Transcript
September | Oktober 2015
+ Zusatzversicherungen: Wer sie braucht +
G E SU N D H E IT
Zähne
GESUNDHEIT Neue Techniken bei Implantaten, Parodontose, Zahnspangen Keine Angst vorm Zahnarzt / Sparen mit Behandlung im Ausland Zahnpflege-Forschung: effizientes Putzen, die besten Bürsten
DIE P 425 TO ÄRZTE, N H A Z TE PLANTA
FÜR IM HOPÄDIE, RT KIEFERO WURZELN, ZAHN NTOSE O D O R PA
Schöne, gesunde
Zähne
Karies, Kronen, Korrekturen – was Zahn-Experten heute alles können und was ihre Behandlung kostet
Veneers & Bleaching So bleibt Ihr Lächeln makellos
EDITORIAL
Die Gesundheit im Lächeln lauter, Frauen ziehen ein dezentes Surren vor. Lesen Sie ab S. 18, wie Forscher die Modelle und sie sind ein wesentlicher Teil der Gesundder Zukunft entwerfen. heit. Damit meine ich nicht nur Karies. Eine Entzündung des Zahnfleischs, die Parodontose, kann sogar Schäden am Herzen oder Diabetes BEIM ZÄHNEPUTZEN KOMMT ES AUF DIE TECHverursachen. Umso wichNIK AN. Aber nicht auf die tiger sind Pflege und die der elektrischen HighKontrolle beim Zahnarzt. Tech-Bürste, sondern auf Ihre eigene Putztechnik! Den Spezialisten für Wurzeln und Zahnfleisch geViele putzen zu kurz, zu lingt es heute, auch ununsystematisch und zu rettbar scheinende Zähne fest. Nach 46 Sekunden statt nach drei Minuten noch zu erhalten. Die legen sie die Bürste aus Top-Experten für Endodontologie, Parodontoloder Hand. Dafür drügie Implantologie und cken sie umso kraftvoller Kieferorthopädie finden zu und Schrubben den Sie in den Ärztelisten ab Zahnschmelz weg. Ab S. Seite 100. 86 haben wir für Sie das Am Dummy bohren lernen Autorin Yvonne Wissenswerte zur Pflege Küster am Ausbildungsgebiss aus Plastik bei Professor Ludger Figgener, Uni-Klinik Münster WER SICH IM AUSLAND zusammengestellt: Wie Zähne und Zahnfleisch die Zähne richten lässt, kann viel Geld sparen und nebenbei ein bissgesund bleiben; was bei empfindlichen Zähchen Urlaub machen. Einige der Praxen sind nen und Brücken zu beachten ist; wie Eltern vorsorgen, dass ihre Kinder von Karies versogar von deutschen Krankenkassen zertifiziert. Dennoch gilt es, vorher einiges zu klären, schont bleiben. Und wie der Atem jeden Kussetwa wie die Garantiebedingungen sind. Ab test besteht. S. 62 beschreiben wir die wichtigsten Fakten zur Auslandsbehandlung. Herzlich
Foto: Dominik Butzmann für FOCUS-Magazin, Dominik Pietsch für FOCUS-Gesundheit
SCHÖNE ZÄHNE VERLEIHEN AUSSTRAHLUNG,
BÜRSTEN REINIGEN die Zähne – ganz einfach. Aber das müssen sie auch klanglich unter Beweis stellen. Bei Asiaten gibt eine elektrische Zahnbürste hohe Töne von sich, bei Europäern eher tiefe. Männer mögen es kerniger und FOCUS-GESUNDHEIT
Ulrich Reitz, Chefredakteur 3
Inhalt
FOCUS-GESUNDHEIT – Nr. 25 – Die Zähne
Forschen & verstehen
6 Mein Zahn der Zeit Vom Embryo im Mutterleib übers (weiche) Milch- bis zum (oft lückenhaften) Altersgebiss: wie sich unsere Zähne im Lauf des Lebens verändern
14 Nicht ganz lückenlos
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Losgelassen Bei der Zahnbürste zählt selbst der Klang – Bericht aus dem Borstenlabor
Kaugummis, die Alarm schlagen, Kinder, die Zähne kosten (oder nicht?), der Zahn als Datenträger und das Geheimnis des harten Beißerchens
18 Besuch bei den Borstenforschern Eine Zahnbürste ist kein Stiel mit Borsten, sondern ein High-Tech-Produkt. Selbst ihr Summton bleibt nicht dem Zufall überlassen
24 Blendendes Erfolgssignal Sexy, dominant oder introvertiert – wie unsere Zähne auf andere Menschen wirken und warum sie in Nordamerika weißer sein müssen als in Europa
29 Reparieren & heilen
30 Was darf’s denn sein? Füllungen, Inlays und Kronen gibt es in einer Vielzahl von Materialien und zu ganz unterschiedlichen Kosten. Eine Entscheidungshilfe von der Uniklinik Münster
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Weggetreten Gegen ZahnarztAngst kann Hypnose helfen – mit roten Luftballons
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Ausgehöhlt Experten für Wurzelbehandlung retten auch scheinbar unrettbare Zähne
Parodontitis (oder Parodontose) bedroht erwachsene Zähne stärker als Karies und kann den ganzen Körper krank machen. Was vor der Entzündung schützt
44 Verzweigtes Gangsystem
Spezialisten der Endodontologie retten schwer geschädigte Zähne mit einer aufwendigen Wurzelbehandlung
50 Auf Lebenszeit verschraubt Moderne Technik und immer bessere Materialien machen Implantate präziser und langlebiger. Dennoch brauchen die künstlichen Wurzeln eine gute Pflege
56 Wieder befreit lächeln Eine gute Vollprothese ist entscheidend FOCUS-GESUNDHEIT
Titel Illustration: Brian Christie für FOCUS-Gesundheit
38 Bitte fest halten!
85 Pflegen & erhalten
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86 Mit Bürste und Bürstchen Tipps und Infos für die richtige Zahnpflege. Alles über die richtige Bürste und ihre Anwendung, die optimale Putzdauer und die Frage: elektrisch oder von Hand?
92 Was den Zähnen schmeckt Die richtige Ernährung erhält die Zahn
Fotos: Jonas Ratermann, Andreas Nestl, Oliver Tjaden/alle für FOCUS-Gesundheit; Illustration: Karsten Petrat für FOCUS-Gesundheit
Sauber poliert Nicht zu viel, nicht zu wenig – beim Putzen kommt es auf das Maß an
gesundheit. Überraschung: Naschen ist in Grenzen erlaubt. Ein Stück Hartkäse nach dem Putzen liefert Calcium
94 Was kleine Zähne brauchen Vorsorge bei Kindern beginnt am besten schon während der Schwangerschaft. Dazu: wie Karies vermeidbar ist und wann mit dem Putzen begonnen werden sollte
98 Auch für dazwischen Schlaue Produkte locken zur Zahnpflege: eine Bürste, die mit dem Smartphone kommuniziert, oder eine, die aus Holz besteht und damit biologisch abbaubar ist
100 Methodik Zahnärzteliste Wie die Daten der FOCUS-GesundheitZahnärztelisten erhoben wurden
101 Ärzteliste Endodontologie 108 Ärzteliste Parodontologie für mehr Lebensqualität im Alter. Zur Befestigung am Unterkiefer genügt neuerdings schon ein Implantat
58 Keine Scheu vor dem Weiß
Wer sich nicht zur Behandlung in die Praxis traut, kann schlimme Schäden am Gebiss davontragen. Was gegen die Zahnarzt-Angst hilft
62 Reiseziel Praxis Eine Behandlung im Ausland spart Geld. Die gründliche Vorbereitung vermeidet böse Überraschungen, wenn etwas schiefgeht oder Nacharbeiten nötig sind
66 Police mit Biss Die umfangreiche Gebisssanierung kann ein kleines Vermögen kosten. Für wen eine Zusatzversicherung lohnt und was dabei zu beachten ist FOCUS-GESUNDHEIT
69 Korrigieren & verschönern d
70 Unsichtbares für Große Neuerdings tragen auch immer mehr Erwachsene Z ahnspangen. Neue transparente Modelle versprechen eine unauffällige Korrektur von Fehlstellungen
