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I HAVE A DREAM Das Kölner Fest für Alte Musik 2016 Der Philosoph an der Gambe Jordi Savall Im Gespräch Kim & Reggie Harris Michael Willens Adrian Schvarzstein Jörg Hilbert MIT Program m Kölner F teil est f Alte Mus ür ik 2016 LIEBE LESERINNEN UND LESER, INHALT Go down, Moses .......................................................................04 Der Grenzgänger......................................................................06 Seit Martin Luther King im August 1963 in Washington seine Vision eines gleichberechtigten Amerika mit den Worten „I have a dream“ beschrieb, ist dieser Satz zu einem geflügelten Wort geworden. Nicht nur für die afro-amerikanische Bürgerrechtsbewegung, sondern weit darüber hinaus benennt er die Hoffnung, dass es eine realistische Chance zur Verwirklichung utopischer Gedanken geben könnte, eine bessere Welt. Wenn wir unser Fest für Alte Musik 2016 unter dieses Motto stellen, dann fragen wir nach den Hoffnungen und Utopien, die sich in vergangenen Zeiten wie auch ganz aktuell heute Menschen immer wieder machten und machen – und natürlich besonders nach deren Reflektionen und Resonanzen in der Musik. Eine Ritterreise ........................................................................08 Flaschenpost der Gefühle .......................................................10 Ernsthaft gegen Tabus .............................................................12 Konzertkalender zum Herausnehmen ...................................14 Der Wurstl im Prater ...............................................................16 Zitronen und Mandarinen ........................................................18 Auf der Spur der Träume .........................................................20 Wir stoßen dabei auf die franziskanischen Laude, die im Italien des Spätmittelalters ein Leben im Verzicht auf materiellen Wohlstand propagieren, wie auf die Musik der „Underground Railroad“, Spirituals, die die Hoffnung auf die Befreiung von der Sklaverei besingen. Musikalische Schätze heben ...................................................22 Auf und davon ...........................................................................24 ZAMUS Spielwiese ...................................................................25 Wir fragen die Schülerinnen und Schüler der Förderschule Redwitzstraße nach ihren Vorstellungen von einer Reise in eine bessere Welt, die sie szenisch nach den Programmmusiken von Antonio Vivaldi antreten, und haben das Straßentheater Kamchátka und Adrian Schvarzstein aus Barcelona eingeladen, zusammen mit unserem zamus-ensemble das zur Zeit so heftig bewegende Thema der Migration und Flucht szenisch und musikalisch aufzugreifen: das Musiktheater FUGIT ist das Ergebnis. Gewinnspiel/Impressum .........................................................26 Auf drei Veranstaltungen sind wir besonders stolz: Jörg Hilbert, Erfinder und Zeichner der KinderbuchKultfigur Ritter Rost, hat für uns eine neues Stück geschrieben, in dem Ritter Rost von einem Einhorn träumt und dabei von echter Mittelaltermusik begleitet wird. In der Trinitatis-Kirche wird das zamusensemble unter Leitung von Staroboistin Xenia Löffler Bachs wunderbare Kantate „Ich habe genug“ aufführen – mit Bariton Seth Carico und inszeniert von Frauke Meyer. Und Jordi Savall, der Weltstar und Philosoph unter den Gambisten, wird unser Festival mit einem „Dialog der Seelen“ beschließen, in dem der Traum von einer friedlichen Welt im Verhältnis von Orient und Okzident beschworen wird. Über diese und viele andere Programme erfahren Sie mehr in diesem Magazin. Ich wünsche anregende Lektüre. Das ZAMUS-Magazin wurde ermöglicht von: Das Kölner Fest für Alte Musik 2016 und FUGIT werden gefördert von: Mit freundlicher Unterstützung durch: Medienpartner: Foto: Werner Kmetitsch Herzlich, Ihr Thomas Höft Geschäftsführer KGAM e.V. 3 Die Beschäftigung mit historischer Musik kann ganz unterschiedliche Wege einschlagen. Zum Beispiel auf die „Underground Railroad“ mit Kim und Reggie Harris. ZAMUS: Die Basis eurer Arbeit ist die Musik der „Underground hören wir von Polizeigewalt, von offen rassistischen Äußerungen eines Donald Trump oder der Tea Party …  KIM & REGGIE: Die „Underground Railroad“ war eine Freiheitsbewegung. Menschen, die zusammenarbeiteten, um allen zu helfen, die in den Vereinigten Staaten versklavt waren. Die Bewegung existierte zwischen 1830 und 1860, und viele der Helfer waren Teil der großen Bewegung des Abolitionismus, versuchten also, der legalen Sklaverei grundsätzlich ein Ende zu machen. Die Wahl von Barack Obama zum Präsidenten war eine Wegscheide für das ganze Land. Viele Afro-Amerikaner dachten, dass sie niemals einen schwarzen Präsidenten erleben würden. Aber unglücklicherweise sind durch seine Wahl auch wieder Rassismus und Hassparolen sichtbarer geworden, die wir eigentlich überwunden glaubten. Einige Menschen denken, dass sie straflos Worte und Taten gegen Afro-Amerikaner und Menschen anderer Ethnien richten könnten. Was aber hoffen lässt, ist, wie daraufhin eine neue Bürgerrechtsbewegung entstanden ist, die von jungen Afro-Amerikanern und ihren Freunden ganz unterschiedlichen Alters und ganz unterschiedlicher Ethnien geleitet wird. An Orten wie  Ferguson, Missouri, Baltimore, Maryland, Houston Texas und Minneapolis Minnesota marschieren, blockieren und demonstrieren junge Leute und verlangen Gerechtigkeit für all die Familien, deren Mitglieder durch Polizeiübergriffe zu Tode gekommen sind. Ihre anhaltenden Proteste bringen dringend benötigte Veränderungen in vielen Kommunen. Railroad“. Worum handelt es sich dabei? Und welche Funktion hatte dabei die Musik? Die Musik spielte eine ganz wichtige Rolle. Versklavte und freie Afro-Amerikaner benutzten sie vor allem, um verschlüsselte Botschaften weiterzugeben. Über Fluchtwege und woran man denken musste, wenn man es wagte, in die Freiheit aufzubrechen. Wie war das später mit der Musik in der Bürgerrechtsbewegung des 20. Jahrhunderts? Musik hilft vor allen Dingen, Menschen moralisch aufzurichten, ihren Geist zu befeuern. Das war in den Tagen der Underground Railroad nicht anders als später in der Bürgerrechtsbewegung. Nur dass später keine verschlüsselten Codes mehr benutzt werden mussten, im Gegenteil: die Musik erzählt von der Geschichte der Bewegung ebenso wie von aktuellen Ereignissen. Und oft waren die Songs einem Veränderungsprozess unterworfen. Die Worte wurden geändert, aktuellen Ereignissen angepasst, zum Beispiel, wenn die Marschierer gestoppt, verhaftet oder eingesperrt wurden. Das führt uns direkt zum Motto unseres Festivals: „I Have a Dream“. Welche Rolle spielte und spielt Dr. Martin Luther King Jr. in der amerikanischen Gesellschaft? Zu seinen Lebzeiten war er viel mehr als ein Pastor und Gelehrter. Er war eine der zentralen Führungspersönlichkeiten in der Bürgerrechtsbewegung. Er brachte schwarze und weiße Priester und Pastoren ebenso zueinander wie geistige Führer ganz unterschiedlichen Glaubens. Dr.  Martin Luther King Jr. setzte sich aber nicht nur für Afro-Amerikaner ein, er kämpfte für die Rechte von Arbeitern und von Armen jeglicher Hautfarbe. Er war sehr in der Friedensbewegung engagiert und trat ganz entschieden gegen den Vietnamkrieg ein. Heute erinnert ein Nationalfeiertag an seinem Geburtstag daran, dass der Kampf für Freiheit noch nicht beendet ist. Sie leben in New York City und engagieren sich musikalisch und politisch in der Bürgerrechtsbewegung in den USA: Kim und Reggie Harris eröffnen das Kölner Fest für Alte Musik mit einem Programm, das einen erstaunlichen Blick auf die Geschichte der Spirituals verspricht. Interview: Thomas Höft 4 Foto: artists of note GO DOWN, MOSES Heute gibt es in Barack Obama einen Präsidenten, der sich offen­ sichtlich für Gleichberechtigung einsetzt, auf der anderen Seite Ihr selbst spielt traditionelle Alte Musik ebenso wie eure eigenen neuen Lieder. Wo liegt für euch die Verbindung zwischen Musik­ geschichte und Gegenwart? Wir möchten jungen Leuten die Geschichte der Underground Railroad und der Bürgerrechtsbewegung durch Musik nahe bringen. Durch unser Interesse an Musik wie am Protest hören wir viele Lieder und Gesänge, die heute auf den Demonstrationen erklingen. Und dabei zeigt sich, dass die Menschen alte Lieder wie „Which Side Are You On“ oder „We Shall Not Be Moved“ ebenso kennen wie ganz neue, die sie auf der Basis ihrer aktuellen Lieblingsmusik wie Hip-Hop oder Rap entwickelt haben. Und zum Abschluss ganz allgemein gefragt: Was ist für euch das Wesen von Musik? Das Wesen von Musik ist, die Menschen zusammenzubringen. Zur Arbeit, zur Unterhaltung, zum Gebet und zum Protest. Wir wurzeln in der Tradition unserer afro-amerikanischen Vorfahren und wurden von Ikonen wie Pete Seeger und Ysayee Barnwell geprägt. Menschen zum gemeinsamen Singen zu ermutigen, ist eine der wichtigsten Aufgaben unserer musikalischen Karriere. Die Freiheitsmusik der afro-amerikanischen Tradition zu singen, gibt uns nicht nur die Möglichkeit, Geschichte verständlich zu machen, sondern auch, mit den Menschen die Erfahrung der Macht von Musik zu teilen. Es gibt nichts Vergleichbares! KIM UND REGGIE HARRIS ERÖFFNEN AM 27. FEBRUAR 2016 IN DEN BALLONI-HALLEN GEMEINsAM MIT DEM MITTELALTERENSEMBLE ONI WYTARS DAS KÖLNER FEST FÜR ALTE MUSIK, UND AM 28. FEBRUAR SPIELEN SIE IM ZAMUS SPIRITUALS ZUM MITSINGEN. 