Transcript
Kraizschouschteschgaart Saatgutgewinnung
Arbeiten, wo andere Urlaub machen: Insekten übernehmen in der Natur einen großen Teil der Fremdbestäubung.
Kraizschouschteschgaart ist der Name eines privaten
auch dann noch anbauen zu können, wenn sie aus der
Non-Profit-Projekts, das von Steve Schwartz ins Leben
Sortenliste der Europäischen Union gestrichen, also
gerufen wurde. Seine Ziele sind unter anderem der
vom jeweiligen Saatgutproduzenten vom Markt ge-
Erhalt der alten Vielfalt samenfester Sorten und des
nommen wurden. Zum anderen macht eigene Sa-
Rechts auf freien Austausch von Saatgut und Pflanzen
mengewinnung mit samenfesten Sorten unabhängig
im privaten Bereich. Der Gärtnermeister erklärt auf
von gentechnisch verändertem und F1-Saatgut. Die-
seiner Homepage ausführlich, wie man aus samenfes-
ses bringt zwar oft einmalig hervorragende Erträge,
ten Sorten sein eigenes Saatgut gewinnen kann. Wir
die Pflanzen selbst produzieren jedoch (bei der Termi-
wollen in unserer QUICUMQUE in einer fortlaufenden
nator-Technologie) sterile Samen oder Pflanzen, die in
Reihe dazu beitragen, dieses Wissen weiterzugeben.
der nächsten Generation nicht mehr die gewünschten
!
Eigenschaften haben. Samenfeste Sorten zu kultivie-
Warum Saatgut gewinnen?
ren und zu vermehren, ist Freiheit und Selbstbestim-
Es gibt gute Gründe, sein Saatgut selbst zu gewinnen.
mung in einer so elementaren Frage wie der der Nah-
Da wäre zum einen die Möglichkeit, geliebte Sorten
rungsmittelerzeugung.
Gentechnisch veränderte Pflanzen
tionen hinweg bringt Saatgut hervor, in dem die Ei-
Gentechnisch veränderte Pflanzen (GVP) zeichnen sich
genschaften groß und scharf fest verankert sind.
dadurch aus, dass ihnen Gene, die gewünschte Ei-
!
genschaften hervorrufen, auf verschiedenen techni-
Techniken
schen Wegen beigebracht werden – in gewisser Wei-
Die von Schwartz vorgestellten Techniken der Saat-
se Zucht im Zeitraffer. Dabei kann man den Pflänzchen
gutgewinnung sind vielfältig. Für Anfänger sind me-
natürlich auch beibringen, sterile
chanische Isolation und Handbe-
Samen zu produzieren. Das hat
stäubung am einfachsten umzu-
verschiedene Vorteile. Zum ei-
setzen. Andere Verfahren sind
nen soll es der unkontrollierten
räumliche und zeitliche Isolation,
Ausbreitung von GVP einen Rie-
sowohl innerhalb eines Jahres
gel vorschieben (man denke nur
als auch über mehrere Jahre.
an achtlos weggeworfene Apfel-
Ein weiterer wichtiger Arbeits-
kerngehäuse und den freien
schritt ist die Selektion. Hier
Bienen- und Insektenflug). Zum
werden mittels erhaltender Po-
anderen schützt es die Landwir-
pulationsauslese, Negativausle-
te, die GVP anbauen, vor Scha-
se oder Positivauslese ge-
densersatzansprüchen, denn
wünschte Eigenschaften einer
hierzulande haftet derjenige
Sorte gefördert.
vollumfänglich, der GVP anbaut
Allgemeine Auslese- und Selek-
– ein Markthemmnis für diese
tionskriterien sind vor allem Ge-
Pflanzen. Last but not least ga-
schmackseigenschaften, Reife-
rantieren sterile Pflanzen, dass
zeitpunkt (früh oder spät), Er-
jedes Jahr frisches kontrolliertes
trag, Lagerfähigkeit und Resis-
Saatgut ausgebracht wird. Ein Schelm, wer Böses dabei denkt.
!
Steve Schwartz und Luxemburger Erde: mit dem Federzahn gelockert, dick mit Kompost belegt.
tenz gegenüber Wetterschwankungen, Krankheiten und Schädlingen.
