dr. Marco Daniel Gulewitsch
26.06.2015
Zusammenhänge mit familiären Faktoren •
Elterliche Reaktion auf die Äußerung von Beschwerden scheint zur Aufrechterhaltung oder zur Verstärkung dieser beizutragen2-5.
•
Der Einfluss der elterlichen Reaktion hängt möglicherweise mit dem Ausmaß an Einschränkung und Komorbidität des Kindes zusammen1.
!
Sowohl Modellllernen als auch instrumentelles Lernen könnten bei Entstehung und Aufrechterhaltung der Beschwerden eine Rolle zu spielen.
1 Peterson
& Palermo, 2004; 2 Van der Veek et al., 2011; 3 Walker et al. 1993; 4 Walker et al., 2002; 5 Walker et al., 2006
32 | Fachtag Schulpsychologie 2015 | Dr. Marco Daniel Gulewitsch
26.06.2015
Psychische Faktoren • • •
chronischer Stress Angst Depressivität
Bewältigungsverhalten
Schmerz
Soziale Lernprozesse • Modelllernen • Instrumentelles Lernen
33 | Fachtag Schulpsychologie 2015 | Dr. Marco Daniel Gulewitsch
26.06.2015
Wie sind wiederkehrende körperliche Beschwerden erklärbar? Welche Rolle spielen biologische Faktoren? Wie entsteht der Schmerz eigentlich?
34 | Fachtag Schulpsychologie 2015 | Dr. Marco Daniel Gulewitsch
26.06.2015
•
Enterisches Nervensystem – größte Ansammlung von Neuronen außerhalb des Gehirns
•
Funktioniert autonom (willentlich nicht beeinflussbar), aber unterliegt u.a. den Einflüssen von Sympathikus und Parasympathikus.
•
Bidirektionale Gehirn-Darm-Achse (neuronal, endokrin).
35 | Fachtag Schulpsychologie 2015 | Dr. Marco Daniel Gulewitsch
26.06.2015
Ist die Stressreaktion ein biologisches Korrelat der Beschwerden? •
Alltagsstressoren und chronische Stressoren infolge von kritischen Lebensereignissen werden mit den Beschwerden in zusammengebracht1,3,4.
? Ist bei Kinder mit Bauchschmerzen eine abweichende körperliche Reaktion auf akuten Stress feststellbar? •
Experimentelle Studie mit 60 Kindern2 Reaktion
des autonomen Nervensystems und der Hypothalamus-Hypophysen-Nebennierenrindenachse Schmerz
Angststörungen
n (Mädchen:Jungen)
24 (13:11)
24 (13:11)
12 (6:6)
Alter in Jahren (SD)
9.85 (1.68)
9.97 (1.64)
10.10 (1.65)
31.6 Monaten
-
-
Bauchschmerzen seit 1
Kontrollgruppe
Boey & Goh, 2001; 2 Gulewitsch et al. (eingereicht); 3 Thomsen et al., 2002; 4 Walker et al., 2007
36 | Fachtag Schulpsychologie 2015 | Dr. Marco Daniel Gulewitsch
26.06.2015
Ist die Stressreaktion ein biologisches Korrelat der Beschwerden? Hypothalamus-Hypophyse-NebennierenAchse (HHNA) •
Zeitverzögerte Antwort des Organismus auf Stress.
+ Dient u.a. der mittelfristigen Sicherung der Energiebereitstellung in Form von Glucose. + Unterdrückung von zeitweise nicht benötigten physiologischen Systemen (Immunsuppression). Harrisons Innere Medizin (2012), Abbildung 342-2
37 | Fachtag Schulpsychologie 2015
18.07.2013
Ist die Stressreaktion ein biologisches Korrelat der Beschwerden? • •
Induktion einer 10-minütigen Stresssituation (TSST-C1). Situationsmerkmale: Unkontrolliertheit und sozialer Vergleich sollen zur Aktivierung des ANS und der HHNA führen2.
ruhiger Tierfilm
ruhiger Tierfilm
Kinder bekommen Beginn einer Geschichte vorgelesen und sollen sich spannende Fortsetzung ausdenken 1 Buske-Kirschbaum
Erzählen der Geschichte vor zwei unbekannten Personen und einer Videokamera
et al., 1996; 2 Gunnar et al., 2009
38 | Fachtag Schulpsychologie 2015 | Dr. Marco Daniel Gulewitsch
Serielle Subtraktionsaufgabe vor zwei unbekannten Personen mit falschem Feedback
Gulewitsch et al. (eingereicht) 26.06.2015
Ist die Stressreaktion ein biologisches Korrelat der Beschwerden?
