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Zusammenstellung 3.08.2016

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Arbeitsgemeinschaft bäuerliche Landwirtschaft (AbL) Landesverband Niedersachsen/Bremen e.V. – Pressesprecher: Eckehard Niemann, Varendorfer Str. 24, 29553 Bienenbüttel 0151-11201634 – [email protected] Newsletter „Agrar-Hinweise“ – 03.08.2016 Rechtsextremismus im Dorf Über rechtsextreme Einstellungen auch im ländlichen Raum berichtete kürzlich das Landwirtschaftliche Wochenblatt Westfalen-Lippe (18/2016) und listete dabei zahlreiche Straftaten gegen Asylheime auf. „Im Moment können wir noch von Glück reden, dass noch niemand umgekommen ist“, so Heiko Klare von der Mobilen Beratung im Regierungsbezirk Münster gegen Rechtsextremismus und für Demokratie (mobim). Als gut beobachtet bewertet er die NPD, die Partei „Die Rechte“ und die sogenannte „Bürgerbewegung ProNRW“ – daneben gebe es aber andere Gruppierungen wie die in Kleingruppen organisierten und gewaltbereiten „Autonomen Nationalisten“, die viel schwerer zu beobachten seien. Laut mobim gibt dabei es in Dörfern besondere Gegebenheiten, das Dorf als geschlossenes System könne Fluch und Segen zugleich sein. Hier kenne jeder jeden. Komme es zu rechten taten einzelner, könnten sich oft alle denken, wer es wahrscheinlich gewesen sei. Aber anstatt es an die große Glocke zu hängen, wolle man dies als Angelegenheiten des Dorfes intern regeln. „Das kann einerseits hilfreich sein, weil ein intaktes Umfeld sehr wohl positiven Einfluss auf Einzelne nehmen kann. Andererseits erhöht das Nicht-an-die-große-Glocke-hängen auch die Gefahr der Verharmlosung nach dem Motto: Den kenne ich schon lange, das meint der nicht so.“ Trotzdem: Präventionsarbeit, viele ehrenamtliche Helfer und gesellschaftliches Engagement gegen „Rechts“ böten Neonazis bisher die Stirn. Dieses „Gegenhalten“ sei nicht nur bei Gegendemonstrationen nötig, sondern auch im „Kleinen“- etwa schon in Diskussionen am Küchen- oder Stammtisch. Fazit der Artikel-Autorin Eva Piepenbrock: „Probleme benennen und Kritik äußern: Ja. Rassistische Parolen und Stimmungsmache abnicken: Nein!“ Anti-TTIP-Koalition in den Niederlanden In den Niederlanden hat sich eine breite Koalition gegen das Freihandelsabkommen TTIP gebildet: Mitglieder sind der Schweinehalterverband NVV , der Geflügelhalterverband NVP, der Milchviehhalterverband DDB, die Bioverbände Biologisch-Dynamische-Vereinigung und Bionext, die Umweltorganisation Milieudefensie und die Abteilung „Agrarisch Groen“ des niederländischen Gewerkschaftsbunds FNV. TTIP auch in USA unbeliebt Das dlz agrarmagazin berichtet in seiner Juni-Ausgabe über die Meinung der USAmerikaner über das geplante TTIP-Freihandelsabkommen mit der EU: Nur noch 15% seien explizit dafür (2014 noch mehr als 50%). Agrar-Oligarchen Über den großflächigen und beziehungs-begünstigten Einstieg russischer Oligarchen in die russische Landwirtschaft, der seit den westlichen Sanktionen lukrativ geworden ist, berichtet die WELT vom 2.6.2016. Der Aufbau von riesigen Tierfabriken durch gemeinsame Projekte russischer Firmen mit ausländischen Konzernen wie Tönnies ist in diesem Artikel allerdings nicht mit berücksichtigt. Links: http://www.welt.de/print/welt_kompakt/print_wirtschaft/article155889829/Ab-auf-dieFelder-ihr-Oligarchen.html http://www.nw.de/nachrichten/wirtschaft/9329288_Toennies-zuechtet-inRussland.html Schweinefabriken in China Die Zeitung „dlz primus Schwein“ stellt in ihrer August-Ausgabe im Artikel „China holt auf“ eine 5.000-Sauen-Anlage in der Nähe der Stadt Chaoyang vor, die der chinesische Wens-Konzern gemeinsam mit niederländischen Experten plant. Der Wens-Konzern, „einer der größten Schweineerzeuger Chinas“, hält demnach bereits jetzt 600.000 Sauen und verkauft pro Jahr 15 Millionen Mastschweine. Dem Konzern gehören auch Geflügelmastställe und Futtermühlen. Bereits 2011 berichtete der Infodienst german.china.org.cn über ein 1,1-Milliarden-Euro-Joint-Venture des chinesischen Lebensmittelkonzerns COFCO mit 3 japanischen Unternehmen (Mitsubishi, Itoham, Yonekyu) für Geflügelbetriebe und Farmen mit 3 Millionen Schweinen. COFCO habe 30 bis 40 Millionen Schweine als Ziel. Der damals größte chinesische Schweinehalter (Guangdong Wens Foodstuff Group) verfüge über 5 bis 6 Millionen Schweine. Bislang machten vor allem kleine und mittelgroße Produzenten den Großteil des Marktes aus. Der COFCO-Konkurrent und Fleischkonzern Shuanghui habe sich noch nicht von einem Clenbuterol-Skandal erholt. Der Infodienst erwähnte schon damals auch den Einstieg ausländischer Firmen in den chinesischen Schweinesektor: so Investitionen von 300 Millionen US-Dollar der USInvestmentbank Goldman Sachs (2008) und den Erwerb eines 30-Prozent-Anteils der Deutschen Bank für 60 Millionen US-Dollar an einer Schweinefarm in Shanghai (2011). Link: http://blog.zeit.de/china/2014/04/11/china-erobert-den-weltschweinefleischmarkt/ Chinesisches Rebellen-Dorf Der STERN berichtet in seiner Ausgabe vom 21.7.2016 über „15.000 Rebellen“ im chinesischen Dorf Wukan, wo seit Mitte Juni Tausende Menschen demonstrieren – trotz gepanzerter Einsatzkräfte der Regierung. Die Dorfbewohner hatten sich vor 5 Jahren erfolgreich unter dem Motto „Gebt uns unser Land zurück!“ gegen den damaligen Dorfchef erhoben, der ein Großteil der Felder an einen Immobilienkonzern verkauft hatte, ohne den Bauern Entschädigungen zu zahlen. Etwa 3 Millionen Bauern, so der STERN, verlieren so jedes Jahr ihr Land. Nach der damaligen Besetzung von Regierungsgebäuden reagierten die Behörden zunächst mit Verhaftungen und Folter, bis die Provinzregierung 2012 überraschend die erste demokratische Dorfregierung Chinas zuließ. Danach wurde die Arbeit der neuen Dorfregierung von den Behörden aber immer wieder sabotiert - jetzt wurde der neue Dorfchef verhaftet. DER STERN-Artikel bringt dies in Zusammenhang mit der Machtübernahme des Staats- und Parteichefs Xi Jinping und dessen Abbau von Demokratie. Dorfchef Lin in einem Interview mit einem Hongkonger Fernsehsender: „Ich kämpfe, um zu gewinnen oder zu sterben.