F1-Saatgut
Zur Saatgutgewinnung gehört
Als F1-Generation bezeichnet
außerdem die Reinigung des-
man die erste Tochtergeneration (Filialgeneration) in
selben, zum Beispiel nass mit und ohne Vergärung
der Vererbungslehre: Kreuzte man in einem dominant-
oder trocken, und schließlich die richtige Lagerung.
rezessiven Erbgang beispielsweise einen homozygo-
Aber alles der Reihe nach.
ten kleinen, sehr scharfen Rettich mit einem homozy-
!
goten großen, laschen und wäre scharf und groß do-
Die Blüte
minant gegenüber klein und lasch, dann würden die
Als erste Faustregel darf gelten: Ohne Blüten kein
Rettiche in der nächsten Generation groß und scharf.
Samen – zumindest bei Blütenpflanzen. Damit scheint
Insbesondere Eltern, die homozygot sind, bringen
leider schon alles Unkomplizierte zu Blüten gesagt.
gerne in der nächsten Generation Pflanzen hervor,
Wer weiter eintaucht, auf den prasseln sofort die Ein-
welche die gewünschten Eigenschaften sehr gut prä-
teilungen zwittrig, eingeschlechtig, getrenntge-
sentieren. Die Samen dieser F1-Pflanzen sind aber
schlechtig, einhäusig, zweihäusig, polygam, staminat,
nicht mehr reinerbig, sondern mischerbig (heterozy-
pistillat, monözisch und diözisch nieder.
got). Bringt man sie aus, gibt es kleine scharfe und
Der pragmatische Selbstversorger lässt sich davon
kleine lasche sowie große scharfe und große lasche
natürlich nicht einschüchtern und schlägt ein paar
Rettiche. Erst weitere Selektion über einige Genera-
grobe Pflöcke ein: Die beiden wichtigsten Fortpflanzungsbestandteile einer Blüte sind die Staubblätter
Blüten-, Staub- und Fruchtblätter (von außen nach innen)
mit den Pollen und die Fruchtblätter mit Narbe, Griffel
Bei der Fremdbefruchtung müssen Pollen einer ande-
und Fruchtknoten, in denen sich die Eizellen der
ren Pflanze auf der Narbe landen. Und wie sollte es
Pflanze befinden. Diese entwickeln sich nach der Be-
anders sein: Es gibt unter ihnen welche, die sich
fruchtung mit Pollen zu Samen. Am weitesten verbrei-
selbst befruchten können, wenn keiner für die Fremd-
tet sind zwittrige Pflanzen. Die echten Zwitter tragen
befruchtung vorbeikommt.
männliche und weibliche Fortpflanzungsorgane in
!
einer Blüte, nämlich besagte Staub- und Fruchtblätter.
Sortenreinheit
Die Einhäusigen (monözischen) haben sowohl weibli-
Unter „Sorte“ versteht man eine durch Züchtung her-
che als auch männliche Blüten an einer Pflanze – be-
gestellte Variante einer Wildpflanzenart. Um ein Ge-
kannte Vertreter sind die Haseln. Bei den Zweihäusi-
wächs sortenrein zu vermehren, muss man Verkreu-
gen (diözischen) hingegen sind männliche und weibli-
zungen verhindern: Die Pflanzen mit den gewünsch-
che Blüten an verschiedenen Pflanzen, wie beispiels-
ten Eigenschaften sollten tunlichst nicht von Pflanzen
weise bei der Weide.
bestäubt werden, die zwar zur selben Art gehören,
Mit diesen Unterscheidungen in der Tasche werden
aber andere Eigenschaften haben. An dieser Stelle
zwei Befruchtungsarten evident: Selbst- und Fremd-
wird das Blütenwissen elementar, denn als Verhinderer
befruchtung. Bei der Selbstbefruchtung bestäubt sich
muss man die richtige Isolationstechnik wählen, und
die Pflanze mit ihrem eigenen Pollen selbst oder lässt
umgekehrt, als Förderer, die richtige Bestäubungsart.
bestäuben. Insekten und Wind sind hierfür zuständig.
Pflanzen beispielsweise, die in der Natur von Tieren,
Wind und Wetter geschüttelt werden, müssen im stil-
Mechanische Isolation
len Gewächshaus entsprechend bewegt werden.