5 Auf der Probe zu seiner Barockmusikshow Cirque Noel ist Adrian Schvarzstein ganz in seinem Element. ZAMUS: Die Theatergruppe Kamchát­ ka, die im Kölner Fest für Alte Musik das Projekt FUGIT realisiert, ist deine Grün­ dung … was oder wer ist Kamchátka? ADRIAN SCHVARZSTEIN: Kamchátka ist ein Ort am Ende der Welt, eine Halbinsel in Sibirien. Und deshalb auch die Inspiration für den Namen der Gruppe. Wir haben einen Namen gesucht, der Ferne symbolisiert, von dem man nicht wirklich etwas weiß, der aber gleichzeitig auch vertraut klingt, der Gefühle heraufbeschwört von unbekannter Weite, von Exotik – und von einer gewissen Bedrohlichkeit. Die Theatergruppe Kamchátka, ein Künstlerkollektiv, deren Künstlerischer Leiter ich bin, wurde vor zehn Jahren in Barcelona gegründet. Als Ergebnis von einem Straßentheaterworkshop. Ich leite Straßentheaterworkshops in der ganzen Welt, und immer haben sie spezifische Themen. Damals ging es um Immigration und Emigration; und als letzte Übung, bei der es um Improvisation, Gruppenfindung, Absurdität und Spontaneität ging, hatte ich mir ein Setting ausgedacht: Nehmen wir an, wir seien eine Gruppe von Immigranten, die irgendwo ganz neu ankommen. Wir kennen die Sprache des Ortes nicht, wir kennen seine Sitten und Gebräuche nicht, wir wissen nichts … Aber wir brauchen etwas: einen Platz zum Bleiben, etwas zu essen und zu trinken, vielleicht eine Arbeit … DER GRENZGäNGER INTERVIEW: THOMAS HöFT 6 Foto: Thomas Höft Im Kölner Fest für Alte Musik ist er seit drei Jahren Garant für ungewöhnlich körperliche, ungewöhnlich sinnliche und ungewöhnlich lustige Inszenierungen von Alter Musik, die Groß und Klein gleichermaßen begeistern. Für das aktuelle Festival macht sich Adrian Schvarzstein auf die Suche nach einer besseren Welt. Verstehe, ihr habt so getan, als kommt ihr direkt von der Halbinsel Kamchátka … Ganz genau. Als hätte uns ein Bus mitten in Barcelona abgesetzt. Und da sind wir, in einer etwas schäbigen Eleganz, also in Kleidung, die hier vielleicht vor 40 Jahren modern war, mit unseren Koffern in der Hand, und wir versuchen, akzeptiert zu werden. Jeder möchte ja vor allem akzep- tiert werden. Und wir sind sehr höflich. Trotzdem, wenn acht Menschen plötzlich da sind, auch wenn sie sehr freundlich mit dir umgehen, sind sie eine Herausforderung. Denn sie sind eine Invasion. Und eine Provokation. Aber wir überlassen die Reaktion den Zuschauern: sind wir eine Belästigung oder eine Bereicherung? Sind wir eine Inspiration oder eine Zumutung? Das muss jeder für sich entscheiden. Das Ganze war jedenfalls ein Riesenerfolg, künstlerisch und von den Reaktionen. Also habt ihr weitergemacht … Natürlich. Das war so eine intensive Erfahrung, dass sich alle Teilnehmenden gedacht haben: das müssen wir weiter entwickeln. Das ist eine theatralische Idee, die ein unglaubliches Potential hat. Also haben wir die Übung zu einem Stück ausgebaut und rund um die Welt gespielt. Später haben wir dann ein zweites Stück entwickelt, das heißt HABITACULUM. Das ist gewissermaßen die Fortsetzung. Also unsere Gruppe ist an einem Ort angekommen und hat sich ein leerstehendes Gebäude angeeignet. An diesem Leben kann das Publikum teilnehmen. Und an der Herausforderungen, irgendwo zu sein, aber nichts zu haben. Und FUGIT könne der neu erzwungene neue Aufbruch sein … Völlig richtig. Unser ganz neues Stück, das wir in Köln präsentieren, denkt die Vorgeschichte konsequent fort. Was passiert, wenn wir aus irgendeinem Grund einfach weg müssen, fliehen vor einer imaginären Bedrohung? Du gehst ja nicht freiwillig von irgendwo weg, es muss etwas passiert sein. Und wir alle haben wahrscheinlich in den Geschichten unserer Familien so etwas erlebt. Meine Familie hat so etwas erlebt. Sie sind vor den Pogromen in der heutigen Ukraine geflohen und schließlich in Argentinien gelandet. Aber so etwas oder ähnliches haben Millionen und Millionen anderer Menschen auch erfahren. Wir alle sind Kamchátka auf gewissen Weise; das ist eine Grundidee des Stücks. Eine, die plötzlich eine ungeheure Aktu­ alität bekommt. Kein Wunder, dass ihr FUGIT wirklich überall spielt, von den USA bis nach Asien, ich selbst habe die Aufführungen im Avantgardetheaterfest in Kopenhagen gesehen. Aber dennoch ist die Kölner Aufführung eine Premiere … Ganz genau, es ist ein eigenes Stück. Kamchátka liegt es, mit anderen Künstlern und Künstlerinnen zusammen zu arbeiten. Und in Köln haben wir dazu eine fantastische Möglichkeit. Wir haben die wunderbaren, experimentierfreudigen Musiker des zamus-ensembles und wir haben die fantastische blinde Sopranistin Gerlinde Sämann. Mit allen Beteiligten werden wir die Grundidee unserer Produktion FUGIT ganz neu denken, proben und entwickeln. Die Barockmusik wird eine ganz große Rolle spielen. Was aber genau passiert, werde ich nicht verraten. Lassen wir es dabei: Es wird ein Konzert, das die Besucher ebenso überraschen wie herausfordern wird. Wir sollten nicht vergessen, dass das Pro­ jekt einen zweiten Teil für Schülerinnen und Schüler hat … Richtig. Wir haben im vergangenen Jahr eine Zusammenarbeit mit der Förderschule Redwitzstraße begonnen. Die war so schön, dass wir weitermachen mussten. Diesmal geht es unter dem Titel „Auf und davon“ auf eine Reise auf einem Floß in eine bessere Welt. Welche? Das werden die Kinder selbst entwickeln. Zur herrlichen Musik von Antonio Vivaldi. ADRIAN SCHVARZSTEIN INSZENIERT DAS INTERAKTIVE MUSIKTHEATER FUGIT GEMEINSAM MIT DER THEATERGRUPPE KAMCHÁTKA UND DEM ZAMUS-ENSEMBLE UNTER MICHAEL HELL AM 2.,3. & 4. MäRZ 2016 IM ZAMUS 7 EINE RITTERREISE Im geheimnisvollen Mönchsoutfit spüren sie dem neuen Rätsel um Ritter Rost nach: Jörg Hilbert und Dominik Schneider. interview: thomas höft JÖRG HILBERT: Und wie! Musik gehört zum Ritter Rost wie die Schraube zur Mutter. Schon dem allerersten Buch, das 1994 erschien, lag eine CD mit elf Songs des genialen Komponisten und Produzenten Felix Janosa bei. Vermutlich war es das erste Kinderbuch mit CD überhaupt und damals eine Revolution. Kinder, so hieß es damals in einer besorgten Kritik, seien mit der Bedienung eines CDSpielers doch überfordert. Die Tücken der Technik … Zum Glück hat sich diese Sorge als nicht zutreffend erwiesen und so haben wir seither in über 20 Büchern und zahllosen Hörspielproduktionen den Ritter Rost musikalisch immer wieder neu ausgeleuchtet. Jeder Band ist ein ganz eigenes Kreativprojekt, in dem innovative Wege beschritten und musikalische Experimente durchgeführt werden. So steht die Geschichte Ritter Rost ist krank beispielsweise unter dem musikalischen Vorzeichen Beatles, während der Audioproduktion zu Ritter Rost und der Schrottkönig gleich die komplette Bigband der Deutschen Oper Berlin assistiert. In anderen Büchern steht eher die originäre Verbindung ganz unterschiedlicher Musikgenres im Vordergrund und augenblicklich arbeiten wir an einer Oper. fone, Pferde zum Aufziehen, Drachen mit Feuerzeugnase und so weiter. Darüberhinaus werden auch immer gerne märchenhafte Elemente und aktuelle Zeitbezüge aufgenommen. So bahnt sich auf der Eisernen Burg des Ritters diesmal eine Flüchtlingskrise an: Ein verschrecktes Einhorn erscheint auf dem Burghof, gefolgt von anderen Fabelwesen aus dem nahe gelegenen Wald: Werwölfe, Vampire, Pobeißer … selbst die fliegenden Unterhosen kommen angeflattert, obwohl gerade sie aus Geruchsgründen eigentlich niemanden zu fürchten haben. Es scheint also etwas Ernstes dahinter zu stecken und so macht sich der Ritter Rost mit Hilfe des Burgfräulein Bö und Koks dem Feuerdrachen auf den Weg in den Wald, um das Geheimnis zu ergründen. Was sie dort genau erwartet, soll hier noch nicht verraten werden, es steht aber jedenfalls in Zusammenhang mit dem Codex Calixtinus und anderen mittelalterlichen Quellen. „Musik gehört zum Ritter Rost wie die Schraube zur Mutter.