“ Saudi-Arabische Rinderfarmen In einem Artikel „Wasserknappheit begrenzt die Produktion“ über die Landwirtschaft in Saudi-Arabien berichtet die AgrarZeitung (22.7.2016) über die Investitionen der Regierung in landwirtschaftliche Flächen in anderen Ländern (Türkei, Tansania, Pakistan, Sudan) und über den subventionierten Aufbau riesiger Rinderfarmen: so der Al-Safi-Farm mit 32.000 Milchkühen und des Almarai-Molkereikonzerns mit 75.000 Kühen in 7 Farmen. Weitere Hinweise auf Mega-Milchfarmen unter dem Link: http://www.kritischer-agrarbericht.de/fileadmin/Daten-KAB/KAB2015/KAB2015_35_41_Ilchmann.pdf Neoliberaler Agrarökonom im Landrats-Wahlkampf Der Göttinger Agrarökonom Ludwig Theuvsen tritt für die Göttinger CDU als Landratskandidat an. Auf seiner Internetseite berichtet er von einem Wahlkampfbesuch auf einem Bauernhof, der 2014 in seinen Milchviehbereich investiert hatte und der „aufgrund des aktuellen Preises von 21 Cent pro Liter unter Druck“ stehe, weil die Kalkulationsgrundlage bei 28 Cent lag. Theuvsen betont, die deutschen Bauern hätten „keine Schuld an der Schieflage – eher der Weltmarkt mit seiner Überproduktion und verschlossenen Märkten“. Theuvsen bat einen mit angereisten Bundestagsabgeordneten, sich in Berlin für eine Liquiditätshilfe einzusetzen Zum Hintergrund: In der Zeitschrift „Molkerei-Industrie“ betonte Theuvsen 2013 anlässlich der absehbaren Beendigung der mengenregulierenden Milchquote, die agrarökonomische Forschung sei sich einig: “Es gibt kein Indiz dafür, dass es zu sprunghaften Angebotserweiterungen oder dramatischen Preiseffekten kommen wird.“ 2015 sprach sich Theuvsen vor dem EU-Parlament gegen mengenbegrenzende Maßnahmen aus: Nach Ansicht von Theuvsen dürften Preisschwankungen nicht als Argument für eine protektionistische Milchpolitik herangezogen werden. Vielmehr gehe es darum, das einzelbetriebliche Risikomanagement zu stärken. Von einem Freihandelsabkommen mit den USA versprach sich Theuvsen mehr Chancen als Risiken (top agrar 27.12.2013 und 4.2.2015). Für diesen „marktorientierten Ansatz“ und seinen Beitrag zur Verhinderung eines „planwirtschaftlichen Systems“ wurde Theuvsen denn auch vom Milchindustrie-Verband mit dem MilchWissenschaftlichen Innovationspreis 2014 geehrt (top agrar, 17.11.2014). Jüngst kritisierte Prof. Theuvsen gemeinsam mit anderen neoliberalen Agrarökonomen Überlegungen, einen Zusammenschluss der Anbieter auf dem Markt zur Durchsetzung höherer Preise zu schaffen, als „wettbewerbspolitisch problematisch und wettbewerbsrechtlich unzulässig“. Die „marktwirtschaftliche Anpassung“ werde zu einem Ausscheiden der am wenigsten wettbewerbsfähigen Betriebe aus der Milcherzeugung führen. Es gebe aber Milcherzeuger, die in der Lage seien, sehr kostengünstig zu produzieren und die an einer Produktionsdrosselung kein Interesse hätten. Problematisch allerdings sei die Situation für Betriebe, die in Erwartung hoher Milchpreise fremdfinanzierte Investitionen getätigt hätten und nun Kredite bedienen müssten. Hier müssten Landwirte und Banken gemeinsam nach Wegen suchen, finanzielle Engpässe zu überbrücken. An einer Insolvenz der Betriebe können jedoch auch die Banken kein Interesse haben, da eine Verwertung der Vermögensgegenstände oft schwierig und langwierig sei (Elite, 13.6.2016). Kartellamts-Präsident Mundt für eine wirksame Mengensteuerung http://www.topagrar.com/news/Rind-Rindernews-Mundt-Milchmarkt-braucht-einewirksame-Mengensteuerung-4077261.html Nach Einschätzung vom Präsidenten des Bundeskartellamtes, Andreas Mundt, wird der Milchmarkt auch künftig ohne eine wirksame Mengensteuerung nicht wettbewerblich funktionieren. Nach dem