Wesentlich praktikabler ist die mechanische Isolation,
!
bei der tierische Helfer mit Netz und Vlies von der
Räumliche Isolation
Arbeit abgehalten werden. Beim Einsacken umhüllt
Die räumliche Isolation wird zu den
man einzelne Blüten oder Blüten-
für die meisten Selbstversorger und
stände von selbstbefruchtenden
Gärtner nur schwer umsetzbaren
Sorten mit Vlies, so dass keine Be-
Verfahren zählen. Hierbei müssen
stäuberinsekten an die Blüten
die zu trennenden Sorten nämlich
kommen. Die verwendeten Mate-
so weit voneinander entfernt ange-
rialien müssen die ganze Blüte
baut werden, dass es zu keinem
dicht umschließen und es emp-
Pollenaustausch kommen kann.
fiehlt sich, die Öffnung des Vliess-
Wie weit Pollen vom Wind getra-
ackes unten am Stamm oder Stän-
gen wird, hängt von vielen Fakto-
gel der Pflanze mit einer Schnur
ren ab. Eine Versuchsreihe zur
zubinden. Die Prozedur beginnt
Maispollendeposition, die das
vor dem Öffnen der ersten Blüte
Bundesamt für Naturschutz in Auf-
und endet, wenn die letzte Blüte
trag gegeben hat, konnte zeigen,
komplett abgeblüht ist. Besser
dass in Entfernungen von über drei
noch wartet man, bis sich Samen-
Kilometern noch erheblicher Pollenfluss zu verzeichnen ist. Auch der Aktionsradius von Bestäuberinsekten ist nicht gerade klein – Bienen kommen schnell auf 30 Quadratkilometer.
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!
Unter mehreren Lagen von Vlies ist übrigens im Winter Gemüse eingelagert worden – simpler, aber vollwertiger Ersatz für eine Erdmiete.
Foto: Steve Schwartz
!
schoten zeigen. Nicht vergessen: Isolationstunnel
Garten-Hui Buhs: eingesackte Pflänzchen
Die so sortenrein vermehrten Samenträger mit einem farbigen Bindfaden deutlich markieren, sonst verliert man schnell den Durchblick.
!
Wer weniger Frickelage bevorzugt und auch größere
der Tunnel wieder aufgestellt. Man verfährt so im
Mengen Saatgut herstellen möchte, stellt Isolations-
1-Tages-Rhythmus mit all den restlichen Sorten, bis
tunnel auf. Hier werden
man wieder bei der ersten angelangt ist. Diese
Beete einer Sorte ein-
Methode sollte so lange
gepackt, indem Holz-
durchgeführt werden,
oder Drahtgestelle mit
bis genügend Samen
Vlies oder Netz be-
gebildet sind. Wichtig
spannt werden.
ist, dass man die Isolati-
In feststehenden Tun-
onstunnel bis zum Ende
neln werden die selbst-
der Blütezeit der ver-
befruchtenden Sorten
schiedenen Sorten auf
isoliert. Da hier keine Insektenbefruchtung für eine normale Saatgut-
Foto: Steve Schwartz
ganze Pflanzen und
den Pflanzen belässt, damit es nicht nachträglich zu einer Fremdbe-
!
entwicklung notwendig,
fruchtung kommen
Einsacken, von Nahem besehen
beziehungsweise unerwünscht ist, belässt man
kann. Erst wenn alle zu isolierenden Sorten voll-
den Isolationstunnel vom Blütenbeginn bis zur Aus-
ständig abgeblüht sind, kann man die Isolationstunnel
bildung fertiger Samen über den Pflanzen.
ganz entfernen.
!
Es empfiehlt sich, nur bis zu vier verschiedene Sorten
Isolationstunnel an abwechselnden Tagen
zu isolieren, denn je mehr Isolationstunnel zum Einsatz
Diese Methode wird nur für fremdbestäubte Sorten
kommen, umso weniger Saatgut wird man infolge
benutzt, die zeitgleich abblühen. Benötigt werden
mangelnder Insektenbefruchtung ernten.
mindestens zwei Isolationstunnel. Die zu isolierenden
!