“ Gibt es auch noch ganz unerforschte Bereiche? Foto: Dominik Schneider Mit über 1 Million verkauften Büchern, 500 Theateraufführungen pro Jahr, Kinofilm und Fernsehserie ist Ritter Rost ein Klassiker der deutschen Kinderliteratur und -musik. Für das ZAMUS hat der Erfinder des Ritters, Jörg Hilbert, einige beliebte Lieder zusammengestellt und eine neue Geschichte dafür geschrieben. ZAMUS: Ist Ritter Rost eigentlich musikalisch? Selbstverständlich. Ein bisher unberücksichtigtes musikalisches Sujet ist zum Beispiel ausgerechnet die Musik der Ritterzeit – dem Mittelalter. Für das ZAMUS habe ich daher eigens eine Geschichte verfasst, in der einige der beliebtesten Ritter-Rost-Lieder veritablen gregorianischen Gesängen gegenübergestellt werden. Ausgeführt wird die Musik vom Vokal­ensemble Vox Werdenis und dem Ensemble Bad Antiko mit dem Flötisten Dominik Schneider. Da es sich um eine Produktion für Kinder handelt, kommt auch der Spaß nicht zu kurz, was unter anderem bedeutet, dass die Abgrenzung der verschiedenen musikalischen Genres und Sujets zwar ernst genommen wird, aber nicht bierernst. Überhaupt ist die Welt der Ritter-Rost-Geschichten nur vordergründig mittelalterlich, denn es gibt dort Errungenschaften, die uns eigentlich erst aus der Neuzeit bekannt sind: Rohrpost-SMS, Zauberspiegel-Internet, Tele- Eine letzte Frage zum Schluss: Auf unse­ rem Plakat ist Ritter Rost mit einer Laute zu sehen, die augenscheinlich aus Schrott zusammengebastelt ist. Da könnte glatt ein persönliches Augenzwinkern dahinterstecken … denn Sie selbst sind ja dem Musikmachen durchaus verbunden … Es ist eine „Eisen-Erzlaute“, um genau zu sein, denn sie ist rittergerecht aus Eisenerz gefertigt. Ich habe selber so was aus Holz im Schrank und außerdem noch rund ein Dutzend andere Lauten und lautenähnliche Instrumente aller Größen. Ganz früher hatte ich mal überlegt, ob ich Gitarre studieren soll. Aus guten Gründen habe ich dann Grafik-Design als Studienfach gewählt, was auch die richtige Entscheidung war. Die Gitarre habe ich irgendwann gelangweilt zur Seite gelegt. Trotzdem ist Musik für mich immer die Hauptsache geblieben und ich habe sie in vielfältiger Weise in meine Projekte eingebunden. Auch meine Frau ist Musikerin. Am meisten fasziniert hatte mich schon von jeher die „Alte Musik“. Insbesondere bin ich ein Riesenfan aller Sakralmusik von – sagen wir – vor 1750, und ich liebe die metaphysische Klangwirklichkeit der Instrumente dieser Zeit. Als ich dann irgendwann die Laute für mich entdeckte, war das für mich regelrecht eine Offenbarung und es gibt heute für mich nichts Schöneres, als einen Sänger zu begleiten oder einen Actus Tragicus mitzuzupfen. Weitere Infos: www.joerghilbert.de JÖRG HILBERT ERZÄHLT am 6. märz 2016 in den balloni hallen deN TRAUM VOM RITTER ROST. MUSIKALISCH WIRD ER VON DER BAND BAD ANTIKO MIT DOMINIK SCHNEIDER UND DER SCHOLA VOX WERDENSIS UNTER STEFAN KLÖCKNER BEGLEITET. 9 Flaschenpost der Gefühle Was kann Alte Musik in einer Welt von heute leisten? VON Thomas Höft Und um zu existieren, muss Kunst immer wieder vergegenwärtigt werden. Ein ungespieltes Musikstück, ein ungelesener Roman, ein nicht betrachteter Film bleibt wirkungslos, kunstlos, denn die Kunst stellt sich erst über den Gegenwartsmoment her. Erst hier tut sie, was ihr Wesen ist: berühren und eine Geschichte erzählen. So einfach und grundlegend das in der Theorie klingt, so schwierig ist das Vergegenwärtigen in der Praxis. Vor allem, wenn es sich um Kunst aus fremden Kulturkreisen oder früheren Epochen handelt. Was man eindrucksvoll am Beispiel der Musik belegen kann. Über viele Jahrhunderte gab es in Europa keine Trennung zwischen alter und neuer Musik. Es wurde einfach Musik der Gegenwart gespielt, am Alten oder Historischen hatte man kaum Interesse. Der Geschmack und die Gepflogenheiten der eige10 Die Methoden der Aufführungspraxis werden auf die Musik des Mittelalters ebenso angewendet wie auf die Hauptwerke der Klassik und inzwischen der Romantik sowie Musik des 20. Jahrhunderts. Diese Pionierleistung Nikolaus Harnoncourts und seiner Mitstreiter hat Musikgeschichte geschrieben und ist wahrscheinlich eine der einflussreichsten Revolutionen in der Geschichte der musikalischen Praxis. nen Gegenwart standen so sehr im Mittelpunkt, dass alles andere minderwertig erschien. Dies änderte sich erst im 19. Jahrhundert. Als man den ideologischen und informativen Wert der Kulturgeschichte begriff, gelangte auch die Musik früherer Generationen zu neuer Aufmerksamkeit. Anfang des 20. Jahrhunderts dachten Künstler erstmals darüber nach, ob man die Musik früherer Zeiten am besten dadurch lebendig machen könnte, wenn man sie auf den Instrumenten und im Wissen der jeweiligen Zeit spielt, in der sie komponiert wurde. Aber erst in den 50er Jahren des 20. Jahrhunderts bekamen die unterschiedlichen, unkoordinierten Versuche Leitfiguren und einen herausragenden kreativen Impuls: Nikolaus Harnoncourt und sein Ensem­ ble Concentus Musicus Wien sowie Gustav Leonhardt in den Niederlanden beschäftigten sich erstmals systematisch mit alten Quellen und Instrumenten. Damit begann die aktuelle Bewegung der historischen Aufführungspraxis Alter Musik. Zunächst bespöttelt und als exotisch betrachtet, trat die Aufführungspraxis seit den siebziger Jahren des vergangenen Jahrhunderts einen wahren Siegeszug durch die Konzertsäle an und ist heute unumstritten und etabliert. Illustration: Nane Weber K unst ist Kommunikation. Selbst wenn wir Vertreter der „L’art pour l’art“ wären, einer Kunst aus reinem Selbstzweck, oder selbst wenn wir in quasi­religiöser Übertragung der Kunst den Rang des „Heiligen“ zubilligten, so wäre sie doch vor allem anderen erst einmal Kommunikation. Einfach ausgedrückt: Kunst hat etwas zu sagen. Aber diese Revolution reicht auch über den rein musikalischen Bereich hinaus. Nikolaus Harnoncourt war und ist der Überzeugung, dass Musik eine „Klangrede“ ist, dass sie Geschichten in Tönen erzählt und nach den Grundregeln der Kommunikationstheorie funktioniert. Um die Kommunikation mit dem Zuhörer in Gang zu setzen, muss der Interpret nicht nur die technischen Dimensionen der Umsetzung beherrschen, sondern auch die Inhalte des Kunstwerkes verstehen und übertragen können. Die Transferleistung des ausführenden Künstlers besteht darin, für die Botschaft des Kunstwerkes eine möglichst aktuelle, verständliche Form des Ausdrucks zu finden, die sowohl das Werk an sich wie auch den gegenwärtigen Zuhörer ernst nimmt. Dass diese Ausdrucksformen ganz ge- genwartsverhaftet sind und immer wieder neu entwickelt werden müssen, davon ist Harnoncourt fest überzeugt. Heute befinden wir uns durch die Revolutionen des digitalen Zeitalters mitten in einem der spannendsten gesellschaftlichen Umbrüche der Kulturgeschichte. Die überkommenen Formen der Beförderung der Werte und Qualitäten von Kunst haben bisher noch kaum verstandene und kaum zu ermessende Erweiterungen erfahren. Wir benötigen neue Strategien und Formen, dieses „weite Land“ für unsere Anliegen zu nutzen. Dazu sind wir alle im ZAMUS aufgerufen, und genau darum kümmern wir uns. Es gibt ein sehr schönes Bild, um zu erklären, was eigentlich Musik aus vergangenen Zeiten ist. Stellen wir uns eine Flaschenpost voller Gefühl vor, die irgendwann vor hunderten von Jahren ins Meer der Zeit geworfen wurde, und die wir nun wieder öffnen. Die in ihr verborgene Botschaft weht uns im besten Fall in dem Zauber, in der Energie an, mit der sie einst hineingegeben wurde. Genau dies erlebbar zu machen, ist die hohe Kunst der Interpretation. 11 Bariton Seth Carico feiert zur Zeit an der Deutschen Oper Berlin große Erfolge. Frauke Meyer inszeniert Bach. S eit jeher ist der Glaube für Menschen Halt, Trost und Sicherheit sich mit schwierigen und belastenden Themen auseinanderzusetzen. Doch auch hier wird die eigene Endlichkeit gerne übergangen. Obwohl der Tod und das Sterben unabdingbar zum natürlichen Prozess des Lebens dazu gehören, ist dieser Teil des Lebens immer noch in unserer Gesellschaft tabuisiert. Das Sterben passt nicht in unsere optimierte, effiziente und produktive Welt. Es wird aus dem gesellschaftlichen Leben verbannt. Alte Menschen werden in Altenheimen isoliert, fernab von jeglichem Leben und auch schwerkranke Menschen dürfen nicht leiden, sondern müssen an permanenter Verbesserung und Optimierung arbeiten und in gesellschaftsakzeptabler Weise mit ihrer Krankheit umgehen. Alles scheint durch Willen, Anstrengung und Geld verbesserbar, und der Mensch ist mit seinem individuellen Sterben und den damit verbundenen Ängsten und Sorgen völlig allein gelassen. Ob viele da eine so gelassene Haltung entwickeln können wie Johann Sebastian Bach, das beschäftigt uns sehr in der Vorbereitung unserer Aufführung. Frauke Meyer kommt aus dem klassischen Opernbetrieb. Sie hat in Hamburg beim großen Götz Friedrich Musiktheaterregie studiert, hat in San Francisco, in Basel und in Berlin fest an Opernhäusern gearbeitet und ist nun seit zwei Jahren als freie Regisseurin unterwegs. Für das Kölner Fest für Alte Musik inszeniert sie Johann Sebastian Bachs Kantate „Ich habe genug“ mit Starbariton Seth Carico als lebensmüdem Protagonisten Das sind viele Fragen für ein Stück Musiktheater. Und es wird wenige Antworten geben. Oder besser: sehr verschiedene Antworten. Dafür bürgen