76 Endlich richtig weiß Zähne aufhellen ist heute kein Problem.
111 Ärzteliste Implantologie 120 Ärzteliste Kieferorthopädie 128 Schon gewusst? Der legendäre Bayernkönig Ludwig II. hatte unterirdisch schlechte Zähne. Und: Tipps, wie sich noch der kleinste Rest an Zahnpasta aus der Tube quetschen lässt
Die Methoden im Vergleich
78 Lächeln mit Bling-Bling Grillz, Dazzlers, Twinkles – wie bitte? Zahnschmuck wird immer vielfältiger
80 Malmen im Schlaf
Wer nachts mit den Zähnen knirscht, riskiert schwere Schäden. Beißschienen oder Bio-Feedback helfen dagegen
Rubriken 3 Editorial des Chefredakteurs 130 Vorschau und Impressum
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FORSCHEN & VERSTEHEN
INFOGRAFIK
Mein Zahn
der Zeit
Sie bestehen aus dem härtesten Material, das der Körper herstellt. Sie leben schon in uns, noch bevor wir geboren werden. Und wenn wir sie gut pflegen, dienen sie uns bis ans Lebensende: die Zähne. Eine Zeitreise durch die Zahngenerationen und die Zähne der Generationen
Pulpa des Milchzahns
oberer Schneidezahn kurz vor dem Durchbruch
Querschnitt: Kiefer des Fetus im vierten Monat
Pulpa des bleibenden Zahns
Blick in den Kiefer eines einjährigen Kindes
Milchzähne im Anmarsch 20 Zähne umfasst das vollständige Gebiss der sogenannten ersten Dentition. Die scharfen Kanten der Zähne reißen beim Durchbruch das Zahnfleisch ein. Foto: Plainpicture; Illustration: Jörn Kaspuhl für FOCUS-Gesundheit
Nachfolge in Sicht Während Milchzähne noch wachsen, rücken bereits die bleibenden Zähne nach.
Das Zahnfleisch bedeckt noch die Zähne.
Das Baby Das erste Lebenszeichen gibt der werdende Zahn schon im Fetus von sich. Sechs Wochen nach der Zeugung beginnt sich eine Zahnleiste in die spätere Mundhöhle zu senken. Zahnknospen, runde Verdickungen auf der Leiste, entstehen und entwickeln sich in mehreren Stadien zum fertigen Zahn. Wenn der menschliche Embryo sechs Monate alt ist, bilden die vorderen Schneidezähne bereits Dentin und Zahnschmelz. Zur Geburt sind alle Kronen der Milchzähne geformt. Es dauert aber noch rund ein halbes Jahr, bis der erste Milchzahn an die Oberfläche tritt. Fängt die Wurzel an zu wachsen, straffen sich zwischen ihr und dem Knochenfach kräftige Fasern. Sie schieben die Zähne in die Mundhöhle. 6
Die unteren Schneidezähne brechen zuerst durch
FOCUS-GESUNDHEIT
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Jahre alt sind die meisten Kinder, wenn ihr Milchgebiss fertig gebildet ist
Lückenlos Meldungen, Meinungen, Mythen
Das stabilste Biomaterial? Ein Zahn! Welche Kraft nötig ist, um Material zu zerreißen, bestimmen Forscher mit der Zugfestigkeit.
RISK ANTER AFFENZAHN Dass Sport die Gesundheit fördert, wissen die meisten. Allerdings scheint dieser Zusammenhang nicht auf die Zähne zuzutreffen: In einer Studie mit jeweils 35 Triathleten und Nichtsportlern fanden Heidelberger Mediziner heraus, dass die Spitzensportler öfter Karies bekamen. Je länger die Triathleten trainierten, desto schlechter war der Zustand ihrer Zähne. Der Grund: Bei körperlicher Anstrengung trocknet der Mund aus. Der Speichel wird alkalischer und bildet verstärkt Zahnbelag. Sportler sollten beim Training reichlich Wasser trinken, raten die Forscher.
Mobiler Zahn-Doc macht Hausbesuche Der Gang zum Zahnarzt ist für viele ältere oder behinderte Menschen sehr mühsam und fällt deshalb oft aus. Für die Hälfte der Pflegeheimbewohner in Deutschland liegt der letzte Zahnarztbesuch zwei Jahre zurück, so eine aktuelle Studie. Einige Zahnärzte bieten deshalb Hausbesuche in Pflegeeinrichtungen an und verlegen ihre Praxis in eine mobile Zahnarztstation. Die Adressen solcher wandernden Zahnärzte vermitteln die Zahnärztekammern. SeniorenZahnmediziner gibt es in fast jeder Stadt.
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Die Zähne der Schnecke, die in Küstennähe Algen von den Steinen raspelt, bestehen aus dem stärksten Naturmaterial der Welt. Sie erreichen eine Zugfestigkeit von 4900 Megapascal – so viel wie die Fasern von kugelsicheren Westen.
Bambus
Zahnmobil Fahrende Zahnarztpraxen besuchen Senioren und Pflegebedürftige
Die Lieblingsspeise der Pandas schafft 1000 Megapascal und ist damit besonders stabil. Zum Vergleich: Unsere Zähne sind nur halb so fest. Forscher wollen die Erkenntnisse über die Biomaterialien nutzen, um leichtere und stabilere Fahrzeuge zu bauen. FOCUS-GESUNDHEIT
Fotos: getty images, Inter foto, Prisma, panthermedia, plainpicture, ullstein-bild; Illustration: Daniela Koelbl für FOCUS-GESUNDHEIT
Napfschnecke
Datenträger Zahn Zähne bergen eine Fülle von Informationen über ein Lebewesen. Paleontologen machen sich dies zu Nutze, wenn sie auf jahrtausendealte Fossilien stoßen.
Dank ihrer Mineralisation halten Zähne länger als Knochen. Perfekt, um das Alter zu bestimmen.
Wie schnell ein Mensch wuchs, können Forscher an der Schmelz-DentinSchicht ablesen
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Chemische Bestandteile der Zähne verraten, in welcher Region der jeweilige Mensch lebte.
Wovon sich Menschen ihr Leben lang ernährten, zeigen Isotope im Zahninneren.
An der Zahnoberfläche lässt sich nachweisen, was die letzten Wochen vor dem Tod auf dem Speiseplan stand.
Prozent der Weltbevölkerung zwischen 65 und 74 Jahren leben ohne eigene Zähne. Das ergab eine Studie der WHO.