Sympathovagale Balance
Reaktion der Herzrate (RR)
Baseline
Preparation PAIN
Task I CONT
Task II
Recovery
ANX
39 | Fachtag Schulpsychologie 2015 | Dr. Marco Daniel Gulewitsch
Baseline
Preparation PAIN
Task I CONT
Task II
Recovery
ANX
26.06.2015
Ist die Stressreaktion ein biologisches Korrelat der Beschwerden? Speichelkortisol
TSST-C Cortisol 1
Cortisol 2 PAIN
Cortisol 3 CONT
Cortisol 4
Cortisol 5
ANX
40 | Fachtag Schulpsychologie 2015 | Dr. Marco Daniel Gulewitsch
26.06.2015
Physiologische Stresssysteme • •
ANS HHNA
Psychische Faktoren • • •
chronischer Stress Angst Depressivität
Bewältigungsverhalten
Schmerz
Soziale Lernprozesse
41 | Fachtag Schulpsychologie 2015 | Dr. Marco Daniel Gulewitsch
26.06.2015
Wie entsteht der körperliche Schmerz genau? !
die Schmerzen sind nicht eingebildet oder „psychisch“
!
betrifft den Darm, seltener den Magen
Es werden im wesentlichen zwei physiologische Prozesse angenommen: 1. Viszerale Hyperalgesie (Schmerzen, Unwohlwohlsein): Herabgesetzte Wahrnehmungsschwelle gegenüber Dehnungsreizen. 2. …
42 | Fachtag Schulpsychologie 2015 | Dr. Marco Daniel Gulewitsch
26.06.2015
Physiologische Stresssysteme • •
ANS HHNA
Viszerale Hyperalgesie Psychische Faktoren • • •
chronischer Stress Angst Depressivität
Bewältigungsverhalten
Schmerz
Soziale Lernprozesse
43 | Fachtag Schulpsychologie 2015 | Dr. Marco Daniel Gulewitsch
26.06.2015
Wie entsteht der körperliche Schmerz genau? Viszerale Schmerzen (z.B. akute Erkrankung, Unverträglichkeit) führen zu zwei zusätzlichen sensorischen Veränderungen: 1. einer erhöhten Empfindlichkeit an einem Ort entfernt vom schmerzauslösenden Fokus auf der Körperoberfläche (übertragener Schmerz)
2. einer größeren Schmerzempfindlichkeit des betroffenen oder benachbarten viszeralen Organs (viszerale Hyperalgesie) 44 | Fachtag Schulpsychologie 2015 | Dr. Marco Daniel Gulewitsch
26.06.2015
Wie entsteht der körperliche Schmerz genau? Zusammenhänge zwischen Psyche und viszeraler Wahrnehmung Psychische Stressoren … … sind mit gesteigerter viszeraler Wahrnehmung assoziiert4 und können viszerale Hyperalgesie verstärken1,2: Modulierende
Wirkung psychischer Stressoren auf viserzale Wahrnehmung über autonom-nervöse oder endokrine Signalwege (HHNA).
… können die Funktion der Schleimhäute verändern (Mastzelldegeneration, mikroskopische Entzündungszeichen)3 Potentieller
Mechanismus: Dysfunktion der HHNA und fehlende Immunsuppression kann zur lokalen Sekretion von Entzündungsmediatoren (z. B. Zytokine) führen.
1 Chang,
2011; 2 Coutinho et al., 2002; 3 Gareau et al. 2007; 4 Larauche et al., 2012; 5 Walker et al., 2006
45 | Fachtag Schulpsychologie 2015 | Dr. Marco Daniel Gulewitsch
26.06.2015
Wie entsteht der körperliche Schmerz genau? Zusammenhänge zwischen Psyche und viszeraler Wahrnehmung Psychische Stressoren … … tragen zu einer Veränderung der mikrobiellen Besiedelung des Darmes mit weitreichenden Konsequenzen bei.
Weiterer potentieller Mechanismus •
Veränderte 5-HT-Regulation im Darm selbst (Serotonin), was die Schmerzempfindlichkeit der Nozizeptoren steigert bzw. die Signalweitergabe verbessert.