Sorten – wenigstens je 15 bis 20 Pflanzen – werden
Isolationstunnel mit Bestäuberinsekten
kurz vor Blühbeginn unter einen Isolationstunnel ge-
Diese aufwendige Methode eignet sich, wenn man
packt. Am Morgen des
eine große Anzahl von
ersten Tages, an dem
Pflanzen vieler verschie-
eine der Sorten anfängt
dener Sorten sortenrein
aufzublühen, wird deren
erhalten will. Sie wird
Isolation für einen Tag
bei insektenbefruchte-
aufgehoben, indem man
ten Sorten eingesetzt,
einfach den Tunnel ent-
die zeitgleich abblühen.
fernt. Die Blüten können
Die zu isolierenden Sor-
nun von Insekten be-
ten werden alle kurz vor
fruchtet werden. Am
Blühbeginn und nach
Abend deckt man die
Sorte getrennt unter
Pflanzen, die jetzt teilweise befruchtet sind,
Kleiner Ausschnitt aus einer großen Samenbank
wieder mit dem Tunnel
große Isolationstunnel gepackt. Bitte etwas mehr Platz einrechnen
ab.
für die Bestäuberinsekten und eine flache Schale
Am Morgen des zweiten Tages wird von der zweiten
Wasser. Sobald eine der isolierten Sorten zu blühen
Sorte, die aufblüht, die Isolation einen Tag lang ent-
beginnt, setzt man die Bestäuberinsekten in den je-
fernt. Abends, nach der teilweisen Befruchtung, wird
weiligen Isolationstunnel ein. Sie erfüllen nun die Auf-
gabe der Befruchtung der Blüten. Da sie nur an die
und dort eingesammelt werden können. Es kann eini-
Blüten in „ihrem“ Tunnel herankommen, kommt es zu
ge Wochen dauern, bis die Scheinbienen schlüpfen.
keiner ungewollten Fremdbefruchtung, und da sie
Erdhummeln: Erdhummeln bekommt man meist im
von Blühbeginn bis zum Blühende unter dem Isolationstunnel dauernd befruchten, gibt es (im Gegensatz zur Methode "an abwechselnden Tagen") auch keine Ausfälle bei der Saatgutmenge durch mangelnde Insektenbefruchtung. Sobald die Blüten einer der isolierten Sorten abgeblüht sind, kann man deren Bestäuberinsekten freilassen. Zur Sicherheit sollte man die Isolationstunnel aber auf den jeweiligen Gemüsesorten belassen, bis die Samenbildung anfängt. Besonders wichtig beim Einsatz von Bestäuberinsekten ist eine artgerechte und der jeweiligen Insektenart angepasste Haltung in den Isolationstunneln. Es eignen sich unter anderem folgende Arten:
Gartenhandel oder per Post von diversen Nützlingsfirmen. Da sie weniger staatenfixiert sind als Honigbienen, kann man aus den königinnenlosen Hummelvölkern Hummeln herausfangen und in die Isolationstunnel einbringen. Erdhummeln gewöhnen sich rasch an die neue Situation und leisten bei den für sie geeigneten Kulturen gute Bestäubungsarbeit.
!
Es sollte allen wichtig und selbstverständlich sein, auf eine artgerechte und der jeweiligen Insektenart angepasste Haltung in den Isolationstunneln zu achten. Aus diesem Grund bitte auch auf keinen Fall Honigbienen einsetzen. Es sind soziale Lebe-
Mauerbienen: Solitärbienen, die alleine und nicht in
wesen, die in dieser Gefangenschaft keine Bestäu-
einem Volk leben. Generell eignen sich alle wildle-
bungsarbeit leisten, da sie unbedingt zu ihrem
benden Solitärbienen für die Bestäubung.
Bienenvolk zurückfliegen wollen.
Schmeißfliegen: Man bekommt sie als Maden (Köder) in vielen Anglergeschäften zu kaufen. Etwa zwei Wochen dauert es, bis sie sich bei Zimmertemperatur verpuppen und die Fliegen schlüpfen. Schmeißfliegen deshalb rechtzeitig vor Blühbeginn einkaufen! Mistbienen/Scheinbienen: Mistbienen findet man – wenig überraschend – auf Misthaufen. Die Zucht ist allerdings recht aufwendig: Die Eier dieser großen Schwebfliegenart werden in der Jauche abgelegt, während sich die Larven im Misthaufen entwickeln
!