Keime auf der Zahnbürste Eine unangenehme Entdeckung machten amerikanische Forscher im Badezimmer von Studentenwohnheimen ihrer Universität: Auf 60 Prozent der untersuchten Zahnbürsten fanden sie zahlreiche Fäkal-Bakterien, die sich durch die Toilettenspülung verbreitet hatten. Die Wahrscheinlichkeit, dass die Keime auf der Zahnbürste von anderen WG-Bewohnern stammen, lag bei 80 Prozent, so das Resultat der Wissenschaftler. Erwähnt sei, dass sie Zahnbürsten FOCUS-GESUNDHEIT
MythenCheck
Kostet jedes Kind einen Zahn? Wie viele frischgebackene Mütter mit Lücken im Gebiss leben, ist nicht dokumentiert. Fakt ist aber: Die Zeit vor der Geburt ist für die Zähne von werdenden Müttern eine Dauerbelastung. Verantwortlich sind Schwangerschaftshormone, die das Zahnfleisch stärker durchbluten lassen. Es wird weicher und dadurch anfälliger für Entzündungen. Essen Frauen in der Schwangerschaft mehr Süßes, lagern sich zudem Kariesbakterien an. Schwangere, die ihre Zähne gründlich pflegen, müssen dennoch keinen Zahnverlust befürchten. Auch nicht bei Zwillingsgeburten.
aus 9-Personen-WGs überprüften und sich die Toilette im selben Raum befand wie das Waschbecken. Mit der Frage, wie Zähneputzer ihre Bürste möglichst keimfrei lagern, hat sich ein Mikrobiologe aus Leeds beschäftigt. Er entdeckte, dass sich die Wassertröpfchen beim Betätigen der WC-Spülung in einem Umkreis von 25 Zentimetern ausbreiten. Daraus entstanden Gefahrenzonen um den Toilettensitz. Ein Abstand von über 1,80 Meter zur WC-Schüssel gilt als relativ geschützt vor Bakterien. Die beste Lösung aber bleibt, während des Spülgangs den Klodeckel zu schließen. 15
Lückenlos Kaugummi warnt vor Problem am Implantat Ein Spezialkaugummi soll helfen, Probleme bei Zahnimplantaten frühzeitig zu erkennen. Mediziner der Universität Würzburg haben den DiagnoseKaugummi mit Wissenschaftlern aus Italien und der Schweiz entwickelt. Fehlende Zähne im Gebiss lassen sich durch Implantate ersetzen. Dafür schraubt ein Zahnarzt die künstlichen Zahnwurzeln aus Metall in den Kiefer und setzt eine Krone auf den Zahnersatz. Auch wenn das Implantat gut in den Kiefer einheilt, bleibt es anfällig für Entzündungen. Bakterien kön-
Aufgeblasen Der DiagnoseKaugummi schlägt Alarm
nen sich um das Implantat einnisten und dort sowohl das Weichgewebe als auch den Kieferknochen angreifen. Die Folge: Peri-Implantitis. Tritt eine solche Entzündung um das Implantat auf, steigt die Konzentration eines bestimmten Enzyms stark an. Der neu entwickelte Kaugummi soll in der Lage sein, das Enzym im Speichel aufzuspüren und dann Alarm zu schlagen. Dabei setzt der Diagnose-Kaugummi einen Bitterstoff frei. Der kauende Implantatträger schmeckt ihn und ist gewarnt. So könnte jeder Patient das Gewebe um sein Implantat selbst überwachen und im Ernstfall rechtzeitig einen Zahnarzt aufsuchen, bevor sich die Entzündung weiter ausbreitet. Bislang müsste der Patient allerdings regelmäßig Kaugummi kauen, um die Entzündung früh genug zu erkennen. Die Forschergruppe arbeitet deshalb daran, das Implantat direkt mit dem für das Warnsignal verantwortlichen biologischen Messfühler zu beschichten.
Fotos: plainpicture, Charité Universitätsmedizin Berlin
Meldungen, Meinungen, Mythen
Blindtext Blindtext
nützliche Apps für Sie und Ihre Zähne
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Wissen
Entspannt
Wenn der Zahnarzt von Germektomie oder Dentikel spricht, ist so mancher Patient mit seinem (Zahn-)Latein am Ende. Da hilft die Zahnlexikon-App von „proDente“, in der wichtige Begriffe knapp und verständlich erklärt sind: von A wie Abdruckmasse bis Z wie Zungenbrennen. Kurze Info-Filme ergänzen die kostenlose App.
Die Audio-App „Stop Dental Phobia!“ ist für Menschen, die sehr ungern zum Zahnarzt gehen. Hypnosetechnik und mentales Coaching in ein 30-minütiges Hörstück gepackt, sollen Zahnarztangst-Patienten helfen, beim Bohren und Füllen gelassen zu bleiben (7,91 Euro).
Fotos: xxxxxx/FOCUS-Magazin
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FOCUS-GESUNDHEIT
Bissfeste Moleküle
Zeigen Sie Ihr schönstes Lächeln
Zahnpasta
Struktur der Zahn-Hartsubstanz
Warum Zähne so hart sind, haben Mediziner an der Berliner Charité herausgefunden. Verantworlich ist das knochenähnliche und extrem widerstandsfähige Dentin, das den Zahn umhüllt. In dessen Inneren fanden die Wissenschaftler mineralische Nanopartikel, die in ein dichtes Netz aus Kollagenfasern (im Bild: braune Fasern um gelbe DentinKanäle) eingebettet sind. Beim Kauen werden diese Strukturen gestaucht und die Mineralteilchen aneinandergedrückt. Die dabei entstehenden inneren Spannungen erhöhen die Belastbarkeit der Zähne. Der Mechanismus stellt sicher, dass die empfindliche Pulpa, in der sich Nerven und Blutgefäße befinden, von BissSchäden verschont bleibt.
✔ für empfindliche Zähne und Zahnhälse
✔ für ein gesundes Zahnbett ✔ mit rein mineralischem Kieselsäure-Gel
✔ ohne Schaumbildner und Konservierungsmittel
✔ mit oder ohne Pfefferminz
Die„Toothbrush Games“-App für Kinder reagiert auf Geräusche der Zahnbürste. Beim Spiel schlüpfen die jungen Zähneputzer in die Rolle eines Feuerwehrmanns, um mit dem Schaum der Zahnpasta einen fiktiven Brand zu löschen. Hört das Kind auf zu putzen, stoppt auch die Spielfigur.