schon die vielen Mitwirkenden des Projektes. Wir haben ein fantastisches Barockensemble mit der Weltklasse-Oboistin Xenia Löffler. Es singt Seth Carico, der nicht nur an der Deutschen Oper Berlin Triumphe feiert. Schauspieler Torsten Peter Schnick ist einer der Kölner Publikumslieblinge. Und wir haben im Kölner Komponisten Martin Bechler jemanden, der sehr publikumszugewandt Musik komponiert, die sich mit der Tradition Bachs auseinandersetzt und Eigenes, Gegenwärtiges zu sagen hat. Und das wirklich sehr verständlich, emotional und ehrlich ohne artifizielle Spielereien. Dazu kommen Seniorinnen und Senioren sowie Schülerinnen und Schüler der inklusiven Offenen Schule Köln. Gemeinsam schreiben wir Texte und proben Szenen, die in der Aufführung zusammengebunden werden. Die szenische Grundsituation: Ein Leichenschmaus. Senioren und Schüler sind gleichberechtigt in die Stückentwicklung mit eingebunden und haben einen wesentlichen Anteil an dem Projekt. Das ist eine unglaublich spannende Arbeit von großer künstlerischer Ernsthaftigkeit. Das Sterben passt nicht in unsere optimierte, effiziente und produktive Welt. ERNSTHAFT GEGEN TABUS In einer Stadt wie Köln, die sich als junge kreative durch Events geprägte Medienstadt positioniert, hat das Thema Tod und Sterben keinen Platz mehr. Senioren und Seniorinnen treffen nicht unbedingt auf junge Menschen, und kranke Menschen treffen nicht unbedingt auf gesunde Menschen – es findet keinerlei Austausch statt. Der Tod und der Umgang mit Sterbenden definiert eine Gesellschaft und führt zu der Frage, wie wir als Gesellschaft uns Tod und Sterben wünschen und vorstellen. Wollen wir alleine und ausgestoßen sterben? Was für eine Verantwortung tragen in diesem Zusammenhang verschiedene Generationen? Wie gehen wir mit Sterbehilfe um? Warum gibt Foto: Simon Pauly VON FRAUKE MEYER 12 es Menschen, die mit belastenden Situationen besser als andere umgehen können? Was für eine Rolle spielt Resilienz im Sterbeprozess? Was macht Lebenssattheit mit uns am Ende unseres Lebens? Woher kommt Lebenssattheit? ICH HABE GENUG von johann sebastian bach IN DER INSZENIERUNG VON FRAUKE MEYER ist am 11. & 12. märz 2016 in der trinitatiskirche ZU ERLEBEN. DAS PROJEKT wird vom Evangelischen Kirchenverband Köln und Region sowie vom Katholikenausschuss in der Stadt Köln veranstaltet. 13 SA, 27. FEBRUAR 2016, 20 UHR SO, 28. FEBRUAR 2016, AB 11 UHR SO, 28. FEBRUAR 2016, 20 UHR MI, 2./DO, 3./FR, 4. MäRZ 2016, 10 UHR MI, 2./DO, 3./FR, 4. MäRZ 2016, 20 UHR FR, 4. MäRZ 2016, 20 UHR SA, 5. MäRZ 2016, 20 UHR SO, 6. MäRZ 2016, 11 & 15 UHR BALLONI HALLEN, Ehrenfeldgürtel 88 ZAMUS, Heliosstraße 15 Flora Köln, Am Botanischen Garten 1a BALLONI-HALLEN, Ehrenfeldgürtel 88 ZAMUS, Heliosstraße 15 BALLONI-HALLEN, Ehrenfeldgürtel 88 HfMT Köln, Ursulinenkirche, Machabäerstr. 47 BALLONI-HALLEN, Ehrenfeldgürtel 88 I HAVE A DREAM DREAMDAY IM ZAMUS EINE KLEINE NACHT MUSICK AUF UND DAVON FUGIT FRANZISKANISCHE LAUDE & MUSIK DER UNDERGROUND RAILROAD TAG DER OFFENEN TÜR – WIR MACHEN DEN TAG ZUR NACHT MOZARTS TRÄUMERISCHE SERENADEN MUSIKTHEATER FÜR SCHÜLER /INNEN EIN INTERAKTIVES MUSIKTHEATER DER TOD UND DAS MäDCHEN TRAUMWANDEL IN RÄUMEN TRÄUMEN – WANDELKONZERT Musik von Antonio Vivaldi Oni Wytars Kim & Reggie Harris 11.30 & 14 Uhr Sockenkonzerte So erzählt es der Mond Wolfgang Amadeus Mozart: Serenata notturna D-Dur KV 239 Serenata G-Dur KV 525 „Kleine Nacht Musick“ Musik von Barbara Strozzi, Johann Sebastian Bach, John Playford u.a. SCHUBERTS GROSSES STREICHQUARTETT Georg Friedrich Händel: Music for the Royal Fireworks u.v.m. Der Heilige Franz von Assisi soll laut singend und Gott lobend durch die Natur gewandert sein. Viele mittelalterliche Lobgesänge gehen auf dieses Vorbild zurück. Das gefeierte Mittelalterensemble Oni Wytars um Marco Ambrosini spielt die schönsten Laude als Ausdruck der Verherrlichung eines gottgefälligen Lebens in selbstgewählter Armut. Eine kleine Hoffnung, ihren Peinigern zu entkommen, hatten die Sklaven in den Südstaaten der USA: seit 1780 gab es ein geheimes Netzwerk, das Fluchthilfe versprach, die „Underground Railroad“. Menschen wie Harriet Tubman, deren Spitzname „Moses“ im weltbekannten Spiritual verewigt wurde, riskierten ihr Leben, um die Sklaven zu befreien. Kim & Reggie Harris erzählen deren Geschichte in aufrüttelnden Liedern der Zeit. 29/18 Euro 13 & 15 Uhr Spirituals und Gospels zum Mitsingen für die ganze Familie mit Kim & Reggie Harris Franz Schubert: Quartettsatz c-Moll D 703 Streichquartett Nr. 14 d-Moll D 810 „Der Tod und das Mädchen“ In unserem Dreamday im ZAMUS machen wir den Tag zur Nacht, wir hören in zwei Sockenkonzerten Geschichten und Musik, die der Mond erzählt, und machen uns mit einem Sternenfachmann dorthin auf die Reise. In zwei Salonkonzerten erzählen uns Kim & Reggie Harris von dem Traum Martin Luther Kings, dass jeder ohne Ansehen der Hautfarbe die gleichen Rechte haben sollte. Seit dem 18. Jahrhundert sind Spirituals und Gospels Ausdruck dieses Kampfes um Gerechtigkeit, und die beiden Musiker laden uns ein, mit ihnen einige davon gemeinsam zu singen. Neben den Konzerten gibt es Hörstationen, Instrumentenbau und natürlich wieder unsere Popcornmaschine, die aber in diesem Jahr Sternenstaub produziert … Eintritt frei Johannes Silberschneider als Wolfgang Amadeus Mozart L’Orfeo Barockorchester Musikalische Leitung: Michi Gaigg Die Serenade Nr. 13 in G-Dur! Sie ist so berühmt, dass jeder davon auszugehen scheint, dass alle dieses wunderbare Werk schon allzu oft gehört haben. Aber stimmt das wirklich? Das österreichische Barockorchester L’Orfeo unter Michi Gaigg ist genau das richtige Ensemble, um frisch auf die Partitur zu blicken. Und so erklingt die Serenade, der Mozart selbst handschriftlich den Titel „kleine Nacht Musick“ gegeben hat, in einem Programm mit der „Serenata notturna“. Den nächtlichen Liebesständchen und andere Vergnügungen spürt Österreichs Starschauspieler Johannes Silberschneider in Originaltexten von Wolfgang Amadeus Mozart nach. 29/18 Euro Idee: Adrian Schvarzstein Schülerinnen & Schüler der Förderschule Redwitzstraße zamus-ensemble Musikalische Leitung: Michael Hell Künstlerische Leitung: Maria Filimonov & Markus Tomczyk Nehmen wir an, man könnte einfach ein Floß besteigen und in ein besseres Leben aufbrechen … Wohin würdet ihr fahren? Welches andere Leben würdet ihr Euch wünschen? Diese Fragen stellen die Schülerinnen und Schüler der Förderschule Redwitzstraße und das Team um den philosophischen Clown Adrian Schvarzstein. Und gemeinsam machen sie sich auf eine abenteuerliche Reise, zu der das zamus-ensemble mit Vivaldis Konzerten „La notte“ und dem gewaltig stürmischen „La tempesta di mare“ die passende Musik beisteuert. 5 Euro Die Konzerte sind nur für Schulklassen zugänglich, vorbereitendes Material für Lehrer wird auf Anfrage zugesandt. I HAVE A DREAM Gerlinde Sämann, Sopran Theatergruppe Kamchàtka zamus-ensemble Musikalische Leitung: Michael Hell Dieses Stück ist ein Abenteuer. Die Straßentheatergruppe Kamchàtka aus Barcelona stellt den Aufführungen ein Zitat voran: „In Zeiten wie diesen, ist Fliehen der einzige Weg, um am Leben zu bleiben und weiter zu träumen“. Unter diesem Motto verbinden sich Musik und Schauspiel zu einer ungewöhnlichen Aktion, an der das Publikum aktiv beteiligt ist. Festes Schuhwerk ist ebenso anzuraten wie warme Kleidung. Und die Bereitschaft, sich über Grenzen führen zu lassen … Mit dabei: die blinde Sopranistin Gerlinde Sämann und der Blockflötist und Cembalist Michael Hell. 29/18 Euro FUGIT ist eine Originalproduktion des Theaters Kamchàtka. Die Kölner Fassung ist eine Musiktheaterversion, die speziell für und mit dem Kölner Fest für Alte Musik entwickelt wurde. Edding Quartett In Matthias Claudius‘ berühmtem Gedicht versucht der Tod, einem Mädchen die Furcht vor dem Sterben zu nehmen, indem er sie in seinen Armen in den Schlaf wiegt. Franz Schubert hat diesen Inbegriff der romantischen Lyrik als Vorlage für ein Lied verwendet, dessen Melodie er später in seinem großen Streichquartett in d-Moll variiert. Das junge Edding-Quartett macht zur Zeit europaweit Furore mit seinen Romantik-Interpretationen auf historischen Instrumenten. In Köln spielen sie ein reines Schubert-Programm. Dazu liest die bekannte Münchner Schauspielerin Barbara de Koy eine kleine Auswahl an romantischen Gedichten um Nacht und Traum - zwischen Sehnsucht und Bedrohlichkeit, Verführung und Verstörung. Unter anderem dabei: Schuberts Vorlage von Matthias Claudius. 