46 | Fachtag Schulpsychologie 2015 | Dr. Marco Daniel Gulewitsch
26.06.2015
Physiologische Stresssysteme • •
ANS HHNA Immunologische Prozesse
Viszerale Hyperalgesie Entzündungsreaktionen
Psychische Faktoren • • •
chronischer Stress Angst Depressivität
Bewältigungsverhalten
Mikrobiom
Schmerz Serotonerge Dysfunktion
Soziale Lernprozesse
47 | Fachtag Schulpsychologie 2015 | Dr. Marco Daniel Gulewitsch
26.06.2015
Wie entsteht der körperliche Schmerz genau? !
betrifft den Darm, seltener den Magen
!
die Schmerzen sind nicht eingebildet oder „psychisch“
Es werden im wesentlichen zwei physiologische Prozesse angenommen: 1. Viszerale Hyperalgesie (Schmerzen, Unwohlwohlsein): Herabgesetzte Wahrnehmungsschwelle gegenüber Dehnungsreizen. 2. Veränderte Motilität (Bewegung der intestinalen Muskulatur).
48 | Fachtag Schulpsychologie 2015 | Dr. Marco Daniel Gulewitsch
26.06.2015
Wie entsteht der körperliche Schmerz genau? Motilität: Bewegung der intestinalen Muskulatur Spasmen, Durchfall, Verstopfung, Gasbildung •
!
Wichtige Mechanismen: -
Besondere Rolle des Serotonins (5-HT-Rezeptoren).
-
Beeinflussung der Transitgeschwindigkeit durch das autonome Nervensystem (z.B. bei Stressreaktion oder dauerhafter autonom-nervöser Dysfunktion)1,2.
Wechselwirkung zwischen Hyperalgesie und Motilität.
1 Chang
et al., 2011; 2 Lomax et al., 2010
49 | Fachtag Schulpsychologie 2015 | Dr. Marco Daniel Gulewitsch
26.06.2015
Wie entsteht der körperliche Schmerz genau? Zentrale Sensitivierung !
wiederholte oder langanhaltende Erfahrung von Schmerzreizen führt zu Veränderungen in der synaptischen Übertragung und geht mit einer erhöhten Sensitivität für Schmerzreize einher („Schmerzgedächtnis“, „niedrige Schmerzschwelle“).
!
ZNS: langfristig neuroplastische Veränderung und Ausweitung der Hyperalgesie.
•
Bei Erwachsenen mit Reizdarmsyndrom findet man eine Deaktivierung des supragenualen ACCs, der mit der Herabregulierung von peripheren Schmerzsignalen assoziiert ist1.
1 Drossmann,
2011
50 | Fachtag Schulpsychologie 2015 | Dr. Marco Daniel Gulewitsch
26.06.2015
Wie sind wiederkehrende körperliche Beschwerden erklärbar?
51 | Fachtag Schulpsychologie 2015 | Dr. Marco Daniel Gulewitsch
26.06.2015
genetische Einflüsse frühe Schmerzerfahrungen
Physiologische Stresssysteme • •
ANS HHNA Immunologische Prozesse
Viszerale Hyperalgesie Veränderte Motilität
Psychische Faktoren • • •
Angst Depressivität chronischer Stress
Bewältigungsverhalten
Entzündungsreaktionen
Mikrobiom
Schmerz Serotonerge Dysfunktion
Soziale Lernprozesse
Zentrale Sensitivierung und weitere ZNSVeränderungen 52 | Fachtag Schulpsychologie 2015 | Dr. Marco Daniel Gulewitsch
26.06.2015
Wie ist es erklärbar, dass die Beschwerden in manchen Fällen persistieren während sie in anderen Fällen wieder remittieren?
53 | Fachtag Schulpsychologie 2015 | Dr. Marco Daniel Gulewitsch
26.06.2015
Entwicklungspsychopathologisches Modell der Chronifizierung bzw. Transition in andere Störungen
Erste Störungsetappe
körperliche Prozesse (z.B. entzündlich)
geteilte genetische Vulnerabilität für gastrointestinale und psychopathologische Symptome
gastrointestinale Vulnerabilität
psychologische Entwicklung von Kind und Familie
psychologische Vulnerabilität
Nur bei einer Teilmenge der jungen Betroffenen mit funktionellen bzw. medizinisch unklaren Symptombildern bildet sich langfristig eine somatoforme Störung oder andere psychische Störung heraus!