FOCUS-GESUNDHEIT
Ideal für d Kaffee- un r Teetrinke
ANTON HÜBNER GmbH & Co. KG • 79236 Ehrenkirchen Hier finden Sie unsere Einkaufsmöglichkeiten: www.huebner-vital.de/bezugsquellen
FG_04/15
Fotos: xxxxxx/FOCUS-Magazin
Putzhilfe
D
er Saal ist gleißend hell erleuchtet. In vielen kleinen stehen Stühle. Bequeme Stühle mit einer variablen Lehne, technische Stühle mit Schaltern und Pedalen. Arztpraxen im Kleinformat. An jeder ist eine Nummer angebracht und eine kleine rote Lampe. Die Luft riecht nach Desinfektionsmitteln, Surren ist zu hören. Es ist der Ausbildungsraum der Zahnklinik Münster. Karl-Bernd Werning steht an der Nummer 869 und wartet auf seine Untersuchung. Ein Karamellbonbon hat bei ihm gestern ein Provisorium aus dem Zahn gezogen. Einmal draufgebissen, haftete die zähe Masse so stark an dem Kunststoffmaterial, dass es sich beim Kauen lockerte und schließlich herausfiel. Raquel-Kathrin Prüllage begrüßt Werning, der auf dem dunkelblauen Behandlungsstuhl Platz nimmt und seine Geschichte vom „verflixten Karamellbonbon“ erzählt. Die 24-jährige Zahnmedizinstudentin begutachtet mit einem kleinen Spiegel und einer Sonde das dentale Problem
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Mio. Füllungen und fünf Mio. Kronen werden jährlich in Deutschland angefertigt
von Nummer 17. So heißt in der Sprache der Zahnärzte der vorletzte Zahn oben rechts. Prüllage ist im neunten Semester und hat schon einige Untersuchungen an Patienten durchgeführt. Vier große Füllungen waren dabei, Parodontitisbehandlungen, eine Brücke und Zahnsteinentfernungen. „Vor meiner ersten Patientenbehandlung war ich ganz schön nervös“, sagt sie, „aber mittlerweile habe ich Routine.“ Außerdem „kann man nur an echten Menschen die Behandlung richtig üben, nur sie haben Speichel, den man absaugen muss, nur sie bekommen Schweißhände beim Bohrgeräusch, und man muss sie beruhigen“. Prüllage ist eine von 350 Zahnmedizinstudenten der Universitätsklinik Münster. Vom vierten bis sechsten Semester üben diese an den über 100 Dummys. An den braunen Plastikköpfen mit einem vollständigen Gebiss trainieren die angehenden Ärzte alle wichtigen Behandlungstechniken. Etwa das Präparieren von Zähnen, das Bohren und das Einsetzen einer Füllung. Mit ihren aufgeFOCUS-GESUNDHEIT
Fotos: Dominik Pietsch für FOCUS-Gesundheit
Au Backe, die Krone ist weg Studentin Raquel Prüllage begutachtet das Loch im hintersten Backenzahn ihres Patienten Karl-Bernd Werning
R E PA R I E R E N & H E I L E N
rissenen Augen sehen die Phantomköpfe unheimlich aus. Aber Willy, wie die Figur von allen nur genannt wird, klagt nie und macht den Mund immer auf. Sein Unterkiefer ist abschraubbar. Jeder Student besitzt sein eigenes Modell. Erst wenn jeder Griff bei Willy, dem Willigen, sitzt, dürfen die Studenten echte Patienten behandeln. 52 Millionen Füllungen setzten Zahnärzte 2013 in Deutschland, die Hälfte davon waren Neufüllungen. Fünf Millionen Kronen fertigten sie an, so die Zahlen der gesetzlichen Krankenkassen. Der häufigste Grund für solche Erhaltungstherapien ist Karies. Hat die Erkrankung die Zähne beschädigt, muss der befallene Raum ausgebohrt werden. Das Loch, das Mediziner als Kavität bezeichnen, füllen und versiegeln sie, damit der Zahn gesund bleibt und sein Besitzer schmerzlos kauen kann. Für den Erhalt der Kaufunktion gibt es zwei Methoden: die klassische Füllung (im Volksmund als „Plombe“ bezeichnet) und das Inlay. Füllungen werden in weicher Form in das Loch gegossen und härten dann im Zahn aus. Während der Zahnarzt das Füllungsmaterial in der Praxis meist vorrätig hat, muss ein Inlay im Labor hergestellt werden. Dabei und beim Einsetzen ist Feinarbeit gefordert, denn selbst winzige Absätze nimmt die feinfühlige Zunge sofort als unangenehm wahr. Karl-Bernd Werning kommt schon seit zwei Jahren in die Zahnklinik. Zunächst hatte er Bedenken, sich von Studenten behandeln zu lassen, wollte „kein Versuchskaninchen“ sein. Als er zum ersten Mal in dem Ausbildungssaal saß, die angehenden Zahnärzte ihm jeden Untersuchungsschritt ausführlich erklärten und er sah, dass stets ein Oberarzt den Ablauf kontrolliert, fasste er Vertrauen. Studentin Prüllage hat bereits eine Füllung und eine Wurzelbehandlung bei ihm durchgeführt. Jetzt soll sie eine Krone machen. Sie rührt eine blaue Abdruckmasse an. Ihre 29-jährige Kommilitonin Yonca Özden, die bei der Behandlung assistiert, legt den Zementkleber für das Kronenprovisorium bereit. Wenn Karies die Zahnkrone so stark zerstört hat, dass nicht mehr ausreichend gesunde Substanz übrig ist, um eine Füllung anzubringen, fertigt der Zahnarzt eine neue Kappe. Diese wird über den FOCUS-GESUNDHEIT
Der Oberarzt passt auf Christoph Runte, 50, sieht sich die Behandlungsschritte seiner Studenten genau an. Mit dem Provisorium ist er zufrieden
Ästhetik nachrangig Worauf Patienten bei der Auswahl Was ist Ihnen bei der Materialwahl des Füllungsmaterials achten für Füllungen sehr wichtig?
91,0 %
Haltbarkeit
77,4 %
Verträglichkeit Kosten Aussehen/ Ästhetik
50,9 % 46,2 %
Quelle: Barmer Zahnrepor t 2015; Mehr fachnennungen möglich
FÜLLUNG, KRONE & CO.
ruinierten Zahn gestülpt und schützt ihn. Als Halterung kann der Zahnarzt nur die gesunde Restsubstanz benutzen. Bleibt ein winziger kariöser Abschnitt übrig, kann es unter der Krone erneut zur Erkrankung kommen. Daher ist beschädigtes Material komplett zu entfernen, in manchen Fällen sind das bis zu 60 Prozent. Anschließend fertigt der Zahnarzt einen Gebissabdruck. Diesen benötigt er, um ein Provisorium herzustellen, das als Übergangslösung auf den beschädigten Zahn gesetzt wird. Die Anfertigung der Krone im Labor dauert etwas. Prüllage presst die azurblaue Abdruckmasse an Wernings Oberkiefer. „Ruhig durch die Nase atmen“, sagt sie beruhigend. Nach wenigen Minuten ist der Abdruck fertig. Die Studentin fertigt das Provisorium an und zeigt es Christoph Runte. Der Oberarzt ist ständig zugegen und überprüft die einzelnen Behandlungsschritte. Nach jedem Abschnitt drückt der Student auf einen Knopf, die Lampe leuchtet rot, der Oberarzt kommt vorbei. Missfällt ihm etwas, ist ein Zahn nicht sauber abgeschliffen oder sind am Arbeitsplatz nicht alle Instrumente geordnet, greift er sofort ein. Im schlimmsten Fall wird der Student aus dem Saal geschickt, muss zurück zu Willy und dort üben. Runte ist zufrieden mit dem Provisorium, lächelt und nickt. Prüllage kann fortfahren. Sie gibt selbsthärtenden Befestigungszement in das Provisorium und setzt es auf den Zahnstumpf. Werning muss mit den Zähnen noch ein paar Mal auf einem roten dünnen Plastikstreifen herumkauen. Mit Hilfe der Okklusionsfolie glättet die Studentin anschließend das Provisorium. „Das Fremdmaterial muss sich optimal in die Zahnreihe einfügen“, sagt Prüllage. Wenn die angehende Zahnärztin später die Krone einsetzt, wird sie darauf achten, dass der Kronenrand nicht auf das Zahnfleisch drückt, sonst kann sich das Gewebe entzünden. Auch sollte die Kappe nicht höher stehen als die anderen Zähne im Gebiss. 33
WURZELBEHANDLUNG
