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Wochenkommentar vom 28. Februar 2016 __________________________________________________________________________________
Bleibt der Markt vorerst auch weiterhin in der Konsolidierung? Eine der kardinalen Fragen, welche sich Marktteilnehmer und Analysten immer wieder stellen, ist die nach dem Instrumentarium, mit welchem zumindest halbwegs akzeptabel zuverlässig Kursszenarien erstellt werden können. Besonders in den kürzerfristigen Zeitfenstern hat sich bis heute der Fokus auf technisch basierte Analyseansätze behaupten können, auch wenn im Berufshandel deren Zenit bereits überschritten ist. Die Begründung für das bisher anhaltende Festhalten an der Technischen Analyse, ist ihre Fähigkeit, Komplexitäten stark zu vereinfachen und durch optisch offensichtliche „Orientierungspunkte“ unserem Gehirn das Aufsuchen von reflexiv bedingten und sich wiederholenden Verhaltensmustern der Akteure zu erleichtern (auch wenn die Prognostizierbarkeit der Märkte damit noch immer nicht möglich wird). Darüber hinaus erlaubt uns dieser Analyseansatz die Ableitung von Hinweisen, wann wir uns geirrt haben (hier sehe ich persönlich den unumstößlichen Vorteil der Technischen Analyse gegenüber anderen Methoden der Kursverlaufsbewertung). Sind wir uns ihrer Stärken aber auch gewaltigen Einschränkungen bewusst, ist der Einsatz dieses Analyseansatzes im Echtgeldhandel sinnvoll. Ich war über viele Jahre ein sehr überzeugter Anwender der Instrumentarien der Technischen Analyse in ihrer Rohform. Doch über die Zeit (erhaltene Ausbildung und zunehmende berufliche Handelserfahrung) steigerte sich das Verständnis für die Wirkungsweise von Reflexivität und Komplexität, so dass sich mein Blickwinkel veränderte. Einer der gravierendsten „Polaritätswechsel“ in meinem Verständnis zur Werthaltigkeit der Aussagekraft technischer Instrumentarien vollzog sich im Bezug auf die Wertung von „sich selbst verstärkenden“ Prozessen im Markt. Hielt ich diese früher für eher gering bedeutend, so schätze ich ihre Wichtung heute für dominant. In der Konsequenz daraus nutze ich die Technische Analyse heute nur noch als beschreibendes (diagnostizierendes) Instrument, in erster Linie um zu prüfen, ob meine fundamentale Beurteilung des Marktes (welche ebenfalls ja nur stark vereinfacht und unter Ignoranz aller Komplexitäten erfolgen kann) vom Kursverlauf widergespiegelt wird. Dieses Vorgehen hat zur Folge, dass ich mich vorrangig (a) auf bewerte Entwicklungsszenarien, welche eine strikte statistisch belegte zuverlässig akzeptable Trefferquote in ihrem jeweils wiederholenden Auftreten aufweisen und / oder (b) Auffälligkeiten zeigen, welche sich aus dem Verhalten der Marktteilnehmer ableiten lassen und realistisch fundiert erklärt werden können. Ich verweise hierbei auf ablauftechnisch begründete und im rechtlich gegebenen Rahmen abgedeckten Handelsaktivitäten. Eine unter (a) zugeordnete statistisch belegte (seit 13 Jahren manuell mitgeführte) Auswertung des Reaktionsverhaltens des Kursverlaufes des DAX / FDAX auf Tagesbasis, gehört hierbei zu meinen bevorzugten Hilfsmitteln, um zukünftige Kursverläufe in genau diesem Wert in genau diesem Zeitfenster in Szenarien skizzieren zu können. Hierbei bemühe ich mich, die mir zur Verfügung stehenden fundamentalen Rahmendaten mit den von mir bevorzugt eingesetzten technischen Instrumentarien abzugleichen und daraus Schlüsse zu ziehen, mit welchen statistisch belegten Wahrscheinlichkeiten Handelsrichtungen bevorzugt werden können.