Was sind mögliche Entwicklungswege? physiologische Auslöser
Manifestation der Schmerzen
psychosoziale Auslöser
angepasst nach Noeker & Petermann, 2008
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26.06.2015
Zweite Störungsetappe
Entwicklungspsychopathologisches Modell der Chronifizierung bzw. Transition in andere Störungen
Psychopathologie der Eltern
physiologische Auslöser
Manifestation der Schmerzen
psychosoziale Auslöser
Beeinträchtigung des Wohlbefindens durch die Schmerzen
Gesteigerte Gesundheitsangst
Multiple Beeinträchtigung der Alltagsfunktion
Fehlanpassung: • Verzerrte kognitiv-emotionale Symptombewertung (Grübeln, Katastrophisieren, Hilflosigkeit etc.) • Rückzug und Konzentration auf die Beschwerden • Wenig vertrauensvolle Kommunikation zwischen Eltern-Kind bzw. ungünstige Lernprozesse (auch Fernbleiben von der Schule) • Problematische Interaktion mit Ärzten und Therapeuten ohne konsensuelles Störungs- und Behandlungskonzept. Langfristige Festigung der Symptomatik
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Entwicklung sekundärer Störungen
Psychopathologie des Kindes
angepasst nach Noeker & Petermann, 2008 26.06.2015
Entwicklungspsychopathologisches Modell der Chronifizierung bzw. Transition in andere Störungen Ungünstige Interaktion zwischen Arzt und Familie Positive Diagnosestellung: „Alle Zeichen sprechen für mich für einen starken Verdacht auf einen funktionellen Bauchschmerz (Kopfschmerz usw.). Zur Bestätigung möchte ich aber gerne noch einige Untersuchungen durchführen.“
Arztkonsultation wg. Beschwerden
Eltern wünschen sich genauere Diagnostik, wechseln den Arzt
„Mein Kind hat echte Schmerzen! Das kann doch nicht nur Stress sein.“
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„alles okay, habe nichts gefunden“
„das kann doch nicht sein!“ Weitere Beunruhigung
„Gibt es in Ihrer Familie Probleme?“ „Hat Ihr Kind Stress?“
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Was kann man tun?
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26.06.2015
Was hilft? – Evidenzbasierte Behandlung up-to-date Die empirische Befundlage für schmerzbezogene funktionelle gastrointestinale Störungen ist aktuell: •
medikamentöse Behandlung nicht sinnvoll. Eventuell bei schweren Komorbiditäten4
•
diätische Veränderungen wenig sinnvoll3
•
Einsatz von Probiotika vielversprechend1,5
•
beste Wirksamkeitsnachweise für psychotherapeutische Interventionen (KVT einzel+Familie und Hypnose)2,5,6
1 Guandalini, 6 Rutten
2014; 2 Gulewitsch et al., 2013; 3 Huertas-Ceballos et al., 2009; 4 Korterink et al., 2015a; 5 Korterink et al., 2015b; et al., 2014
58 | Fachtag Schulpsychologie 2015 | Dr. Marco Daniel Gulewitsch
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Was hilft? – Evidenzbasierte Behandlung up-to-date Dringend notwendige Forschung: •
Subgruppenklassifikation und spezifischere Behandlung (funktionelle Bauchschmerzen / Reizdarmsyndrom; ohne/mit Komorbiditäten)
•
Größere Studien mit längeren follow-ups
Aktuelle Forschungstrends:
•
Hypnose als Selbstlernverfahren
•
Achtsamkeits-/akzeptanzbasierende Ansätze
•
Biologische Korrelate wirksamer Interventionen
•
Einsatz/Wirkmechanismen von Probiotika
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Zentrale Interventionsbausteine in Tübingen Kinder
Eltern
Schule
• Aufklärung über Störung
• Aufklärung über Störung (positive Diagnose)
• Aufklärung der Lehrer über funktionelle Störung.
• Änderung des elterlichen Verhaltens
• Verhinderung der Entwicklung einer „Schulphobie“ (Teufelskreis aus Beschwerden und Schulvermeidung).
• Erlernen von akuten Bewältigungsstrategien (Entspannung, Ablenkung, Selbstinstruktion etc.). • Reduktion von Belastungsfaktoren, Alltags-/Wochenstruktur (Pausen). • Aktivitätsaufbau, Einführung selbstfürsorglicher Verhaltensweisen (z.B. Erlernen eines Entspannungsverfahrens, Ich-Zeit) bei gleichzeitigem Abbau von Schon- und Rückzugsverhalten. • Kognitive Umbewertung der Schmerzen erreichen.
• Ggfs. Psychotherapie einer komorbiden psychischen Erkrankung wie Angststörung oder Depression
Belohnungen, die kontingent auf verstärkten Schmerzausdruck hin gegeben werden, vermeiden. Zuwendung verstärkt in symptomfreien Zeiten. Kind in Strategien zur aktiven Schmerzbewältigung anleiten und unterstützen. Dies belohnen. Verzicht auf katastrophisierende Äußerungen (positives Vorbild).