Zeitliche Isolation Die zeitliche Isolation innerhalb eines Jahres kann insbesondere bei Sorten, die eine kurze Kulturdauer haben, angewendet werden. Durch einen gestaffelten Anbau lassen sich die verschiedenen Sorten zeitlich versetzt zur Blüte bringen. Dazu wird die erste Sorte so früh wie möglich ausgesät. Wenn sie zu blühen beginnt, kann man die zweite Sorte aussäen. Die wiederum blüht erst, wenn die erste bereits verblüht ist und schon Samen gebildet hat. Für die Sortenreinheit ist sehr wichtig, dass von der ersten Sorte keine Blüte mehr vorhanden ist, wenn die zweite ihre Blüten öffnet – das gilt übrigens auch für Nachbars Garten, in dem zum Blütezeitpunkt keine anderen Sorten dieser Art stehen dürfen. Anstatt in einem Jahr verschiedene Sorten einer Art anzubauen, kann man Pflanzen zeitlich auch über mehrere Jahre hinweg isolieren, indem man nur eine Gemüsesorte pro Art und Jahr anbaut. Da die Samenkörner über mehrere
!!
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Erdhummel, frisch geduscht vom Sommerregen.
dem die Befruchtung von Hand geschehen ist, muss die weibliche Blüte vor ungewollter Fremdbefruchtung weiterhin geschützt werden. Dazu umhüllt man die befruchtete Blüte wieder und markiert sie am besten mit einem farbigen Bindfaden. Sobald die Blüte vollständig abgeblüht ist und sich die Samenkörner entwickeln, kann man die Schutzhaube ganz entfernen. Mittels Handbefruchtung kann man gezielt die schönsten und besten Pflanzen in einem Bestand auswählen.
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Selektion Pflanzen für die Saatgutgewinnung werden Foto: Steve Schwartz
nach bestimmten Regeln, Vorstellungen, sortentypischen Merkmalen und Wünschen ausgesucht. Dazu selektiert man aus einem großen Bestand von Pflanzen einer Sorte diejenigen, die den Leitmotiven am besten entsprechen. Neben einer reinen Erhaltungsarbeit entwickelt man eine Sorte auch Jahre ihre Keimfähigkeit bewahren, kann man trotz der Beschränkung mehrere Sorten über mehrere Jahre hinweg erhalten.
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Handbestäubung Bei der mechanischen Isolation wird auch noch sehr häufig die händische Bestäubung angewandt. Diese
stetig weiter, damit sie nicht nur ihr Erscheinungsbild und ihre positiven Eigenschaften behält, sondern sich auch wechselnden Umweltbedingungen anpasst. Die Verfahren der Auslese, beziehungsweise Selektion sind traditionelle Methoden der Pflanzenzucht und seit tausenden von Jahren bewährt: Unsere Nutz-
Methode eignet sich für Gemüsearten, die von Insekten befruchtet werden, genauso wie für Windbestäuber. Im privaten Hausgarten wird das Verfahren vor allem bei einhäusigen getrenntgeschlechtlichen Blüten angewandt. Und das geht so: Die Blüten der zu vermehrenden Gemüsesorten werden einzeln oder die Pflanze im Ganzen eingepackt. Sobald die Blüten soweit sind, wird die Schutzhaube kurz abgenommen. Aufpassen, dass während dieser Zeit keine Insekten fliegen und kein starker Wind weht. Man nimmt von den männlichen Blüten reinen Pollen ab, zum Beispiel mit einem Pinsel, und trägt ihn von Hand auf die empfängliche Narbe einer weiblichen Blüte auf. Nach-
Haushaltsgegenstände eignen sich hervorragend zum Sieben und Reinigen des Saatguts.
bleibenden Pflanzen werden für die Saatgutgewinnung genutzt. Auch hier sind die ausgesuchten Pflanzen nicht alle perfekt und haben noch ein recht großes Spektrum an verschiedenen Merkmalen.
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Positivauslese Bei der Positivauslese werden nur die Pflanzen aus dem Bestand ausgesucht, welche die allerbesten sind. Die Positivauslese ermöglicht die gezielte WeiterentFoto: Steve Schwartz
wicklung einer Sorte, schränkt aber auch das Spektrum an verschiedenen Merkmalen innerhalb der Population ein.
!