mehr beim Zahnarzt. Hat die Therapie doch den Ruf, schmerzhaft und unangenehm zu sein. In den Grundzügen laufen diese Behandlungen immer gleich ab. Der Zahnarzt öffnet nach dem Röntgen die Zahnkrone, entfernt Entzündung und Gewebereste, misst die Länge der Kanäle, reinigt diese und füllt sie anschließend wieder. Der feine Unterschied liegt im Wie. Da hat jeder Zahnarzt seine eigene Methode und Hilfsmittel. Während die einen auf Erfahrung und herkömmliche Instrumente, etwa die Lupe, setzen, greifen andere auf modernste Technik wie Mikroskop und elektronische Messverfahren zurück. Was sich einfach anhört, ist ein komplizierter und zeitintensiver Vorgang. Bis zu sechs Stunden, aufgeteilt auf zwei oder drei Sitzungen, kann eine komplette Behandlung dauern. Eine Geduldsprobe für beide Seiten. Johannes, 16 Jahre alt, ist bei Appel in Behandlung. Ein solch junger Patient ist eher ungewöhnlich. Wurzelbehandlungen treffen vor allem die 40- bis 60-Jährigen. Ein Sturz kopfüber vom Fahrrad zerstörte die beiden Schneidezähne des Schülers. Eine erste Sitzung in der Bonner Praxis hat er schon hinter sich. Dabei röntgte Appel die beiden betroffenen Zähne, reinigte und desinfizierte die Kanäle und verfüllte sie mit einem provisorischen Material. Jetzt liegt der Jugendliche wieder auf dem Behandlungsstuhl. Sarah Schumacher, seit 19 Jahren eine von Appels Assistentinnen, hat ihn für die bevorstehende Prozedur vorbereitet. Mit einem dunklen Umhang verdeckt sie seinen Oberkörper und gibt ihm eine Spezialsonnenbrille. Sie soll die Augen vor dem grellen Behandlungslicht schützen. Johannes weiß, dass er nun knapp zwei Stunden in dieser Position ausharren muss. Nervös? „Ein bisschen schon“, gibt der 16-Jährige zu. Aber er ist vorbereitet: Zur Ablenkung hat er sich seinen iPod mitgebracht. So bekommt er weniger davon mit, was Carsten Appel in seinem Mund tut. Lieber konzentriert er sich auf seinen Lieblingspodcast über Retrogaming. Ganz ruhig liegt Johannes da, während der Arzt mit feinen Instrumenten in die Tiefe seines Zahnes vordringt. Kein Zucken, kein Schweiß auf der Stirn. Dabei lässt der Jugendliche die langwierige Prozedur ganz ohne Betäu46
bung über sich ergehen. „Alles okay, Johannes?“, fragt Appel nachdem er die Wurzelkanäle des Jungen freigelegt hat. Johannes nickt leicht. Eine Aufbisshilfe sorgt dafür, dass sich sein Mund vor Anstrengung nicht plötzlich schließt. Reden kann der Schüler so nicht, auch Kopfbewegungen sind in den nächsten 90 Minuten kaum möglich. Um sich dennoch bemerkbar machen zu können, hält er ein klackendes Blechkrokodil in den Händen. Drückt er einmal darauf, bedeutet das „Ja“, drückt er zweimal, heißt dies „Nein“. Eine Idee des Arztes, der während der Behandlung nur auf den Zahn konzentriert ist. Damit sich die Patienten bemerkbar machen können, bekommen sie das Blechspielzeug. „Klick“ – Johannes lässt das Krokodil sprechen. Ein Zeichen für Appel, dass das Messgerät, das er gerade in den Zahn eingeführt hat, am Ende des Wurzelkanals angekommen ist. Obwohl der Zahn tot ist, spürt Johannes einen kurzen Moment lang ein leichtes Druckgefühl. „Alles halb so wild“, wird er später sagen. „Der Doktor hat mich vorgewarnt, dass dies passieren kann.“ Das Umfeld
des Zahnes kann noch empfindlich reagieren. Deshalb wünschen die meisten Patienten eine örtliche Betäubung. Alles wirkt wie in jeder anderen Zahnarztpraxis – die hohen Töne des kleinen Bohrers, mit dem Appel den Zahn öffnet, die permanenten Sauggeräusche des Schlauches, der die Mundhöhle von Speichel befreit. Wäre da nicht das große High-Tech-Mikroskop, das mit einem variablen Arm an der Decke direkt über dem Behandlungsstuhl befestigt ist. Auch die drei Flachbildschirme, die den Behandlungsstuhl umrahmen, dienen nicht der Patientenbespaßung, sondern senden Bilder direkt aus dem Mundraum. Appel sitzt knapp hinter dem Kopf seines Patienten. Er greift sich die Arme seines wichtigsten Arbeitsgeräts und zieht es in Position. Seine Brillengläser berühren die Okulare des Mikroskops, für den Zahnarzt die Eingangspforte ins Zahninnere. „Ich sehe ab jetzt nichts anderes, als den Zahn“, sagt Appel. Die Arbeit am Mikroskop fordere die volle Konzentration. „Ich muss spiegelverkehrt arbeiten, das strengt doppelt an“, so der Zahnarzt.
Blick in den Kiefer Röntgenbilder sind für die Wurzelbehandlung unabdingbar. Der Arzt erkennt darauf zum Beispiel, wie sich die Füllung in den Känälen verteilt
Fotos: Oliver Tjaden für FOCUS-Gesundheit
R E PA R I E R E N & H E I L E N
FOCUS-GESUNDHEIT
Ohne seine Assistentin würde dies nicht funktionieren. Sie ist die Schnittstelle zur Außenwelt und verfolgt die Arbeitsschritte auf einem großen Monitor. Sarah Schumacher reicht die Instrumente an, saugt Speichel aus dem Mundraum und fragt Johannes immer wieder, ob alles in Ordnung ist. Schumacher und Appel sind ein eingespieltes Team. „Wir verstehen uns blind“, sagt sie. Jeder Handgriff sitzt. In der Praxis von Carsten Appel ist die Wurzelkanalbehandlung ein Routineeingriff. Bis zu vier Patienten liegen täglich auf seinem Behandlungsstuhl. Betrachtet man Johannes, trifft der unangenehme Ruf der Therapie vielleicht auf die Länge der Behandlung zu, doch Schmerzen hat der Jugendliche keine. Auch nach einer Stunde liegt er noch völlig regungslos und locker dort. „Wurzelkanalbehandlungen sind komplexe und diffizile zahnärztliche Behandlungen“, sagt Eric Bauer von der Bundeszahnärztekammer (BZÄK). Die Endodontologie sei ein wichtiger Bestandteil der zahnärztlichen Tätigkeit FOCUS-GESUNDHEIT
Geschafft! Carsten Appel zeigt Johannes, 16, auf den Röntgenbildern, was er in den vergangenen eineinhalb Stunden an seinen Zähnen gemacht hat. Nach einem Fahrradsturz mussten zwei Schneidezähne wurzelbehandelt werden. Zwei Sitzungen waren dafür nötig
»Optimal durchgeführte Wurzelbehandlungen haben eine Erfolgsquote von 90 Prozent« Carsten Appel, 50 Zahnarzt in Bonn, der sich seit 13 Jahren auf Endodontologie spezialisiert hat
und somit auch Bestandteil der Ausbildung. Oberstes Ziel sei heute die Zahnerhaltung. Fehlten Erwachsenen in der Altersgruppe von 35 bis 44 Jahren im Jahr 1997 im Durchschnitt noch 4,2 Zähne, so sank dieser Wert auf 2,7 im Jahr 2005. Dies habe mit der zunehmenden Therapieausrichtung zum Zahnerhalt zu tun. Dabei spielt die Wurzelkanalbehandlung eine der wichtigsten Rollen. Die Zahl der Zahnverluste bei Erwachsenen und Senioren ist weiter rückläufig. Der Spezialist Appel bemängelt allerdings, dass die Endodontologie nur sehr wenig Raum im zahnmedizinischen Studium einnimmt. In den USA pflastern vier bis sechs Semester Aufbaustudiengang den Weg zum Spezialisten. Appel selbst hat zahlreiche Fortbildungen im In- und Ausland besucht, bevor er sich 2002 ausschließlich der Wurzelkanalbehandlung widmete. Heute ist er ein gefragter Sprecher auf nationalen wie internationalen Kongressen. Die Erfolgsquote einer optimal durchgeführten Wurzelbehandlung liege im Schnitt bei 90 Prozent, so Appel. 47
Optimal bedeutet, dass jegliche Entzündung vollständig mit modernen Geräten entfernt wurde. Demgegenüber zeigen Querschnittuntersuchungen in vielen Ländern, dass die Ergebnisse in Zahnarztpraxen diese Werte nicht immer erreichen. Auch für Deutschland hat etwa Michael Hülsmann von der Uni Göttingen 2007 rund 200 Fälle von Wurzelbehandlungen näher betrachtet. Das Ergebnis war erschreckend und bestätigt frühere Studien: Nur 40 bis 50 Prozent der Zähne waren erfolgreich behandelt. Bis zu 60 Prozent der wurzelbehandelten Zähne waren noch nicht ausgeheilt. Höchste Präzision sei nur durch die Vergrößerung zu gewährleisten, ist Carsten Appel überzeugt. Ohne Mikroskop würde der 50-Jährige nicht mehr behandeln, sagt er. Den Zahn sieht er so 30mal größer. Ein Backenzahn nimmt unter dem Vergrößerungsglas etwa die Dimension zweier Fußbälle an. Die Wurzelkanäle, gerade mal einen Millimeter breit, sind dann dicker als ein Kugelschreiber.
