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Wissenschaftliche Tagung Des Instituts Für Musikwissenschaft

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ÜBER DEN URSPRUNG VON MUSIK. MYTHEN, LEGENDEN UND GESCHICHTSSCHREIBUNGEN IM INTERDISZIPLINÄREN DISKURS Wissenschaftliche Tagung des Instituts für Musikwissenschaft Universität Bern, 19./20. November 2015 Call for Papers „The origin of music is obscure“ (Bruno Nettl). Bislang wurde nur vereinzelt, zudem auf musikgeschichtliche, ‐ethnologische oder ‐anthropologische Bereiche beschränkt und zumeist mit nüchterner Ratlosigkeit über den Anfang der Musik und dessen Darstellung nachgedacht, vor allem im Kontext von Mythos und Religion. Auffallenderweise wiederholen sich Ursprungsgeschichten von Musik dort, wo sich abweichende Entwicklungen der Musik Bahn zu brechen suchen und über Verfall und Aufstieg jeweils neuer Musikrichtungen nachgedacht wird. Was vermögen diese Mythen, Legenden und Geschichten zum Anfang, Beginn, Ursprung oder zur Entdeckung von Musik über unser Verhältnis zur Musik in Geschichte und Gegenwart auszusagen? Die Tagung möchte sich der Aufgabe stellen, über den Ursprung von Musik innerhalb eines Spektrums allgemeiner Kunstmythologie im europäischen und außereuropäischen Kontext nachzudenken. Das verlangt geradezu nach einer komparatistischen Perspektive. Denn neben all den wissenschaftlichen und v.a. nichtwissenschaftlichen Theorien – in der Antike als Geschichtserzählung geboren, zu kultischen und religiösen Mythen und Legenden gewandelt – sind es auch künstlerische Darstellungen, die hierbei einen besonderen Reiz ausüben: als Sujets in Opern und Oratorien, in Stein gemeißelt, auf Leinwand und „al fresco“ oder als vorrangiges Thema der romantischen Literatur. Das Spektrum scheint unendlich groß, somit aber auch anschlußfähig für einen interdisziplinären Dialog: Die Tagung soll ein Forum bieten für disziplinübergreifende Nachwuchsprojekte (Doc und PostDoc) aus der Kunst‐, Literatur‐, Kultur‐ und Musikwissenschaft, Wissenschaftsgeschichte, (Kultur‐)Anthropologie und Ethnologie, die sich weitestgehend dem Gegenstand „Musik“ widmen und den inhaltlichen und methodologischen Dialog miteinander suchen bzw. brauchen. Die historiographische und/oder künstlerische Darstellung des Ursprungs von Musik soll dabei im Vordergrund stehen. Geplant sind bis zu drei mögliche Sektionen: 1. Ursprungsmythen und ‐legenden zur Kunst in den Geschichtsschreibungen in Antike, Mittelalter, Neuzeit und Moderne Beispiele wären etwa der antike Orpheus‐Mythos oder die Pythagoras‐Legende von der Entdeckung der Tonleiter und ihrer Zahlenproportionen und die Anbindung an den Kosmos (mit der wirkmächtigen Idee der Sphärenharmonie), die von Platon bis zur Genesis wiederzufinden sind („Schmiede‐Legende“, sowohl Tanach als auch Bibel), aber auch die Entstehung des Komponisten (Notre‐Dame‐Schule mit Perotin im 12. Jahrhundert), der artifiziellen Mehrstimmigkeit als spezifisch abendländisches Prinzip im 9. Jahrhundert (zuletzt bei H. H. Eggebrecht), nicht zuletzt die Entstehung der Oper aus dem Geist der Antike um 1600 etc. Zu fragen wäre hinsichtlich kulturgeographischer Ausdifferenzierungen nach strukturellen Gemeinsamkeiten musikbezogener Ursprungslegenden. 2. Historizität und Narrativität – Gründungsmythen und Geschichtsphilosophie Als prominent wären die unzähligen Narrative der „Emanzipation“ als Ursprungsgeschichte zu nennen: Monteverdis Emanzipation des poetischen Affekts von der strengen Kontrapunktlehre im Madrigal (als seconda prattica) und in der Oper um 1600, die Opernreformen Glucks im 18. und Wagners im 19. Jahrhundert, die Emanzipation der Instrumentalmusik als „Idee der absoluten Musik“ (Dahlhaus) um 1800, die Proklamation der Zukunftsmusik und ihr Ursprung im Beethoven‐Mythos im 19. Jahrhundert (bei Franz Brendel, Franz Liszt und vor allem Richard Wagner), Schönbergs „Emanzipation der Dissonanz“ auf dem Weg zur Neuen Musik um 1920 etc. Hervorzuheben wäre aber auch etwa das Narrativ von der Musik als vermeintlich spezifisch deutscher Kunst im europäischen Dialog der Künste vom 18. bis 20. Jahrhundert sowie deren kulturgeschichtliche Konsequenzen, wie sie etwa Paul Bekker und Theodor W. Adorno musiksoziologisch oder Thomas Mann in seinem „Doktor Faustus“ literarisch nachhaltig problematisiert haben. 3. Kollisionen – das Ende der Mythen vom (Neu‐)Anfang Zu denken wäre hier exemplarisch an die Musik nach 1945 und die vermeintliche „Stunde Null“ oder Pierre Boulez‘ „Schönberg est mort“. Zu erörtern wären hier auch verschiedene Konzepte der Stille und deren unterschiedliche Motivationen (etwa bei John Cage und Luigi Nono) sowie die „Technikbegeisterung" der 1960er und 70er Jahre (Rundfunktechnik, Tonbandtechnik, Elektronische Musik) als Reaktion auf die Integrität des Kunstwerks und gegen den Mythos vom genialen Schöpfer (Peter Bürger) etc. Die Tagung wird von der Universität Bern veranstaltet und von den Assistierenden des Instituts für Musikwissenschaft organisiert. Für den gemeinsamen Dialog sind neben Beiträgen des wissenschaftlichen Nachwuchses Impulsreferate von Forschern vorgesehen, die sich durch eine besondere interdisziplinäre Kompetenz auszeichnen (u.a. Franz Körndle, Dominik von Roth). Ein Auswahlverfahren soll für ein gleichermaßen interessantes wie wissenschaftlich angemessenes Spektrum Sorge tragen. Aussagekräftige Abstracts für Vorträge in deutscher oder englischer Sprache (max. 500 Worte) mit Kurz‐CV können bis zum 31.5.2015 per E‐Mail an [email protected] oder [email protected] eingereicht werden (Bescheide ergehen bis spätestens 1.7.2015). Vincenzina Ottomano / Sascha Wegner Assistenz Historische Musikwissenschaft Institut für Musikwissenschaft Universität Bern Hallerstrasse 5 CH-3012 Bern Tel. +41 31 631 4717 (direkt) Fax: +41 31 631 3459 [email protected] [email protected] www.musik.unibe.ch