Selektionskriterien: Profiholzrandsiebe
Geschmack Oft schmecken moderne Sorten nach nichts. Wer Gemüse mit Geschmack möchte, sollte die Pflanzen,
pflanzen stammen von Wildpflanzen ab und sind erst durch den Menschen und eine lange Auslese über viele Generationen hinweg zu den Kulturpflanzen, wie wir sie kennen, geworden. Bleibt die stetige Sortenbegleitung aus, verlieren sich oft all die angezüchteten Eigenschaften binnen weniger Vermehrungszyklen.
!
Erhaltende Populationsauslese Quer durch den Bestand werden einzelne Pflanzen ausgesucht, die zwar dem Sortenbild der zu vermehrenden Sorte entsprechen, die aber in ihrer Gesamtheit nicht unbedingt perfekt sind. Mit dieser Methode kann man das ganze Spektrum an Merkmalen in einer Population bewahren und hält sich alle Wege für die Zukunft offen. Eine gezielte Verbesserung oder Weiterentwicklung der Sorte ist aber nur bedingt möglich.
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Negativauslese Bei der Negativauslese werden nur die Pflanzen aus dem Bestand entfernt, die dem gewünschten Sortenbild nicht entsprechen, die kümmerlich wachsen oder krank sind. Alle ver-
die zu Samenträgern bestimmt werden, vorher kosten. Nicht jede Möhre schmeckt gleich süß, nicht jede Paprika hat den richtigen Biss und nicht jedes Salatblatt ist gleich zart. Auch Gemüse, das eingelagert wird, sollte vor dem Auspflanzen als Samenträger geschmacklich bewertet werden. Nur so kann man sicher sein, dass das, was man essen will und an der jeweiligen Sorte schätzt, nicht nur erhalten, sondern auch ausgeprägter wird.
!
Toleranz gegenüber Wetterschwankungen Trockenheit, Kälte, Regen, Wind, Schnee und Sonnenschein sind in jedem Jahr unterschiedlich. Mal ist ein Jahr nass und kalt, mal heiß und trocken und mal genau richtig. Mit jedem Anbaujahr werden die Pflan-
zen unterschiedlichen Bedingungen ausgesetzt. Pflan-
zen im Bestand einen wirklich guten Ertrag erbracht
zen, die eine große Trockenheit überstanden haben,
haben. Man sollte aber neben dem Ertrag die vielen
oder solche, die dem Frost über Winter getrotzt ha-
anderen Aspekte der Auslese nicht vernachlässigen
ben, werden in Zukunft mit diesen klimatischen Ei-
und eine regelmäßige Ernte und einen guten Frucht-
genschaften besser zurechtkommen als andere. Meist
behang nicht außer Acht lassen, um auch in schwieri-
nimmt uns die Natur die Arbeit dieser Auslese ab, da
geren Erntejahren, bei schlechtem Wetter und hohem
ja nur die Pflanzen überleben, welche die Fähigkeit
Schädlingsdruck zu guten Ergebnisse kommen zu
besitzen, mit den vorherrschenden klimatischen Ei-
können.
genschaften zurechtzukommen. Eine gezielte Weiter-
!
vermehrung wettertoleranter Pflanzen stärkt diese
Einlagerung
Eigenschaften zusätzlich.
Wer Vorratswirtschaft betreibt und Gemüse im Keller
!
und in Erdmieten einlagern will, muss auf gute Lager-
Toleranz gegenüber Krankheiten und Schädlingen
eigenschaften seiner Ernte achten. Die Kürbisse im
Selektiert man Pflanzen aus dem Bestand aus, die
Lager, die am längsten essbar sind, die Zwiebeln, die
nicht oder nur sehr wenig erkrankt sind, baut man
als letzte austreiben, die Knollen, die am längsten
eine natürliche Barriere gegenüber Krankheiten und
gesund, und die Möhren, die am längsten zart und
Schädlingen auf. Zwar wird man sie in der Natur nie
genussvoll bleiben, sind diejenigen, die für die Ausle-
ganz loswerden, aber die Auswahl hilft, es den unge-
se auf eine gute Einlagerung in Frage kommen.
betenen Gästen schwerer zu machen, unsere Nutz-
!
pflanzen so zu schädigen, dass sie eingehen oder un-
Neben diesen allgemeinen Auslesekriterien gibt es
brauchbar werden.
eine Reihe anderer Aspekte, auf die man bei der
!