Notfallhelfer Sprechen während der Behandlung geht nicht. Mit dem KlickKrokodil signalisiert der Patient immerhin „Ja“ oder „Nein“
So kann Appel den Verlauf der Wurzel besser verfolgen und übersieht keinen Kanal. Denn deren Anzahl ist in jedem Zahn unterschiedlich. Sorgfalt und Technik haben ihren Preis: Die mikroskopische Behandlung zum Beispiel zahlt die gesetzliche Krankenversicherung nicht. Der Patient muss mit einer Rechnung zwischen 900 und 2000 Euro rechnen.
Auslöser für die Wurzelbehandlung ist in der Regel Karies, der bis in die Tiefe des Zahnes vorgedrungen ist und den Nerv angegriffen hat. Der Zahn wird nicht mehr ausreichend versorgt, die körpereigene Abwehr geschwächt. In der Folge entsteht ein Paradies für Bakterien, vergleichbar mit der Biotonne im Hochsommer. Eine unschöne Vorstellung. Haben sich die Bakterien erst einmal richtig ausgebreitet, signalisiert normalerweise ein stechender Zahnschmerz höchste Alarmbereitschaft. Es gibt aber auch Fälle, in denen die Entzündung voranschreitet, ohne sich sofort bemerkbar zu machen. Manchmal klagen Patienten nur über ein sporadisch auftretendes dumpfes Gefühl. Johannes hatte weder das eine noch das andere. Durch den Unfall wurden seine Schneidezähne so beschädigt, dass eine Wurzelbehandlung nötig wurde. Die Zähne starben ab. Eine Stunde schon liegt der 16-Jährige nun im Behandlungsraum. Ein melodischer Piepton durchbricht die Mo-
Das Übel an der Wurzel gepackt Zahnschmelz Mini-Kanüle
Dentin
Pulpa (Blutgefäße und Nerven)
Der gesunde Zahn Unter dem sehr harten Zahnschmelz und der etwas weniger harten Dentinschicht befindet sich ein weiches Gewebe: die Pulpa. Sie enthält Blutgefäße, Nerven und Bindegewebe.
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entzündete Pulpa
abgestorbene Pulpa
NickelTitanFeile
Desinfektionsmittel
Abszess Die erkrankte Zahnwurzel Wenn sich die Pulpa entzündet, können starke Schmerzen und Schäden des Kieferknochens die Folge sein. Bei Infektionsanzeichen ist deshalb eine Wurzelbehandlung notwendig.
Erweiterung der Kanäle Zunächst öffnet der Endodontologe die Zahnkrone. Dann weitet er die verzweigten und gekrümmten Wurzelkanäle mit rotierenden Minifeilen aus einer Nickel-Titan-Mischung.
Desinfektion und Reinigung Mit einer kleinen Kanüle spritzt der Zahnarzt Desinfektionsmittel in die Wurzelkanäle, um alle Keime zu entfernen. Das entzündete Gewebe spült er aus, die Spülflüssigkeit saugt er ab.
FOCUS-GESUNDHEIT
Foto: Oliver Tjaden; Illustration: Daniela Koelb/beide für FOCUS-Gesundheit
R E PA R I E R E N & H E I L E N W U R Z E L B E H A N D L U N G
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I M P L A N TAT E
Auf Lebenszeit
verschraubt Moderne Technik und bessere Materialien machen die Implantologie präziser und langlebiger. Pflege brauchen die künstlichen Zahnwurzeln dennoch
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ie Feierlaune war Waldemar Brohm schnell vergangen am Rosenmontag vor sechs Jahren. Während seine Faschingsgäste zu Hause im unterfränkischen Margetshöchheim fröhlich Krapfen aßen, fuhr Bürgermeister Brohm mit starken Zahnschmerzen nach Würzburg in die Uniklinik. Die Diagnose hellte seine Stimmung nicht auf: Im Unterkiefer hatte sich an zwei Brückenpfeilern das Zahnfleisch entzündet – so sehr, dass der Arzt beide Zähne ziehen musste. Die Zahnlücke mit einer noch größeren Brücke zu schließen kam für Brohm nicht in Frage: „Ich hatte Angst, dass wieder Entzündungen auftreten“, sagt der Unterfranke rückblickend. Er entschied sich für die schonendere Variante. Statt den Schaden mit einer Brücke über fünf Zähne zu versorgen, setzte sein Zahnarzt zwei Implantate in Brohms Unterkiefer. Als in den 1980er-Jahren die ersten Implantate aufkamen, waren künstliche Zahnwurzeln noch ein Experiment mit unklaren Erfolgsaussichten. Mittlerweile hat sich die Implantologie als eigenes Fach der Zahnmedizin etabliert. Dank neuer Materialien und moderner 3-D-Technik wird das Verfahren immer präziser und sicherer. Weil Komplikationen seltener auftreten, ist die „Überlebensrate“ von Implantaten heute sehr hoch. „Bei guter Pflege können Patienten ihre Implantate bis ins hohe Alter behalten“, sagt Dieter Weingart, Leiter des Zentrums für Implantologie am Klinikum Stuttgart.
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Zwar können auch Brücken, herausnehmbare Prothesen oder ganze Gebisse fehlende Zähne ersetzen. Unter allen Methoden kommt ein Implantat dem tatsächlichen Zahn aber am nächsten: Eine künstliche Zahnwurzel – meist aus Titan – ist dabei wie ein Dübel im Kieferknochen verankert. Eine Keramikkrone als Aufsatz macht den Ersatzzahn komplett (siehe Grafik). So lassen sich sowohl einzelne Zahnlücken als auch große Leerräume im Gebiss wieder füllen. Wesentlicher Vorteil der Implantate ist, dass sie die Nachbarzähne schonen. Für eine Brücke – den alternativen Zahnersatz – schleift der Zahnarzt daneben stehende Zähne stark ab (siehe Grafik S. 52). Zweiter Vorteil: Das Implantat stimuliert den Kieferknochen und verhindert, dass sich dieser abbaut. Mit rund 2000 Euro je Zahn sind Implantate allerdings auch deutlich teurer als die Alternativen.