20/12 Ensemble Nel Dolce Stephanie Buyken, Blockflöte, Gesang Olga Piskorz, Violine Harm Meiners, Violoncello Luca Quintavalle, Cembalo Studierende des Instituts für Alte Musik der HfMT Köln Prof. Gerald Hambitzer, Prof. Kai Wessel Regie: Anna Neubert Regie, Bühnenbild: Pia Janssen Durch die Kölner Hochschule für Musik und Tanz führt ein Konzertparcours der besonderen Art: Studierende, Absolventen und Lehrende bitten auf eine traumwandlerische Reise mit Barockmusik von intimer Kammerbesetzung bis zum vollen Orchesterklang. Eintritt frei Eine Veranstaltung der Hochschule für Musik und Tanz Köln, Institut für Alte Musik RITTER ROST UND DAS EINHORN SZENISCHE LESUNG FÜR DIE GANZE FAMILIE Jörg Hilbert, Zeichner & Erzähler Regie: Veronika Maruhn Vox Werdensis, Leitung: Stefan Klöckner Bad Antiko, Leitung: Dominik Schneider Mit über 1 Million verkauften Büchern, Kinofilm und Fernsehserie ist Ritter Rost ein Klassiker der Kinderliteratur. Der Ritter und seine Freunde, Koks der Drache und das Burgfräulein Bö, faszinieren Generationen. Die Musik von Felix Janosa gehört zu Ritter Rost wie die Schraube zur Mutter. Für das ZAMUS hat der Erfinder des Ritters, Jörg Hilbert, einige beliebte Lieder zusammengestellt und eine neue Geschichte dafür geschrieben. Der Flötist Dominik Schneider hat beides durch Musik aus der Ritterzeit ergänzt, sowie einiger anderer Epochen, die uns über die Jahrhunderte hinweg mit dem Mittelalter verbinden. Heraus kommt eine ebenso anspruchsvolle wie unterhaltsame Mischung aus Lesung, Theater und Konzert, in der das Früher zum Heute findet und Alt zu Neu wird. 20/12 Euro PROGRAMM KöLNER FEST FüR ALTE MUSIK 27. FEBRUAR – 13. MäRZ 2016 SAMSTAG, 5. MäRZ, AB 15 UHR, SONNTAG, 13. MäRZ, AB 11 UHR MI, 9. MäRZ 2016, 20 UHR DO, 10. MäRZ 2016, 20 UHR FR, 11./SA 12. MäRZ 2016, 20 UHR SA, 12. MäRZ 2016, 20 UHR SO, 13. MäRZ 2016, 15 UHR SO, 13. MäRZ 2016, 17 UHR SO, 13. MäRZ 2016, 20 UHR Friedenskirche Ehrenfeld, Rothehausstr. 54a Friedenskirche Ehrenfeld, Rothehausstr. 54a Trinitatiskirche, Filzengraben 4 BALLONI-HALLEN, Ehrenfeldgürtel 88 Alter Markt Trinitatiskirche, Filzengraben 4 BALLONI-HALLEN, Ehrenfeldgürtel 88 ROSSIGNOL HIMMLISCHES JERUSALEM ICH HABE GENUG GOLDBERGVARIATIONEN TRAUMTäNZE AUF DEM WEG INS PARADIES ORIENT/OKZIDENT TRAUM UND VISION IM SPÄTMITTELALTER VISIONEN UND OFFENBARUNGEN SZENISCHE AUFFÜHRUNG JOHANN SEBASTIAN BACHS MEISTERWERK DAS WELTLICHE CARILLON MUSIK DES NORDDEUTSCHEN BAROCKS EIN DIALOG DER SEELEN SPIELWIESE Sollazzo Ensemble Yukie Sato, Sopran | Vivien Simon, Tenor Sophia Danilevskaia, Fiedel Vincent Kibildis, Harfe Fiedel und Leitung: Anna Danilevskaia Musik von Salomone Rossi, Tomas Luis de Victoria, Manuel de Sumaya u.a. Johann Sebastian Bach: Ich habe genug, BWV 82 Martin Bechler: Omega, UA Johann Sebastian Bach: Goldbergvariationen BWV 988 Musik von Franz Liszt, Simeon ten Holt, Ronald Barnes u.a. Benjamin Alard, Cembalo Rosemarie Seuntiëns, Glockenspiel Das Carillon im Turm des historischen Rathauses der Stadt Köln, ein Glockenspiel, das von Hand angeschlagen werden kann, ist inzwischen schon traditionell Teil des Festes für Alte Musik. Lange Zeit galten Glocken als die wichtigsten Boten des Glaubens, als „Stimmen des Himmels“ – aber in den Rathäusern und Glockenspieltürmen Flanders, der Niederlande und des Rheinlands war die Musik für Carillon durchaus vor allem weltlich gemeint und gedacht – wenn sie auch von ganz oben erklingt. Rosemarie Seuntjëns, die städtische Glockenspielerin der niederländischen Stadt Roermond, hat für unser Kölner Festival ein Programm vorbereitet, in dem Traummusik zwischen den „Three Dream Dances“ des amerikanischen Komponisten Ronald Barnes und Franz Liszts „Liebestraum“ erklingt. Eintritt frei Jordi Savall, Rebec & Rebab Dimitris Psonis, Santur & Morisca In der biblischen „Offenbarung des Johannes“ erscheint dem Propheten nach den Schrecken der Apokalypse eine Stadt, die golden leuchtend vom Himmel kommt: das „neue Jerusalem“. In ihr bündeln sich die Hoffnung der Christenheit auf die Auferstehung. Aber auch für die Juden ist Jerusalem ein ewiger Hoffnungsort, der in den Zeiten der Diaspora immer wieder Anlass zur Hinwendung bot und bietet. Michael Willens hat ein Programm mit jüdischer und christlicher Musik zusammengestellt, das um den utopischen Sehnsuchtsort Jerusalem kreist. Acht Vokalsolisten und Continuo stimmen unter anderem Tomas Luis de Victorias berühmte Lamentationen aus dem „Officium Sanctae Hebdomadae“ an. 20/12 Euro Graf Hermann Carl von Keyserlingk konnte nicht einschlafen. Zum Glück hatte er einen Diener, den leidenschaftlichen Cembalisten Johann Gottlieb Goldberg. Der verkürzte Keyserlingk die durchwachten Nächte mit Musik. Und weil der Graf eine enge Beziehung zur Familie Bach hatte und der große Johann Sebastian Goldbergs Cembalolehrer war, konnte er den Meister darum bitten, ein paar Cembalostücke für Goldberg zu schreiben. Bach komponierte ein gewaltiges Variationswerk, beispiellos in Qualität und Umfang. Und, so erzählt Bachs Biograph Nikolaus Forkel, „lange Zeit hindurch hieß es nun, wenn schlaflose Nächte kamen: Lieber Goldberg, spiele mir doch eine von meinen Variationen!“ In Köln tut dies Benjamin Alard, einer der jungen französischen Shootingstars der Szene. 20/12 Euro Cantus Cölln Musikalische Leitung: Konrad Junghänel Musik aus einer Zeit, in der Wissenschaft und Kunst sich nicht gegenüberstehen, sondern sich bereichern. Es erklingen Madrigale über Träume des italienischen Trecento, spätere Werke der enigmatischen Ars Subtilior, Reflexionen der Mythologie der Antike, Alb- und Tagträume und Musik, die damals in einen hypnotischen Zustand versetzen sollte. Durch das Programm führen Stücke, die von der Nachtigall sprechen, jener verzaubernden Sängerin der Nacht. Ein ganz junges Baseler Ensemble hat sich diese Musik zu Eigen gemacht. In York gewannen sie jüngst den Preis für das beste Nachwuchsensemble der Alten Musik, alle sind sie Studierende oder Absolventen der traditionsreichen Schola Cantorum Basiliensis: das Ensemble Sollazzo lässt die Szene aufhorchen. 20/12 Euro Seth Carico, Bariton Ensemble 20-/70+ | zamus-ensemble Musikalische Leitung & Oboe: Xenia Löffler Bühne & Kostüme: Uta Materne Buch & Regie: Frauke Meyer Ottomanische, armenische, arabisch-andalusische, sephardische und christliche Musik aus dem Mittelmeerraum INTERNATIONALE NACHWUCHSENSEMBLES STELLEN SICH VOR Kölner Akademie Musikalische Leitung: Michael Alexander Willens Vokalkonzerte von Dietrich Buxtehude, Nicolaus Bruhns, Johann Kuhnau und Johann Schelle Per aspera ad astra: Aus dem Tal der Finsternis und Tränen führt der Weg der Erlösung ins Paradies, den die Sängerinnen und Sänger von Cantus Cölln mit Werken des deutschen Barocks aus Norddeutschland und Sachsen beschreiten – unter der Leitung Konrad Junghänels und verstärkt um ein Streicher- und Generalbassensemble. Dietrich Buxtehude, Nicolaus Bruhns, Johann Kuhnau und Johann Schelle heißen die Komponisten; große Tastenmeister sind das zumeist, die ihre expressiven musikalischen Ideen aber immer gerne auch in den Dienst der Vokalmusik stellten. Und in den Gottesdienst der evangelischen, lutherischen Kirchen ohnehin. 18/12 Euro Wir sind es oft gewohnt, in kulturellen Abgrenzungen zu denken. Ob aber diese Trennung in Nord und Süd, in Afrika und Europa, in Morgen- und Abendland überhaupt sein muss, fragt zum Abschluss des Festivals Jordi Savall, der Weltstar, Poet und Philosoph unter den Gambisten. Savall und sein musikalischer Mitstreiter Dimitris Psonis treten an, diese imaginäre Trennung aufzuheben. Und zurückzukehren zu einem gemeinschaftlichen Gedanken, der in der Musikgeschichte schon einmal gedacht und gelebt wurde. In diese Zeit führt der „Dialog der Seelen“ zurück. Als im Mittelmeerraum für eine gewisse Zeit Juden, Christen und Moslems friedlich miteinander auskamen und die Musik zu verbinden half, was heute getrennt scheint. 29/18 Euro Johann Sebastian Bachs Kantate „Ich habe genug“ stellt eine provozierende These in den Raum. Eine namenlose Person singt voller Überzeugung „Ich freue mich auf meinen Tod.“ Wie können wir heute mit dieser schier ungeheuerlichen Haltung umgehen? Die Hoffnung auf ein besseres Leben nach dem Tod rührt an letzten Tabus. In ihrem Musiktheaterprojekt stellt Regisseurin Frauke Meyer mutige Fragen und stellt Bachs Kantate einer Uraufführung des Kölner Komponisten Martin Bechler gegenüber. 