Auswahl der geeigneten Samenträger achten kann.
Frühzeitigkeit und Spätreife
Dazu gehören die richtige Färbung von Wurzeln,
Die Auslese auf Frühzeitigkeit bringt Pflanzen hervor,
Früchten und Blüten, Wuchsfreudigkeit, Standfestig-
die früher im Jahr als andere Pflanzen dieser Art Er-
keit und Schossfestigkeit, Platzfestigkeit, zarte Frucht-
trag erzielen. Besonders bei Gemüse, das aus klima-
haut, keine oder wenig Bitterstoffe, Blattform und
tisch anderen Gegenden stammt, kann es vorteilhaft
Blattfarbe sowie Knollengemüse, das weder holzig
sein, auf Frühzeitigkeit hin auszulesen, damit trotz un-
noch schwammig ist und keine Hohlräume aufweist.
serer kurzen Vegetationsperiode ausreichend Ertrag
!
erzielt werden kann. Pflanzen, die auf Spätreife hin
Material für die Saatgutgewinnung
selektiert werden, sollen noch Früchte und Ertrag
•
Messer
bringen, wenn andere schon längst fertig sind.
•
Löffel
Mit Frühzeitigkeit und Spätreife kann die Ernte über
•
Kübel
einen längeren Zeitraum ausgedehnt werden, was
•
Siebe
auch deren Bewältigung beim Frischverzehr und der
•
Holzrandsiebe
Haltbarmachung erleichtert.
•
Schüsseln
•
Vlies oder Gaze
Ertrag und Fruchtbehang
•
Bestäuberinsekten
Sicherlich ist ein großer Ertrag mit vielen Früchten
•
Föhn oder Ventilator
ganz im Sinne des Anbauers: Die größten Tomaten,
•
Matratze oder dicke Decke
der schwerste Kürbis, die dicksten Kartoffeln. Um den
•
Abfülltrichter
Ertrag quantitativ zu erfassen, muss insbesondere bei
•
Papiersäcke
Fruchtgemüse von jeder Pflanze einzeln die gesamte
•
Dreschflegel (z.B. ein alter Spatenstiel)
Saison hindurch abgeerntet, gewogen und gezählt
•
Planen zum Unterlegen
werden. Nur so lässt sich ermitteln, welche der Pflan-
•
Aufbewahrungsbehälter
!
•
Stift und Etiketten
4. Schritt:
•
Waage
Das auszudreschende Material muss gut aufgelockert
•
Luftdichte Kisten
sein, damit die ausgefallenen Samenkörner keinen
•
Siebtisch mit Rand
Schaden nehmen. Den Baumwollsack vor und wäh-
•
Kaffeefilter
rend des Dreschens immer wieder aufschütteln.
•
Ort zum Trocknen und Lagern
! !
!
Saatgutgewinnung am Beispiel Bohne Die Samenkörner zahlreicher Gemüsearten, wie zum Beispiel Erbsen, Bohnen, Kohlarten, Hirse und Spinat, sind von Hülsen oder Schoten umgeben. Um an das Foto: Steve Schwartz
Saatgut zu kommen, müssen diese ausgedroschen werden.
!
5. Schritt: Die Hülsen oder Schoten werden nun mit einem Dreschflegel – ein alter Spatenstiel eignet sich hierfür Foto: Steve Schwartz
hervorragend – behutsam gedroschen. Die Samenkörner können auch vorsichtig mit den Füßen ausgetreten werden. Besonders bei großkörnigen Samenkörnern ist zartes Vorgehen oberstes Gebot.
!
6. Schritt:
1. Schritt:
Immer mal wieder in den Baumwollsack gucken und
Hülsen und Schoten gut trocknen.
!
prüfen, ob die Samenkörner optimal ausfallen: Drischt man zu sanft, lösen sie sich nicht; drischt man zu hart,
2. Schritt:
werden sie beschädigt. Sind beim Prüfblick schon vie-
Die getrockneten Hülsen/Schoten auf einem Leintuch
le ausgefallene Samen zu sehen, sollte man diese
ausbreiten oder in einen Baumwollsack einfüllen.
entnehmen, bevor man weiter drischt.
Wichtig ist, eine Sorte nach der anderen zu dreschen, damit die einzelnen Sorten sich nicht miteinander vermischen.
!