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Das aktuelle Marktverhalten ließ auch in der letzten Woche wiederholt entsprechende Schlüsse zu und macht unter Beachtung der fundamentalen Rahmenbedingungen SzenarioDiskussionen möglich. Fundamentale Rahmenbedingungen Einmal mehr standen in der letzten Woche die Entwicklung des Öl-Preises, als auch die Erwartungen im Hinblick auf die künftige Geldpolitik der global wichtigsten Zentralbanken im Mittelpunkt der Aufmerksamkeiten der Akteure an den Märkten. Politische Faktoren wurden dagegen unterschiedlich stark beachtet. Während das Treffen der G20 zumindest in Europa am Freitag zu anfänglich kräftigen Kursgewinnen führte, fand der auf Freitagnacht angesetzte Waffenstillstand in Syrien (zumindest in den nicht ISI dominierten Gebieten) keine kursbeeinflussende Wirkung auf die Märkte. Die Komplexität der wirtschaftlichen Entwicklungsfakturen blieb uns aber auch in den letzten Tagen erhalten. Der Öl-Preis, welcher laut Berechnungen eines US-amerikanischen Vermögensverwalters aktuell eine 90 prozentige Korrelation der US-Indizes bewirkt, wurde durch zwei Aspekte in wechselnde Richtungen getrieben: auf der einen Seite führten immer wieder aufkommende Meldungen über mögliche Treffen ölproduzierender Staaten (allen voran Russland und Saudi-Arabien), um Maßnahmen zur Produktionsdeckelung zu ergreifen, zu ShortEindeckungen. Von den volatil steigenden Öl-Preisen profitierten in erster Linie die USIndizes auf Grund der hohen Gewichtung Öl- und Rohstoff-abhängiger Unternehmen in den Indizes. Der DAX / FDAX folgten auf der Oberseite den US-Börsen. Immer wieder aufkommende Zweifel über die Wirksamkeit und Durchsetzbarkeit von Produktionsdeckelungen, in Kombination anfänglich eher schwacher US-Konjunkturdaten, führten schlussendlich aber doch immer wieder zu Kursabschlägen in den Öl-Notierungen, was folgerichtig auf die Aktien-Notierungen drückte. Weiterhin heißt es im Markt, dass Käufe im Öl-Termin-Geschäft vorrangig auf Eindeckungen zurückzuführen sind, nicht als tragende Substanzkäufe zu betrachten sind. Diese werden mit hoher Wahrscheinlichkeit ohnehin noch auf sich warten lassen, wenn wir berücksichtigen, dass bislang keine anderen Staaten außer Saudi-Arabien, Russland, Katar und Venezuela einer Beteiligung an einem Abkommen zur Deckelung der Produktion zugestimmt haben. Der Iran hat eine Beteiligung seinerseits bereits sogar abgelehnt und plant eher eine weitere Produktionserweiterung, laut Commerzbank wird ähnliches auch vom Irak aus zu erwarten sein. Latent hofft man derzeit noch auf Produktionsrückgänge in den USA, da auf Grund der niedrigen Öl-Kosten der Druck auf die Schiefer-Öl-Produktion zunehmen sollte (zumindest ist das die aktuell gängige Diskussionslinie). Dieser These steht allerdings eine Studie von Goldman Sachs entgegen und wird auch von diversen Händlern im Öl-Markt bestätigt. Es wird zwar zur Kenntnis genommen, dass jede Woche Bohrlöcher in den USA stillgelegt werden und auch Konkurse auftreten, doch wird die Grundsubstanz der Fracking-Industrie als viel stärker beschrieben, als gemeinhin unterstellt. Sollte aber der Öl-Preis (warum auch immer) steigen, wäre zumindest eine sofortige Wiederbelebung stillgelegter Bohrlöcher möglich (laut GS würde
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dies etwa nur 80 Tage dauern, bis das Öl nicht nur gefördert, sondern am Markt wäre). Somit scheint ein Deckel auf der Oberseite realistisch. Die zukünftige Geldpolitik der Zentralbanken (FED, EZB, aber auch der chinesischen Zentralbank) bildeten die zweite Einflusssphäre auf die Kursentwicklung in der letzten Woche. Sehen wir uns zunächst die EZB an. Neben nahezu durchgehend enttäuschenden Konjunkturdaten in Europa in der vergangenen Woche, lastet die Sorge, Großbritannien könnte im Juni für das ungeordnete Verlassen der EU stimmen. Spricht man mit Händlern über dieses Thema, wird immer wieder darauf verwiesen, dass ein Austritt nicht nur ein Erpressungsargument ist, sondern man hält es zu 50/50 für realistisch. Befürworter (besonders die britische Industrie) stehen einer an Argumentationsstärke gewinnenden AntiEuropa-Front gegenüber, welche ebenfalls mit wirtschaftlichen Argumenten punkten. Wir brauchen hier keine Wertung der gegenteiligen Argumente vorbringen (das wird den Markt kaum interessieren), wir müssen abschätzen, was der Markt als realistisch ansieht. Und hier sind die Sorgen und Konsequenzen ein erheblicher Schatten, der auf den Märkten lastet. Vergessen wir nicht, dass die Exportnation Deutschland über 7% Ihrer Exporte allein