95 %
der Implantate sind nach fünf bis zehn Jahren noch fest im Kiefer verankert
Die gesetzlichen Krankenkassen erstatten davon in der Regel nur die Kosten für die Krone. Dennoch schätzt die Deutsche Gesellschaft für Implantologie (DGI), dass von den jährlich 13 Millionen gezogenen Zähnen etwa eine Million durch Implantate ersetzt werden. Große Fortschritte in der Implantatmedizin brachte auch die Digitalisierung. Dazu zählt das digitale Volumentomogramm, eine dreidimensionale Darstellung von Zähnen und Kiefer. Bei dieser Aufnahmetechnik kreist der Röntgenapparat einmal um das Gesicht des Patienten und erstellt permanent Bilder, die der Computer zu einer 3-D-Ansicht zusammenfügt. Anhand der Aufnahme bereiten Implantologen den chirurgischen Eingriff am Computer präzise vor. „Der digitale Arbeitsablauf macht die Implantologie exakter“, sagt Alexander Kübler von der Universitätsklinik Würzburg. Der Kieferchirurg wählt per Mausklick das passende Implantat am Bildschirm aus und positioniert es in die dreidimensionale Kiefersimulation – millimetergenau an der optimalen Stelle und im optimalen Winkel. Schon im Voraus plant Kübler am Rechner, wie lang und breit die künstlichen Zahnwurzeln sein müssen, damit sie später perfekt in das Gebiss passen. Den Datensatz für die hochpräzise Implantation sendet der Würzburger Chirurg ins Dentallabor. Innerhalb einer Woche erhält er die fertig gefräste Bohrschablone. Auf die Kauflächen aufgelegt, weisen sie genau an jenen Stellen Löcher auf, an denen Kübler die ImFOCUS-GESUNDHEIT
Fest verwurzelt Implantate ersetzen fehlende Zähne und sorgen für ein lückenloses Gebiss. Ihr Aussehen ist an die natürliche Struktur des Zahns angelehnt. Wie echte Zähne sind die Metallstifte im Kiefer fixiert. Damit das gelingt, müssen Zahnärzte einiges beachten
Aufgebaut Das Implantat muss fest verankert sein. Ist der Kiefer dafür nicht breit oder tief genug, füllen ihn Zahnärzte mit zusätzlicher Knochensubstanz auf. Knochensubstanz
Implantat eingesetzt
Infografik: Br yan Christie Design für FOCUS-Gesundheit
Kleinteilig Das Implantat ist mehr als nur eine Schraube. Je nach Hersteller besteht es aus drei bis vier Bestandteilen.
Krone
Unterkiefernerv
Schraube
Aufbauelement
Empfindlich Nimmt der Nerv beim Eingriff Schaden, ist das Gefühl in Kinn und Unterlippe weg. Mit modernen bildgebenden Verfahren lässt sich der Nerv aber gut erkennen und bei der OP umgehen.
Implantat
Der Weg zum neuen Zahn
INFOGRA FIK
Aufschneiden Wo zuvor ein Zahn war, öffnet der Zahnarzt das Zahnfleisch unter örtlicher Betäubung.
Einheilen Ist das Implantat in den Knochen geschraubt, näht der Arzt das Zahnfleisch über die künstliche Wurzel zu.
Bohren Mit einem dünnen Spezialbohrer fräst der Oralchirurg ein Loch in den Kieferknochen. FOCUS-GESUNDHEIT
Verkronen Nach der Einheilphase wird das Aufbauelement in das Implantat eingefügt und mit einer Krone befestigt.
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plantate in das Kiefergelenk versenken will. „Es gibt auch Schablonen mit unterschiedlich dicken Löchern und Bohrstopps, die anzeigen, wie tief der Zahnarzt bohren soll“, sagt Kübler. Die Operation dauerte bei Waldemar Brohm etwa eine Stunde. Nachdem der Chirurg die künstlichen Wurzeln in Brohms Kiefer platziert hatte, verschloss er sie mit winzigen Kappen und nähte das Zahnfleisch wieder zu. Drei Monate später schraubt Kübler die endgültigen Keramikkronen auf die Implantate. Die
Schonzeit ist wichtig, weil der Knochen die Titanstifte in den Wochen nach dem Eingriff fest umschließt und nur langsam stabiler wird. In manchen Fällen bringen Zahnärzte die Krone direkt auf der frisch gesetzten Kunstwurzel an. „Sofortversorgungen sind aber nicht die Regel und können das Implantat unnötig früh belasten“, betont Implantologe Kübler. Die Wartezeit hat sich für Bürgermeister Brohm gelohnt. „Anfangs waren die Implantate ein Fremdkörper. Doch nach einer Woche fühlten sie sich wie eigene
Wann der Zahnarzt Implantate setzt Einzelne Zahnlücke 2
1
1 Einfaches Implantat: Eine künstliche Zahnwurzel plus Krone schließt die Lücke in der Zahnfront. Die Nachbarzähne bleiben dabei unversehrt. Die Kosten liegen bei rund 2000 Euro.
2 Alternative: die Brücke. Positiv: gutes ästhetisches Ergebnis bei niedrigeren Kosten. Um die Brücke zu halten, müssen aber zwei Nachbarzähne stark abgeschliffen werden.
Mehrere Zahnlücken 2 1
1 Drei Implantate: Die Titanstifte ersetzen die Backenzähne, drei Einzelkronen stellen die Kaufläche wieder her. Die günstigere Variante: zwei Implantate mit einer Brücke.
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2 Aternative: herausnehmbare Prothese. Der flexible Zahnersatz ist mit Klammern an den vorderen und gegenüberliegenden Zähnen befestigt. Er ist billiger als Implantate.
Zähne an“, verrät der 54-Jährige. „Die Digitalisierung wird die Implantologie in Zukunft vollständig prägen“, ist sich der Würzburger Implantatspezialist Kübler sicher. Schon heute lässt sich mit den modernen 3-D-Techniken feststellen, ob das Knochenmaterial im Kiefer ausreicht – eine wichtige Voraussetzung, um Implantate verwenden zu können. „Früher musste der Zahnarzt dafür mit einer Nadel die Schleimhautdicke im Kieferkamm messen“, so Kübler. „Aber das war relativ ungenau.“ Der Knochenaufbau ist ein wesentliches Element der meisten Implantatbehandlungen. Auch bei Alexander Krimmel war dieser nötig. Der Speditionskaufmann war 38 Jahre alt, als seine letzten vier Milchzähne im Oberkiefer ausfielen. Die bleibenden Backenzähne waren bei ihm nicht angelegt, was in weniger als zwei Prozent aller Menschen auftritt. Bevor sich Krimmel für eine Implantatversorgung entschloss, lebte er fünf Jahre mit Lücken im Gebiss. In dieser Zeit hatte sich ein Teil seines Kiefers abgebaut. „Wenn an einer Stelle Zähne fehlen, wird dort keine Kraft mehr auf den Kiefer übertragen, und der Knochen bildet sich zurück“, erklärt Frank Schwarz, Implantologe an der Universitätsklinik Düsseldorf. Damit die Titanwurzel genug Halt findet, füllten Krimmels Ärzte künstliches Knochengewebe in die Kieferhöhle. Ein halbes Jahr musste der Familienvater aus Solingen warten, bis der Knochenersatz mit der natürlichen Struktur verwachsen war. Nun sitzen die Implantate fest im Kiefer, in einigen Wochen bekommt Krimmel seine fertigen Zähne. „Natürlich hatte ich Bedenken wegen des Knochenaufbaus“, gesteht der 44-Jährige. „Aber ich bin froh, dass ich den Schritt gewagt habe.“ Geübte Chirurgen können heutzutage fast alle Kieferdefekte mit Knochenimitat, sterilisiertem Rinderknochen oder körpereigener Substanz reparieren. Letzteres stammt meist aus dem Unterkiefer oder dem Beckenkamm des Patienten. „Knochenersatz von Tieren und neuere synthetische Materialien haben eine vergleichbare Struktur wie menschlicher Knochen und können diesen sehr gut ersetzen“, sagt Schwarz, Vizepräsident der Deutschen Gesellschaft für Implantologie. FOCUS-GESUNDHEIT
INFOG RAFIK
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Bald wieder bracketfrei Florian Kieninger, 13
Foto: Mar tina Bogdahn für FOCUS-Gesundheit
Seit knapp einem Jahr trägt Florian Kieninger eine feste Zahnspange. Die Metallbrackets stören den 13-Jährigen nicht. Lästig findet er nur die regelmäßigen Kontrolltermine beim Kieferorthopäden. Bald ist damit zum Glück Schluss: In etwa drei Monaten ist die aktive Behandlung abgeschlossen, und die Klammer wird wieder entfernt.