3. Schritt: Tuch oder Sack gut verschließen, damit beim Dreleicht federnden Unterlage dreschen. Hierfür eignen sich dicke Decken oder Matratzen. Auf einer harten Unterlage können die Samenkörner beim Dreschen erheblichen Schaden nehmen.
!
Foto: Steve Schwartz
schen kein Saatgut herausfällt. Nur auf einer weichen,
7. Schritt: Sind alle Hülsen oder Schoten aufgegangen und alle Samenkörner ausgefallen, wird mit deren Reinigung begonnen. Dazu werden Holzrandsiebe mit unterschiedlichen Maschenweiten und größere Behälter,
Fotos: Steve Schwartz
zum Beispiel Eimer oder Kübel gebraucht.
den Behälter fallen. Dieser sollte einen größeren Durchmesser als das verwendete Sieb haben, damit nichts daneben geht. So lange sieben, bis im Sieb nur noch leere Hülsen liegen, die dann weggeworfen werden können.
!
8. Schritt:
!
Das ausgesiebte Saatgut mit dem Staub und den Hül-
Ein grobmaschiges Sieb, durch dessen Maschen die
senresten aus dem Eimer in eine flache Schale umfül-
Samenkörner gerade noch durchfallen, auf den Behäl-
len. Durch leichtes Hin- und Herrütteln werden Saat-
ter stellen. Das ausgedroschene Material (Saatgut und leere Hülsen) aus dem Baumwollsack in das Sieb schütten. Mit diesem Sieb wird bereits ein Großteil an Staub, Schmutz und leeren Hülsen aussortiert. Das Volumen des Materials wird nach dem ersten Reinigungsschritt deutlich abgenommen haben, was das weitere Säubern des Saatgutes erleichtert.
Fotos: Steve Schwartz
!
Das Holzrandsieb hin und her schütteln oder kreisförmig bewegen, damit das Saatgut und, bei der ersten Reinigungsstufe, Staub und kleine Hülsenstückchen in
lichen Gewichts voneinander getrennt.
!
9. Schritt: Die nun oben aufliegenden Hülsenreste mit den Fin-
Foto: Steve Schwartz
gut und Verunreinigungen aufgrund des unterschied-
gern herauslesen. Dabei aufpassen, dass man keine Samenkörner erwischt.
!
10. Schritt: Nachdem der meiste grobe Dreck händisch entfernt wurde, bleiben Saatgut, feiner Staub und vereinzelte Hülsenreste übrig. Diese Mischung flach in der Schale verteilen.
!
11. Schritt: Die Schale auf einen Siebtisch mit Rand stellen. Eine über dem Tisch ausgebreitete Plastikfolie oder ein großes Laken kann hilfreich sein, um später einzelne Samenkörner leichter wiederzufinden. Mit einem Haarfön (Kaltluft) oder kleinen Ventilator den feinen Staub und die restlichen Dreckteile aus der Schale blasen. Die schwereren Samenkörner bleiben in der
auf allen Vieren den Boden absuchen und kleinere
Schale liegen. Während des Ausblasens kann sanftes
Körner wären ganz verloren.
Schütteln der Schale den Vorgang erleichtern. Zu Beginn, bis man ein Gefühl für die Schwere der
!
12. Schritt:
Samenkörner hat, nur schwach pusten, damit das
Vor dem Einlagern sollte man das Saatgut noch ein-
Saatgut nicht doch mit aus der Schale geblasen wird.
mal auf kranke, beschädigte oder sonstige abnorme
Sollte dies dennoch einmal passieren, lässt es sich
Körner hin prüfen und diese aussortieren. In der fla-
vom Siebtisch mit Rand wieder problemlos einsam-
chen Schale geht dies sehr schnell von Hand. An-
meln. Bei einem normalen Tisch müsste man mühsam
schließend alle benutzten Geräte ausreichend reinigen, bevor eine andere Sorte gedroschen wird, damit es nicht zu ungewollten Vermischungen von Saatgut kommt.
! !
Besonders wichtig ist, bei allen anfallenden Arbeiten darauf zu achten, dass die gerade zu behandelnde Foto: Steve Schwartz
Saatgutpartie stets ausreichend gekennzeichnet ist. Lieber doppelt beschriften, als später nicht zu wissen, um welche Sorte es sich handelt.