29/18 Euro Eine Veranstaltung des Evangelischen Kirchenverbandes Köln und Region und des Katholikenausschusses in der Stadt Köln Eine Veranstaltung des Forum Alte Musik Köln/WDR3. ZAMUS, Heliosstraße 15 Nähere Informationen in diesem Magazin auf Seite 25 MONTAG, 7. MäRZ 2016, 19 UHR ZAMUS, Heliosstraße 15 ZAMUS TALK ICH HABE GENUG – EINE MUSIKALISCHE GESPRÄCHSRUNDE Frauke Meyer, Regisseurin Prof. Hans-Joachim Giegel, Soziologe Prof. Lukas Radbruch, Palliativmediziner Dr. Martin Bock, Theologe Thomas Höft, Moderation Johann Sebastian Bach beschließt seine Kantate „Ich habe genug“ mit einer Zumutung. „Ich freue mich auf meinen Tod …“, singt der Solist in heiterem Tonfall. Können oder wollen wir uns eine solche Haltung heute zu Eigen machen? In unserem musikalischen Gespräch werden die musikalischen, philosophischen und moralischen Dimensionen von Todeserwartung und Sterbewunsch diskutiert. Eintritt frei Wolfgang Amadeus Mozart als widersprüchlichen Charakter zu bezeichnen, klingt fast ein wenig zu schwach. Geradezu extrem treffen beim Komponisten Melancholie und gröbster Scherz aufeinander, wie Österreichs Volksschauspieler Johannes Silberschneider deutlich macht. Musikdramaturg Karl Böhmer und Schauspieler Johannes Silberschneider haben sich ein Programm über Mozarts „Kleine Nachtmusik“ ausgedacht. Im Gespräch erläutern sie ihre Ideen. ZAMUS: Lieber Johannes, was für ein Bild hast du von Mozart? JOHANNES SILBERSCHNEIDER: Der Wolferl war immer schon ein Rebell. Und er hat seinen Vater eigentlich nie ausgehalten, diesen ambitionierten, kleinkarierten Augsburger Geigenlehrer und Hobbykomponisten. Was hat er sich nicht ein halbes Leben lang vom ihm bieten lassen müssen. Aber erst als der Vater ihm verbieten wollte, nach Wien zu zieh‘n und die geliebte Constanze zu heiraten, war‘s dann endgültig aus. Und wie der Vater gestorben ist, da schreibt der Mozart erst einmal zwei Wochen lang nichts und dann dem Vater als Nachruf ein Stück. Und nennt es: Ein musikalischer Spaß. Das sicher populärste Stück aus der Hand von Wolfgang Ama­ deus Mozart ist die „Kleine Nachtmusik“. Heißt das Stück tat­ sächlich so, oder hat sich das später jemand ausgedacht, wie so oft in der Musikgeschichte? KARL BöHMER: Nein, „EINE KLEINE NACHT MUSICK” trug Mozart selbst am 10. August 1787 in Wien in sein eigenhändiges Werkverzeichnis ein. Damals, mitten in der Arbeit am „Don Giovanni“, konnte er kaum ahnen, dass einmal diese kürzeste aller seiner Serenaden zu seinem berühmtesten Instrumentalwerk avancieren würde. Der Auflistung im Werkverzeichnis ist zu entnehmen, dass dem Stück in der heutigen Fassung ein Satz fehlt: Ursprünglich stand vor der Romanze ein weiteres Tanzpaar aus Menuett und Trio, was ganz der üblichen fünfsätzigen Anlage eines Wiener Divertimento entsprach. In Wien umschlossen für gewöhnlich zwei schnelle Ecksätze zwei Menuette, die ihrerseits wiederum den langsamen Satz in die Mitte nahmen. An Mozarts Autograph kann man erkennen, dass die Seiten, die das erste Menuett und Trio enthielten, herausgerissen wurden. Also ist das Stück ein Fragment … INTERVIEW: THOMAS HöFT 16 Wissen wir, zu welchem Anlass Mozart das Stück kompo­ niert hat? Foto: Werner Kmetitsch DER WURSTL IM PRATER K.B.: Strenggenommen ja, das berühmteste neben dem Requiem … K.B.: Nicht wirklich. Aber der hochsommerliche Zeitpunkt des Eintrags lässt uns über den Anlass zur Komposition spekulieren: Damals lebte Mozart weit draußen im Grünen der Wiener Vorstädte „Auf der Landstraße“. Seine Nachbarn waren dort der Botanikprofessor von Jacquin und dessen lebenslustige Kinder Franziska und Gottfried – erstere eine begabte Pianistin, letzterer als Bariton und Kompositionsschüler Mozarts Intimus jener Jahre, insbesondere in Liebesdingen. So manches ge- sellige Werk der Jahre 1786 und 1787 hat Mozart für das Musizieren mit den Jacquins geschrieben, wie etwa das „Kegelstatt-Trio“ oder das A-Dur-Flötenquartett. Auf dieser Stilebene bewegt sich auch die „Kleine Nacht Musick“, die nicht nur als ein Werk für Streichorchester anzusehen ist, sondern sich auch fürs gesellige Musizieren im kleinen Kreis zur abendlichen Stunde und in solistischer Besetzung bestens eignet. Zugleich dürfte Mozart beim Komponieren schon an die bevorstehende Reise nach Prag und an die dortigen Adelshäuser gedacht haben, die sämtlich mit eigenen Hauskapellen ausgestattet waren. Als ein Stück nobler „Gesellschaftsmusik“ war die „Kleine Nachtmusik“ in diesem Rahmen gut zu gebrauchen. Freilich hat er sie nicht erst „auf der Reise nach Prag“ komponiert, wie Eduard Mörike in seiner berühmten Novelle suggerierte. Am 10. August 1787, als er das Stück vollendete, war Mozart noch in Wien. Mörike wäre natürlich auch eine Lesungsmöglichkeit … J.S.: Aber gar kein Vergleich zu Mozarts Dramenfragmenten. Ich lese aus „Der Salzburger Lump in Wien“ und „Die Liebesprobe“. Dass Mozart sich auch in der dramatischen Dichtung versucht hat, war mir bis dato unbekannt. Das sind hinreißende, derbe Texte, tiefsinnig und komisch zugleich, sehr österreichisch … Eine letzte Frage: Warum war für Mozart die Nachtmusik klein? K.B.: „Klein“ nannte Mozart seine letzte Nachtmusik wegen der knappen Dimensionen ihrer Sätze, die gleichwohl Musterbeispiele für jene großen Formen sind, wie er sie auch in seinen Wiener Sinfonien, Streichquartetten und Streichquintetten benutzte. Die Sonatenform des ersten Satzes ist sogar so ideal ausgeprägt, dass sie posthum zum Musterbeispiel für diese Form im Schulunterricht wurde. Der Durchführungsabschnitt dieses Satzes wie auch des Finales – eines idealen „Sonatenrondos“ – offenbart durchaus tiefere Bedeutung. Die Themen selbst strahlen eher Eingängigkeit und einen etwas oberflächlichen Charme aus – von den berühmten Quarten, die den ersten Satz eröffnen, bis zum charmanten Augenaufschlag im Rondothema des Finales. Nächtlichen Charme verbreitet diese Musik durch ihren gleichsam „luftigen“ Klang, besonders in jenem Finalrondo und in der wundervollen Romanze des langsamen Satzes. Es ist kein Zufall, dass man in diesem Satz Reminiszenzen an so manche Arie Mozarts findet wie „Wenn der Freude Tränen fließen“ aus der „Entführung aus dem Serail“ oder „Per pietà, bel idol mio“. Der „singende Geschmack“ ist hier omnipräsent. JOHANNES SILBERSCHNEIDER LIEST DRAMENFRAGMENTE VON WOLFGANG AMADEUS MOZART AM 28. FEBRUAR 2016 IN DER FLORA KÖLN IM KONZERT MIT DEM L’ORFEO BAROCKORCHESTER UNTER MICHI GAIGG 17 ZAMUS: Unser Festivalthema heißt „I  have a dream“. Wie schaut das bei Ihnen privat aus? Leben Sie selbst Ihren Traum? In Barcelona erntet er Salat und Früchte aus seinem Garten, in der Welt sät er Toleranz und Verständnis mit seiner Musik. Interview: Thomas Höft Jordi Savall: Ich lebe natürlich viel in Flughäfen und in der Luft (lacht), aber wenn ich zu Hause bin, dann bin ich in der Natur. Mein Arbeitszimmer hat eine große Tür in den Garten und steht fast immer offen. Ich gehe dann auch während des Arbeitens immer wieder in den Garten, ich arbeite im Garten – auch im Winter – und ich gehe mit meinen Hunden spazieren. Ich kann nicht ohne den Kontakt zur Natur leben. Ich kann nicht schlafen, wenn die Fenster nicht weit geöffnet sind, und ich brauche die frische Luft. Aber ehrlich gesagt, auch im Flugzeug muss ich nicht auf die Natur verzichten. Ich liebe es, von oben auf die Welt zu schauen. Das erste Mal, dass ich die Erde rund gesehen habe, sie also wirklich als Erdkugel empfunden habe, das war vor 22 Jahren, als ich mit der Concorde nach New York geflogen bin. Dass die Welt so fantastisch ist, diesen Anblick der Natur verdanke ich der Technik. Auch das werde ich nie vergessen. Und ich habe das Glück, dass ich bei Barcelona im Umkreis einer Metropole lebe, aber doch schon fast auf dem Land. Dort haben wir einen einen wunderbaren Garten mit Bäumen: Zitronen, Orangen, Mandarinen und auch Quitten, und dazu einen herrlichen Gemüsegarten mit Salat und Kräutern … Das klingt nach Gärtnern aus Leiden­ schaft … Nein, ich gärtnere nicht, ich bin der Dirigent (lacht)! Meine Haupttätigkeit ist nicht das Anpflanzen, sondern das Abschneiden. Aber ich bin gerne dort Foto: Werner Kmetitsch ZITRONEN UND MANDARINEN Jordi Savall gilt als der Philosoph der Alten Musik und esse vor allem die eigenen Produkte. Das ist mir sehr wichtig, denn ich bin Vegetarier. Wie immer bei Ihnen sind wir sofort bei sozialer Verantwortung und beim Politi­ schen … Ja, das gehört einfach zusammen. Künstlerische Sensibilität und soziale Sensibilität bedingen sich. Es kommt ganz automatisch, wenn man über Kunst nachdenkt, dass man sofort bei der eigenen Verantwortung ist. Ja, ich bin bewusst Vegetarier und rede bewusst darüber. Das hat für mich zuerst sehr viel mit dem Respekt vor den Tieren zu tun. Ich finde es unerträglich, wenn ich mir vorstelle, dass Tiere für unseren Mit- Wir sollten nach dem Verbindenden suchen. Und was kann da besser helfen als Musik? tagstisch getötet werden. Vor allem, wenn es nicht um einfache bäuerliche Tradition, sondern um industrielle Massentötung geht. Das ist die Zerstörung jeden Zaubers der Natur. Wir alle sollten sehr bewusst sein im Umgang mit der Natur, und für mich heißt das unter anderem: auf Fleisch verzichten. Sich aber auch zu wehren gegen Pestizideinsatz, gegen Gentechnik, gegen Zusatzstoffe, all das. All das hat mit Verantwortung zu tun. Und darum geht es nun mal … Auch in den Musikprogrammen? Aber sicher, genau so. Das Ziel aller Fanatiker und Fundamentalisten ist es, das Trennende in den Menschen heraufzubeschwören, das Misstrauen, den Hass. Wir sollten das Gegenteil machen: nach dem Verbindenden suchen. Und was kann da besser helfen als Musik? Musik