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• Sofortige schulische Reintegration (ggfs. stufenweise mit Sonderregelungen). • Stigmatisierung als Schulschwänzer vermeiden (z.B. Gesicht wahrende Formulierungen wie das Kind erklären kann, was los ist). • Objektive Überforderung ist zu klären, ebenso wie Leistungsansprüche.
26.06.2015
Wichtiges Wissen für Lehrer und andere Fachkräfte im Schulkontext • •
• • • •
Die Beschwerden sind in der Regel „echt“ und sehr belastend. Anhaltende Simulation von Beschwerden ist sehr selten. Werden die Beschwerden nicht ernstgenommen, kann es zu problematischen Interaktionen kommen (Vorsicht mit „Lebensweisheiten“; besser: „wohlwollende Strenge“). Es sind klare Absprachen, Pläne und Regeln zum Umgang mit den Beschwerden notwendig. Nicht vermeiden (nicht alleine lassen): Über die Beschwerden sollte offen kommuniziert werden! Lehrer als Partner. Dass Ärzte nichts finden, bedeutet nicht, dass das Kind psychische Probleme hat. Körper-Psyche-Dichotomie vermeiden. Ungeplante, spontane Schulfehlzeiten sind unbedingt zu vermeiden (wenn dann Krankschreibung).
61 | Fachtag Schulpsychologie 2015 | Dr. Marco Daniel Gulewitsch
26.06.2015
Konkrete Handlungswege in der Schule: Was kann die Schule tun? •
Wenn kurzzeitige Entlastung des Schülers während Unterrichtszeit notwendig, dann innerhalb des Schulsettings. Möglichst nicht früher nach Hause.
•
Hürden für das Verlassen des Unterrichts einführen (im Sekretariat melden, spezieller Krankenraum, auf Zeit).
•
Toilettengänge sollten aber niemals verwehrt werden!
•
Gemeinsames Protokoll von Kind und Lehrern (Ziele vereinbaren), eventuell Stufensystem.
•
Bei jüngeren Kindern kann in Abstimmung mit den Eltern ein Belohnungssystem sinnvoll sein.
•
Beschwerden nicht zu viel Gewicht schenken, mehr Gewicht auf Erfolge.
62 | Fachtag Schulpsychologie 2015 | Dr. Marco Daniel Gulewitsch
26.06.2015
Konkrete Handlungswege in der Schule: Was kann die Schule tun? •
Um Stigmatisierung („Simulation“) vorzubeugen, ist es günstig, die Beschwerden als Erkrankung zu benennen, die während der Schulzeit auftreten kann.
!
Faustregel: Wenn länger als 2 Monate deutliche Beeinträchtigung, dann kann es nicht so bleiben.
63 | Fachtag Schulpsychologie 2015 | Dr. Marco Daniel Gulewitsch
26.06.2015
Körperliche Beschwerden– ein Hinweis auf psychische Probleme? Nein, keinesfalls immer. Auffällig ist: •
Beschwerden persistieren über mehrere Monate
•
Kind wirkt erschöpft und kränklich, Kind ist ständig müde
•
Veränderungen in Emotion und Verhalten
•
Veränderungen im Sozialverhalten (Rückzug, Ausschluss)
•
Veränderungen in der Schulleistung / dauerhaft schlechte Schullleistungen
•
stark belastete oder psychische erkrankte Eltern
•
Wenn klare Zusammenhänge mit bestimmten Situationen erkennbar sind (Prüfungen, Pausen, Ausflüge, Sportunterricht)
•
(Anhäufung von Schulfehlzeiten)
64 | Fachtag Schulpsychologie 2015 | Dr. Marco Daniel Gulewitsch
26.06.2015
Funktionen der Schule frühzeitiges Erkennen von psychosozialen Problemen und Fehlanpassungen bzw. Leistungsproblemen
Weichen stellen zu Fachleuten (Wo kann ich betroffene hinschicken?)
Aufrechterhaltung der Störung beeinflussen
Schulbesuch aufrechterhalten, Schulabsentismus vorbeugen
konstruktiven Umgang vorleben, nicht zur Katastrophisierung beitragen 65 | Fachtag Schulpsychologie 2015 | Dr. Marco Daniel Gulewitsch
26.06.2015
Dr. Marco Daniel Gulewitsch Universität Tübingen Fachbereich Psychologie Schleichstraße 4 72076 Tübingen
07071 29 77187
[email protected]
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