nach UK liefert. Kommt es hier zu einem Austritt und zu anhaltenden Abwertungen des Pfund gegen Euro, wird sich diese Entwicklung für die Gewinnerwartungen unserer Unternehmen deutlich verschlechtern. Schätzungen für die Euro-Zone gehen in die Richtung, dass ein Austritt Großbritanniens doppelt so gravierende Auswirkungen hätte, wie eine harte Landung Chinas. Ein möglicher „Brexit“ und schwache Europa-Zahlen, sowie die Erwartung einer negativen Inflationsentwicklung im Euro-Raum, lassen die Erwartungen auf weitere geldpolitische Maßnahmen durch die EZB im März erwarten. Damit sahen wir weiteren Druck auf den Euro. Dem steht eine mögliche gegenläufige Geldpolitik der Fed gegenüber. Noch vor zwei Wochen waren mögliche Zinserhöhungen durch die US-Notenbank fast ausgepreist im Markt. Fragte man Rentenhändler unterschiedlicher Banken nach ihrer Einschätzung, so winkte man überwiegend ab. „2016 kommt nichts mehr und 2017 bestenfalls eine Zinserhöhung“, war der verbreitete Konsens. Mittlerweile hat sich das Bild wieder geändert. Gute Zahlen, gutes BIP im vierten Quartal, steigende Preise, steigende Einkommen – alles Argumente, welche die Entscheidung der US-Zentralbank in Richtung Zinserhöhung im März 2016 tragen könnte. Zwei gegenläufige Geldpolitiken treiben beide Währungen (EUR/USD) wieder auseinander, die Sorge einer Zinserhöhung lastete nach den guten BIP-Zahlen besonders auf den USIndizes. Chinas Zentralbank beruhigte am Freitag die Märkte: man sehe keinen Grund für eine fortgesetzte Abwertung des Yuan, man sehe die chinesische Konjunktur weiterhin stark und man hätte Spielraum für weitere geldpolitische Maßnahmen (was der Markt als weitere Zinssenkungsaussichten interpretierte).
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Diese Worte im Ohr und Hoffnungen, in der laufenden wirtschaftlichen Eiszeit könnte das G 20 Treffen in Shanghai zu wachstumsfördernden und die Finanzmärkte stabilisierende Maßnahmen führen, wurde als Zündfunken für die anfängliche Hausse am Freitag in Europa gesehen, doch ließen die Käufe nach, als dämpfende Worte Schäubles veröffentlicht wurden, der weitere geldpolitische Maßnahmen ablehnte. Auch Banken dämpften den Optimismus. Laut der Nachrichtenagentur Reuters sieht die Citigroup keine Überraschungen in dieser Hinsicht. „Der Vielzahl der Probleme stehen eine Vielzahl von Partikularinteressen gegenüber“, hieß es. Fassen wir die fundamentalen Rahmendaten wenigstens in ihren Eckpunkten zusammen, haben wir gegenläufige Impulse im Markt. Ein steigender Öl-Markt (ausgelöst durch weitere Hoffnungen auf Produktionsdeckelungen und / oder ein weiteres Anziehen der US-Wirtschaft und / oder durch einen schwachen USD) würde die Börse stützen. Zunächst über die US-Indizes und über diese auch die Börsen in Europa. Dem stünde aber entgegen, dass eine anziehende Wirtschaft in den USA die Wahrscheinlichkeit einer Zinserhöhung durch die Fed steigert, was (a) belastend für die Märkte wäre und (b) den USD anziehen lässt, was im Umkehrfall wieder den Öl-Preis unter Druck bringt. Bei den Zentralbanken stehen die Interessen im Hinblick auf ein Auseinanderdriften der Währungen ebenfalls entgegengesetzt zueinander, was im Hintergrund durchaus heftige Auseinandersetzungen nach sich ziehen kann. Die Fed sieht sich durchaus der Notwendigkeit ausgesetzt, die Zinsen anheben zu müssen, um den bekannten Gefahren einer zu lang anhaltenden Billiggeld-Politik zu begegnen. Dennoch hat die Fed kein Interesse daran, den USD zu stark werden zu lassen, was gegenüber dem Euro aber geschehen könnte, wenn die EZB gleichzeitig sogar die Zinsen weiter senkt. Gelöst werden könnte dieser Spagat, wenn die EZB andere Maßnahmen ergreift, als eine Senkung der Zinsen, z.B. Ausweitung des QE auf andere Wertpapiere. Die Wirtschaft in Europa kommt aktuell nicht wirklich auf die Füße, das Vertrauen in die Effizienz der Notenbanken und ihre geldpolitische Steuerung ist bei weitem nicht mehr auf dem Zenit. Zusammengenommen gehen die Akteure an den Märkten noch immer von gesteigerten Risiken aus. Für steigende Kurse sprechen aktuell lediglich die gewaltigen Cash-Bestände der institutionellen Anleger, zum Teil hohe Short-Bestände bzw. Unterinvestitionen (die immer wieder zu Eindeckungen führen, wenn alle eindecken) und die Hoffnungen auf weitere geldpolitische Maßnahmen. Somit bleibt die Annahme, dass sich die Märkte vorerst weiterhin in sehr breitgefassten und temporär sehr impulsstarken aber eher kurzweiligen Bewegungsschüben bewegen werden, die wohl wahrscheinlichste (so wie sie sich in der letzten Woche bestätigte).