verbindet. Und deshalb ist Musik auch immer Politik. Unser Kölner Programm bringt die Suche nach einem geistigen Gegenmittel gegen den dramatischen, sich zuspitzenden Zivilisationskonflikt zum Ausdruck, der mit Beginn des Afghanistan-Kriegs akut geworden ist. Das Projekt Orient-Okzident soll ein bereichernder musikalischer Dialog zwischen Süd und Nord, Ost und West sein, mit Instrumenten und Musikstücken des alten christlichen, jüdischen und muslimischen Hesperiens: Zeitlich und räumlich voneinander entfernt erscheinende Weisen, oft unter mehreren Schichten Modernität vergessen oder wegen ihres ungewissen Ursprungs missachtet; prächtige, stark emotionsgeladene Tänze, Fürbitten, Lieder und Klagen, die mit ihrer Leichtigkeit von schwerfälligen Wurzeln und vermeidbarer Einsamkeit befreien. Weisen, die aus den Liebkosungen des Bogens der Vièle und der Stärke der italienischen Lyra entstanden sind, aus den Rhythmen und Schlägen des marokkanischen und israelischen Ouds, dem schillernden Zupfen des iranischen Santur und der eindringlichen türkischen Moresca. Eines dürfen wir dabei nicht vergessen: Die ersten Streichinstrumente kamen aus dem Morgenland zu uns. Im Altertum und selbst noch im Frühmittelalter in Europa unbekannt, scheint der Einfluss durch Musiker aus arabisch-islamischen Ländern die wahrscheinlichste Erklärung für die allmähliche Entwicklung der Streichertechnik in Europa zu sein. JORDI SAVALL SPIELt am 13. märz 2016 in den balloni hallen MUSIK AUS ORIENT UND OKZIDENT. 19 Das junge Kölner Ensemble Nel dolce traumwandelt für das Fest für Alte Musik. ZAMUS: Nel dolce hat ein ganz besonderes Projekt für das Kölner Fest für Alte Musik entwickelt … NEL DOLCE: Ja, mit dem Konzertprojekt „TRAUMWANDEL – in Räumen träumen“ möchten wir gemeinsam mit Lehrenden und Studierenden der Hochschule für Musik und Tanz Köln die träumerischen Aspekte des Festivalthemas „I have a dream“ musikalisch beleuchten … Gerade diese Kooperation ist euch ein An­ liegen … Wir wollen gerne einen weiteren Impuls zu einer Kooperation zwischen dem ZAMUS und der Hochschule für Musik und Tanz Köln geben, die bereits in den vergangenen Jahren erfolgreich praktiziert wurde. Einerseits engagiert sich Nel Dolce als aktives Mitglied der Kölner Gesellschaft für Alte Musik für die Zusammenarbeit in der AlteMusik-Szene in Köln. Andererseits haben die Ensemblemitglieder Stephanie Buyken, Olga Piskorz und Harm Meiners ihr Studium an der HfMT Köln absolviert, Harm Meiners hatte zudem 2005–2015 einen Lehrauftrag für Kammermusik inne und Stephanie Buyken ist aktuell Mitarbeiterin im Forschungsprojekt „Eine (Musik)Schule für alle“ an der HfMT Köln. Somit fühlt sich Nel Dolce sowohl der Kölner Gesellschaft für Alte Musik beziehungsweise dem ZAMUS als auch der HfMT Köln auf vielfältige Weise verbunden. AUF DER SPUR DER TRäUME Und was erwartet uns in dem Konzert? Das Publikum wird während des Konzertabends einem Traumwandler gleich zwischen verschiedenen Traumwelten wandern. Dazu wird es zunächst mit Vivaldis „La Notte“ eingesogen in INTERVIEW: THOMAS HöFT 20 Foto: Nel dolce In einem großen Gemeinschaftsprojekt verwandeln Studierende und Lehrende der Hochschule für Musik und Tanz Köln ihre Räume in einen Traumparcours. den Zustand des Schlafs, um dann in den einzelnen folgenden Traumräumen in eine jeweils neue Traumwelt einzutauchen: Von der Geisterzeit über Alptraum, Eingebung, Liebe, Wunsch und einer orientalischen Vision bis hin zur Utopie des Friedens … Also gibt es so etwas wie einen roten Faden … Neigt sich der jeweilige Traum dem Ende, erwacht eine neue Traumidee. Diese Traumidee läutet eine neue Traumphase ein und zieht den Zuhörer wie durch Zauberhand gezogen und unterstützt durch tänzerische und schauspielerische Akzente mit in eine neue Welt. Die unterschiedlichen Traumwelten werden räumlich durch unterschiedlich gestaltete Traumräume verdeutlicht – die Räume der Hochschule als Traumräume. Und welche Musik spielt dabei eine Rolle? Innerhalb der Traumräume werden u.a. Werke von Henry Purcell, Francesco Geminiani, Franz Ignaz Biber, Tarquinio Merula, Guiseppe Tartini, Alessandro Scarlatti, Michelle Corette und Jean-Philippe Rameau erklingen. Eine Pause, in der auch für das leibliche Wohl gesorgt ist, lädt ein zum individuellen Weiterträumen und Innehalten. Den festlichen Abschluss des gut zweistündigen Konzertabends bildet die Feuerwerksmusik von Händel, die das Ensemble Nel Dolce gemeinsam mit Lehrenden und Studierenden des Instituts für Alte Musik aufführt … Das klingt ebenso vielversprechend wie aufwendig … … und ist bei freiem Eintritt zu erleben! NEL DOLCE SPIELT GEMEINSAM MIT STUDIERENDEN DER KÖLNER HOCHSCHULE FÜR MUSIK UND TANZ UND DEN PROFESSOREN KAI WESSEL UND GERALD HAMBITZER AM 5. MäRZ 2016. EINE VERANSTALTUNG DES INSTITUTS FÜR ALTE MUSIK DER HFMT KÖLN. 21 Michael Willens stammt aus einer musikalischen Familie. ZAMUS: Wie bist du auf die Idee gekom­ men, Alte Musik zu machen? Michael Willens: Es ist eine komische Geschichte. Ich studierte Kontra­bass an der Juilliard School in New York und dort gab es einen wunderbaren Cembalisten, Albert Fuller, der ein Barockorchester gründete. Als er mich in sein Ensemble holte, gingen mir die Augen auf: alte Instrumente, Originalklang … Das war mein Anfang. Du hast also zunächst als Instrumentalist gearbeitet? Ja, ich war zu dieser Zeit sehr glücklich – zu dieser Zeit gab es in Amerika kaum Kontrabassisten, die einen historischen Bass spielten, kaum Originalklangensembles. Ich bin viel gereist und hatte viele Konzerte. Ich konnte Vieles ausprobieren, mit den Bögen und den Saiten experimentieren, hatte Kontakte nach Europa – das Meiste brachte ich mir allerdings autodidaktisch bei, da es damals in Amerika keine Hochschule gab, an der man das studieren konnte. MUSIKALISCHE SCHÄTZE HEBEN Und anschließend bist du nach Europa gegangen? Genau; ich kam zuerst nach Deutschland weil Reinhard Goebel mich eingeladen hatte, bei Musica Antiqua Köln zu spielen. Die damalige Cellistin Phoebe Carrai hatte mich für eine Tournee in den USA empfohlen und anschließend wurde ich immer wieder angefragt. Ein persönlicher Grund war auch eine Beziehung mit einer Geigerin – die besteht zwar schon lange nicht mehr, aber ich bin in Deutschland geblieben und habe hier anfangen, die Kölner Akademie aufzubauen. Interview: JOACHIM DIESSNER Foto: Javier Casares Im Kölner Fest für Alte Musik spürt er den Visionen vom „Himmlischen Jerusalem“ nach: Dirigent Michael Alexander Willens spricht über seinen Weg zur Alten Musik. Jetzt aber spielst du überhaupt nicht mehr den Bass, sondern bist Ensemble­ leiter geworden. Wie kam es dazu? Ich hatte schon in Amerika Dirigieren studiert, nahm sogar in Tanglewood an Meisterklassen bei Leonard Bernstein teil. Ich hatte immer den Wunsch, mit Leuten zu musizieren, die so tickten wie ich: ich habe in New York nicht nur Alte sondern auch viel Neue Musik gespielt und gründete das Orchester Damals und Heute, d.h. es gab immer Alte und zeitgenössische Musik in einem Programm – gespielt auf den jeweils passenden, also verschiedenen Instrumenten. Allerdings war das immer schwerer zu verkaufen. Man muss sich auf eine Sache konzentrieren. Deshalb bin ich mit der Kölner Akademie immer darauf aus, Stücke zu entdecken und unbekanntes Repertoire aufzuführen. Wie kommst du auf die unbekannten Sachen? Du kommst ursprünglich sowieso aus ei­ ner sehr musikalischen Familie … Ja, zuweilen bringt es Überraschungen: wir wollten eine CD mit Musik von Schelle zu Weihnachten aufnehmen, die in diesem Jahr erscheinen wird, aber die Noten kamen nicht an. Eine Woche vor der Aufnahme bekam ich als Alternative Kantaten von Rolle, Forster und anderen geschickt, alles sehr schöne Musik! Das war ein Zufall, aber auch eine Entdeckung für mich. Glücklicherweise kann ich ein paar Musikwissenschaftler nicht nur gezielt nach Stücken fragen, sondern wie in diesem Fall auch einfach: wir wollen eine CD produzieren – hast du Stücke für uns? Inzwischen habe ich Musik für die nächsten 20 Jahre im Schrank. Das stimmt. Mein Großvater und mein Stiefgroßvater sind beide nach Pogromen aus Odessa nach Amerika ausgewandert und waren Komponisten: Alexander Olshanetzky und Hermann Jablokoff. Sie haben beide jiddische Musik geschrieben – ich würde gerne einmal eine CD mit ihrer Musik aufnehmen: ‚Songs my Grandfathers wrote‘ … In Deinem Programm für das Kölner Fest ist, neben der ungewöhnlichen Kom­ bination von Musik Salomone Rossis und Carlo Gesualdos, ja auch viel Unbe­ kanntes dabei. Der Leitgedanke dabei ist die Vision von Jerusalem. Ich hatte die Idee, in diesem Konzert eine Mischung vorzustellen: die Musik kommt aus verschiedenen Ländern, Mexiko, Spanien, Italien und Deutschland, alles ist barock und nicht klassisch, es gibt vier verschiedene Sprachen und man kann gut den unterschiedlichen Stilen