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Gebiss im
Gerüst
Zahnspangen schenken Kindern und Jugendlichen ein schönes Lächeln. Auch Erwachsene lassen Fehlstellungen mit Hilfe neuer Methoden korrigieren
F
lorian Kieninger grinst breit in die Kamera. Dass mit jedem Lächeln eine metallische Zahnspange zu sehen ist, scheint ihn überhaupt nicht zu stören. „Viele meiner Freunde tragen eine, das ist doch nicht schlimm“, findet der 13-jährige Gymnasiast aus Regensburg. „Als ich das erste Mal mit Spange in die Schule gegangen bin, haben meine Freunde gar nichts dazu gesagt. Ist halt ziemlich normal, so eine Klammer.“ Knapp zwei Drittel der Heranwachsenden werden laut der Krankenkasse Barmer GEK vorübergehend vom Kieferorthopäden behandelt. Die meisten jungen Patienten kommen mit zehn bis 15 Jahren, wenn die seitlichen bleibenden Zähne durchbrechen. Doch Zahnspangen sind längst kein ausschließlicher Kinderkram mehr. Fast jeder fünfte Patient in kieferorthopädischen Praxen oder Ambulanzen ist volljährig, einige davon sind sogar schon im Rentenalter. „Die Bevölkerung achtet heute vermehrt auf eine gute Mundgesundheit und informiert sich über Angebote“, erklärt Ursula Hirschfelder, Präsidentin der
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Deutschen Gesellschaft für Kieferorthopädie, die steigenden Zahlen. „Zudem haben gerade in den letzten Jahren neue Techniken und Methoden das Behandlungsspektrum der modernen Kieferorthopädie enorm erweitert.“ Mit Hilfe von unauffälligen Apparaturen wie dem Aligner können sich auch Erwachsene ihren Traum vom geraden Gebiss erfüllen. Die durchsichtigen Kunststoffschienen werden wie eine lose Spange eingesetzt und drücken die Zähne in ihre neue Position. Nach etwa drei bis vier Wochen muss die Schiene durch eine weitere, leicht modifizierte ersetzt werden, bis das gewünschte Ergebnis erreicht ist. Je nach Fehlstellung werden zwölf bis 30 Aligner angefertigt. Mehrere tausend Euro sollten Patienten für die Therapie einplanen. „Die Aligner sind für Erwachsene eine gute Möglichkeit, weil sie praktisch unsichtbar sind“, sagt Hirschfelder. „Ich würde sie aber nur bei wirklich kleinen Zahnbewegungen einsetzen. Kontrollierter und damit vielfach effektiver sind aus meiner Sicht Schienen, die unter ärztlicher Aufsicht hergestellt werden.“ 71
Ebenfalls unauffällig verläuft die Behandlung mit der Lingualtechnik. Die feste Spange mit Brackets und Metallbogen sitzt lingual, also zungenseitig auf den Zähnen und ist damit nahezu unsichtbar. Der Vorteil gegenüber den Alignern: Auch starke Fehlstellungen lassen sich korrigieren. Weil die auf den Zähnen angebrachten Brackets individuell angefertigt werden, ist die Therapie allerdings deutlich aufwendiger und kostspieliger als die sichtbare Variante an der Außenseite der Zähne. „Die Lingualtherapie hat gewisse Vorzüge, was die Ästhetik betrifft. Das ist aber der einzige Vorteil“, sagt Hirschfelder. Weil die Metallteile direkt im Mundraum liegen, 72
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Klammerkontrolle Florian Kieninger muss regel mäßig zu Peter Proff ins Universitätsklinikum Regensburg, um die Zahnspange überprüfen zu lassen
klagen einige Patienten über Fremdkörpergefühle, offene Stellen an der Zunge und Probleme mit der Aussprache, so die Expertin. Erwachsene müssen die kieferorthopädische Behandlung meist aus eigener Tasche zahlen. Anders als bei Kindern und Jugendlichen erstatten die gesetzlichen Krankenkassen Volljährigen die Kosten nur, wenn ein kieferchirurgischer Eingriff notwendig ist. Beginnt die Behandlung dagegen vor dem 18. Lebensjahr, werden die Ausgaben für ausgeprägte Zahnfehlstellungen und Kieferanomalien, deren Korrektur aus medizinischen Gründen notwendig erscheint, von den gesetzlichen Kassen übernommen. Dazu zählen beispielsweise verlagerte Zähne oder ausgeprägte Kreuz- und Überbisse. Für viele ist die kieferorthopädische Behandlung eine ästhetische Angelegenheit. „Manche Eltern haben Angst, dass sie ihrem Kind die Zukunft verbauen, wenn sie nicht zum Kieferorthopäden gehen. Auf die Idee kommen sie auch, weil im Internet dafür geworben wird, dass Leute mit geraden Zähnen mehr Erfolg haben. Das ist natürlich völliger Unfug“, sagt Gregor Bornes von der Unabhängigen Patientenberatung Deutschland (UPD). Mit seinen Kollegen berät er täglich Patienten rund um das Thema Zahngesundheit. „In meinen Augen ist die kieferorthopädische Behandlung insgesamt eine stark von ästhetischen Motiven gesteuerte Therapie“, so der Experte. Florian Kieninger und seine Eltern gingen auf Rat des Zahnarzts zum Kiefer orthopäden. Die Frontzähne des 13-Jährigen standen so eng, dass sie sich schon übereinanderlagerten und drehten. Seit zwölf Monaten trägt er nun seine sichtbare feste Spange. „Am Anfang war das Gefühl im Mund schon komisch, aber irgendwann habe ich die Klammer gar nicht mehr bemerkt“, sagt er. „Und Schmerzen hatte ich bis jetzt überhaupt nicht.“ Freizeitspaß wie Sport und Musizieren ist auch mit Zahnspange möglich. Florian etwa spielt leidenschaftlich gern Fußball. In Regensburg kickt er als Mittelfeldspieler in der Bezirksoberliga. Auch Susanne Wedeling hat ihre feste Zahnspange im Alltag fast nicht bemerkt. Die Paderbornerin arbeitet in einem Call-Center und muss täglich FOCUS-GESUNDHEIT
Foto: Mar tina Bogdahn für FOCUS-Gesundheit
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