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Technische Ausgangslage des DAX / FDAX In den letzten drei Wochen zeigte sich der DAX / FDAX zwar sehr schwankungsfreudig und vergleichsweise unbeständig im Bewegungsverlauf, fiel diesmal aber sehr durch sein sehr zuverlässiges Reaktionsverhalten auf. Wir begründen diesen Sachverhalt mit der aktuellen Qualität des Orderflusses. Wir haben derzeit nur temporär größere Orders in der Kasse, in den letzten drei Wochen dominierten die Aktivitäten im Future (was durchaus nicht typisch ist). Dieser Tatbestand erlaubte eine ziemliche Markentreue – etwas, was so kaum auftritt, wenn die Orderdominanz aus der Kasse kommt, denn dann werden die Bewegungsschübe über eine Aktie oder einem Sektor (verzerrt) in die Kasse übertragen und diese wiederum überträgt diesen Impuls über die Index.-Arbitrage in den Future. Bereits Ende vorletzter Woche ließ das gesehene Reaktionsverhalten des DAX / FDAX erwarten, dass zumindest für das laufende Bewegungsfraktal auf der Unterseite nur noch mit einer unter 50 prozentigen Eintrittswahrscheinlichkeit mit neuen Bewegungstiefs (also Kursen unter 8.690,50) gerechnet werden konnte (ich merke an, dass sich vor drei Wochen diese Aussage ausschließlich auf die Argumentation mit den statistisch belegten Reaktionspotentialen bezog). Mit dem Rücklauf am Mittwoch, welcher das normale Reaktionspotential auf der Unterseite fast punktgenau erreichte, sank auch die Wahrscheinlichkeit einer Fortsetzung des bis dahin schon gültigen tertiären Aufwärtstrends auf unter 50 Prozent, was uns erwarten ließ, dass der Markt in eine Konsolidierung übergehen könnte in den Grenzen um 9.100 Unterseite und 9.600 Oberseite Die Bestätigung sollte erfolgen, wenn der DAX / FDAX im erneuten Erholungsschub (Donnerstag / Freitag) nicht über die 9.600er Begrenzung springen würde. Wir skizzierten dieses grobe Handelsszenario im Bezug auf die fundamentalen Rahmendaten, welche sich derzeit ebenfalls gegensätzlich und damit konsolidierungsfördernd zeigen. Der aktuelle Orderfluss lässt ein Festhalten an dieser Erwartungshaltung noch immer zu. Solange wir nicht wieder wirkliche Substanzkäufe oder aber auch Substanzverkäufe in der Kasse sehen, wird der FDAX für sich genommen nicht in der Lage sein, die Konsolidierungstendenz zu durchbrechen. Daraus ziehen wir den Schluss, dass wir (a) übergeordnet solange am Konsolidierungsszenario festhalten, bis sich die Zusammensetzung des Orderflusses wieder ändert, (b) im intraday-Geschäft weiterhin beide Seiten gleich gewichten und (c) im Tageschart die Häufung der Umsätze innerhalb der Konsolidierung als Indiz nutzen werden, wohin der Markt ausbrechen könnte. Es gilt aber grundsätzlich weiterhin: 85 Prozent aller Orders laufen in der Kasse, nicht im Future, womit nur dieser Orderfluss ausreichend Dominanz aufbauen kann, um den Markt über klassische Trading-Spannen hinaus schieben zu können. Uwe Wagner
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