nachspüren, obwohl natürlich alles Kirchenmusik ist. Ich habe Kontakt zu vielen Musikwissenschaftlern, die mir immer wieder Stücke schicken. Manchmal ist auch „Schrott“ dabei, aber vieles ist interessant. Ich beschäftige mich dann mit den Komponisten – oft waren sie in ihrer Zeit super erfolgreich, heute sind die völlig vergessen. Unsere erste CD hieß „Forgotten Treasures“ – da ging es darum, musikalische Schätze zu heben. Das war immer ein Ziel von mir. Natürlich muss man Bach, Mozart, Beethoven spielen, aber es gibt so Vieles, das man daneben nicht auf den Konzertprogrammen findet … Ist das nicht schwierig? Manchmal gehst du aber doch über die Alte Musik hinaus. Zur Weihnachts­ zeit warst du im WDR mit dem Rund­ funkorchester zu sehen und hast u.a. Tschaikowski dirigiert … Ja, das war eine tolle Erfahrung und ich habe ein breites Repertoire. Ich bin da für Wayne Marshall eingesprungen, man hat mich vorgeschlagen und ich war gerne dabei. MICHAEL WILLENS LEITET DIE KÖLNER AKADEMIE AM 10. MÄRZ 2016 IM PROGRAMM HIMMLISCHES JERUSALEM IN DER FRIEDENSKIRCHE EHRENFELD 23 Ein neues Format – eine neue Idee – neue Musiker! Der Grundgedanke ist ganz einfach: Geben wir neuen Ensembles, jungen MusikerInnen eine Plattform. Angeregt von der Idee der sogenannten Fringe-Konzerte, die mit großem Erfolg bei den Festivals für Alte Musik in Utrecht und beim MA-Festival in Brugge stattfinden, hat das ZAMUS-Team den Faden aufgenommen und erweitert. AUF UND DAVON Musiktheaterprojekt mit der Förderschule Redwitzstraße Junge europäische Ensembles wurden eingeladen, sich mit einem kurzen Video vorzustellen, und im Internet konnte das Publikum ein Votum für seinen Favoriten abgeben. Wir von der Jury, die schließlich unter Berücksichtigung der Publikumsstimmen die GewinnerInnen auswählten, waren beeindruckt von den wunderbaren, teilweise sehr fantasievollen Bewerbungen und hätten am liebsten alle eingeladen … VON ULRIKE NEUKAMM Sich auf und davon machen und seine Träume verwirklichen kann viele Gesichter haben, das merkt man schnell, wenn man mit Maria Filimonov und Markus Tomczyk einen Vormittag mit der Gruppe von Schülern der Förderschule Redwitzstraße verbringt. Die beiden Theaterpädagogen erarbeiten seit September einmal in der Woche mit rund 20 Schülern das Projekt AUF UND DAVON für das Fest für Alte Musik. Nach dem Projekt LA LOCURA ist es die zweite Zusammenarbeit mit der Förderschule Redwitzstraße. Noch kommt die Musik vom Band, und das Floß existiert bisher nur in der Fantasie, aber die Musiker stehen schon bereit, die Baupläne für das Floß gibt es schon, und so wird bald alles ganz konkret mit der Fahrt in ein anderes Leben. Die MusikerInnen werden ab Mitte Februar regelmäßig in der Turnhalle der Redwitzschule zu Gast sein, um gemeinsam mit den Schülern das Musiktheater zu proben, denn das Erleben von realen Musikern, die echte Instrumente spielen, kann keine noch so tolle Hi-Fi-Anlage ersetzen. Markus Tomczyk und Maria Filimonov planen, einzelne Musiker und Schüler als Teams zusammenzubringen. So wird Justin auf jeden Fall die Sopranistin Gerlinde Sämann betreuen. An diesem Vormittag sitzt er scheinbar unbeteiligt am Rand neben der Musikanlage und möchte nicht mitmachen. Wenn man ihn beobachtet, merkt man jedoch schnell, wie intensiv er bei der Musik ist und wie sein Gesicht zu leuchten beginnt als die Sopranistin die Arie „Zeffiretti che sussurrate“ von Vivaldi anstimmt. Ein wichtiger Teil ihrer Arbeit ist es, die Sprache und Ausdrucksformen einzelner Schüler zu verstehen. Wie das klare NEIN von Leah, das auf jede Frage laut zurückkommt, sie einen dabei aber gleichzeitig mit einem wunderbaren breiten Grinsen anschaut und dieses NEIN für sie scheinbar etwas ganz anderes bedeutet, als ich normalerweise denken würde. Es ist dieses Gefühl von Verbundenheit ohne Worte, die diese Zusammenarbeit so besonders macht. Das passiert ganz schnell, und schon nach kurzer Zeit fühle ich mich als Teil der Gruppe und bin mitten drin in der Zusammenarbeit. Wie klingt der Ort, an den ich mich wünsche, wie fühlt es sich dort an, ist es warm oder kalt, laut oder leise, und welche Hilfe brauche ich, um dorthin zu kom24 24 Wo die Fahrt mit dem Floß beginnt, wo sie endet, welche Stürme zu durchstehen sind, muss noch genau erarbeitet werden. Aber wer weiß – vielleicht schafft es das Floß über die Themse nach London und Joelle auf den Big Ben? Tatsächlich sind es schließlich sieben Ensembles geworden, die im Rahmen des Kölner Festes für Alte Musik auf der Spielwiese auftreten. Aber das Voting ist noch nicht beendet: Auch nach den Konzerten kann das Publikum noch mitentscheiden. Jede/r erhält zu Konzertbeginn einen Stimmzettel und kann abermals seinen Favoriten benennen. Zusammen mit dem Juryvoting wird ein/e GewinnerIn ermittelt, der/dem ein reguläres Konzert beim Kölner Fest für Alte Musik 2017 winkt. Wir sind sehr gespannt... Joachim Diessner Samstag, 5. März 2016, 15 Uhr ZAMUS, Heliosstraße 15 ENSEMBLE SÉLÉNITES, Den Haag From Dawn to Darkness Kantaten, Songs & Sonaten von Johann Sebastian Bach, Henry Purcell und John Dowland ENSEMBLE PAPER KITE, Köln Barbara ninfa ingrata Kantaten und Sonaten von Giovanni Bononcini und Giovanni Legrenzi MILDRED DERENTY-CAMENEN, Paris Nocturne Sonaten und Fantasien für Pianoforte von Johann Nepomuk Hummel und Frédéric Chopin KOMOS ENSEMBLE, Trossingen Nacht der Ekstase Tarantellen, Romanellen und Dances von John Playford, Giulio Ruvo u.a. Sonntag, 13. März 2016, 11 Uhr ZAMUS, Heliosstraße 15 ENSEMBLE LUDUS HARMONICUS, Köln Die Wege des Traumes Suiten und Opernszenen von Henry Purcell, JeanBaptiste Lully und Marc Antoine Charpentier ELIGNIA QUARTETT, Köln I have a dream Musik für vier Blockflöten, u.a. von Hildegard von Bingen, Orlando Gibbons und Louis-Antoine Dornel Collage: Nane Weber | Fotos: istock men? „La tempesta di mare“, diese wunderbare Musik von Antonio Vivaldi, trägt uns an diesem Vormittag gemeinsam durch den tobenden Seesturm, der plötzlich aufkommt. Oder wir taumeln mit „La notte“ durch die Dunkelheit. Da ist es gut, zusammenzuhalten, um nicht von unserem imaginären Floß ins Wasser zu fallen. Alle Schüler sind ganz bei der Sache und arbeiten konzentriert für die gemeinsamen Aufführungen in den BALLONI Hallen. Foto: Klarälven | Vildmark i.V.-HipfelStarck F ür Joelle ist der Ort seiner Träume klar: London – wie magisch das aus seinem Mund klingt … Könnte man doch einfach dorthin, sich auf und vielleicht auch davon machen. London, das ist sein Traum von einem anderen Leben. Denn dort, glaubt er, kann er anders sein, und sei es nur, weil dort sowieso alles ein bisschen anders läuft, wo doch sogar die Autos auf der falschen Straßenseite fahren! DIE KONZERTE ENSEMBLE CEMBALESS, Montabaur Boccaccios Decamerone Musik von Tarquinio Merula, Claudio Monteverdi und Andrea Falconieri Eintritt frei/Freiwillige Spende 25 Kunst leihen - artothek Köln In der artothek haben Sie die einzigartige Möglichkeit, Werke aktueller Kunst auszuleihen. Anders als bei der flüchtigen Begegnung in einer Ausstellung können Sie einem Kunstwerk in ihrer eigenen Umgebung oder am Arbeitsplatz über eine gewisse Zeit besonders intensiv und vielseitig näher kommen. Zu Ihrer Auswahl stehen 1.400 Kunstwerke internationaler und Kölner Künstler verschiedener Stilrichtungen und Techniken. Fachgerecht gerahmt und verpackt kann jedes Bild für zehn Wochen mit nach Hause genommen werden (Ausleihgebühr Euro 6,- incl. Versicherung, Ausleihausweis Euro 5,- pro Jahr). Unser Katalog: http://artothek.kulturelles-erbe-koeln.de RATEN SIE MIT und gewinnen Sie Eintrittskarten für das Kölner Fest für Alte Musik 2016 ? Wir wollen wissen: Was zeigt unser Bild? Bitte schicken Sie Ihre Antwort an [email protected]. Unter allen Einsendungen verlosen wir dreimal zwei Eintrittskarten für das Konzert „HIMMLISCHES JERUSALEM“ am Donnerstag, den 10. März 2016 in der Friedenskirche Köln-Ehrenfeld. Einsendeschluss ist der 1. März 2016. Der Rechtsweg ist ausgeschlossen. IMPRESSUM Titelfoto: Joseph Molina/gramophone magazine Herausgeber: Kölner Gesellschaft für Alte Musik e. V. Heliosstr. 15 50825 Köln 26 Redaktion: Thomas Höft & Joachim Diessner Druck: DFS Druck Brecher GmbH, Köln Erscheinungsdatum: Februar 2016 www.zamus.de artothek Raum für junge Kunst Haus Saaleck Am Hof 50, 50667 Köln. di-fr 13-19 Uhr, sa 13-16 Uhr www.museenkoeln.de/artothek FUGIT Ein interaktives musiktheater im Kölner Fest für Alte Musik Gerlinde Sämann, Sopran | Theatergruppe Kamchàtka | zamus-ensemble Musikalische Leitung: Michael Hell | Künstlerische Leitung: Adrian Schvarzstein www.zamus.de FUGIT ist eine Originalproduktion des Theaters Kamchàtka. Die Kölner Fassung ist eine Musik­theaterversion, die speziell für und mit dem Kölner Fest für Alte Musik entwickelt wurde. Foto: Blanca Martinez Ribes, Lleida | [email protected] 2./3./4. März 2016, 20 Uhr