Auslaufen der Milchquote wäre eigentlich der Markt gefordert, erklärte Mundt im Interview mit AGRA-EUROPE. Aber die Mengensteuerung durch den Markt könne nur dann wirken, wenn die Vertragsbedingungen dies erlaubten. Dies solle unter anderem Gegenstand des begonnenen Pilotverfahrens zur Überprüfung der Lieferbedingungen zwischen Molkereien und Landwirten sein, erläuterte der Kartellamtspräsident. Er räumte ein, dass allein dadurch sicherlich Milchpreiskrisen nicht zuverlässig vermieden werden könnten, und lenkte den Blick in Richtung Politik. Darüber, wie viele Notfallmaßnahmen der liberalisierte Milchmarkt noch brauche, müsse die Agrarpolitik entscheiden. (…) Molkerei-„Solidarität“ Bei der Vertreter-Generalversammlung der Großmolkerei „Uelzena“ bezeichnete deren Hauptgeschäftsführer Witt das Ergebnis 2015 des genossenschaftlichen Unternehmens (also in einem für Milchbauern defizitären Jahr) mit einem halbierten Gewinn als „zufriedenstellend“. Der Vorsitzende des Aufsichtsrats, Frank Schuppert, sprach laut Elbe-Jeetzel-Zeitung (4.7.2016) von einem „Tal der Tränen“ und den in Aussicht gestellten staatlichen Hilfszahlungen: Die sollten seiner Meinung nach nicht an „schwache Betriebe“ gehen. „Denen hilft es nichts, wenn sie zwei Monate lang Hilfen bekommen“… Wortmeldungen zu dieser Äußerung, so die Elbe-JeetzelZeitung, gab es von den Vertretern der Landwirte in den hinteren Rängen der Versammlung nicht… Gegen den (Milchüberschuss-) Strom Nach einem gemeinsamen Milchabend der beiden Kreislandvolkverbände Friesland und Wesermarsch in Rodenkirchen stimmten nach ausführlicher Diskussion 62% der Milcherzeuger für folgende Forderung: „In Krisenzeiten eine EU-weite, gesetzlich festgelegte, zeitlich begrenzte Mengenreduzierung um 5–10% ohne finanziellen Ausgleich als sogenannte Branchenlösung“. Die Vertreter der Kreisverbände des „Landvolkverbands“ (niedersächsischer Landesbauernverband des Deutschen Bauernverbands) stellten sich mit diesem Votum sehr deutlich gegen die von der Bauernverbandsspitze vertretene Milchpolitik, die auf „Markt“, Export und Liquiditätshilfen zielt. –en „Ein weites Feld“ In dem Artikel „Ein weites Feld“ behandelt die Wirtschaftswoche (31/2016) den preissteigernden Erwerb von Ackerland als Anlageobjekt. Ein Vermögensverwalter: „Agrarland ist für mich eine Versicherung gegen Verluste an der Börse, so wie Gold.“ Als börsennotierte Agrarlandbesitzer werden aufgeführt: Cosan/Brasilien mit den Schwerpunkten Zucker und Ethanol mit 280.000 Hektar, Adecoagro/Luxemburg mit Ackerbau und Viehzucht in Südamerika und 270.000 Hektar, Australian Agriculture/Australien mit Viehzucht in Australien und 7 Millionen Hektar, Cresud/Argentinien mit Viehzucht, Getreide und Immobilien und 129.000 Hektar sowie American Farmland/USA mit US-Farmland und bisher 7.400 Hektar. Botulismus durch Hühnerkot Laut niederländischem Infodienst Agriholland (26.7.2016) beruht eine große Zahl von Botulismus-Fällen in Nordirland sehr wahrscheinlich auf dem Ausbringen von Geflügelmist auf landwirtschaftlichen Flächen. Im Jahr 2014 seien dies 46 Fälle gewesen, in den ersten 9 Monaten des Jahres 2015 schon 60 Fälle. Botulismus bei Rindern und Schafen wird verursacht durch das Bakterium Clostridium botulinum, das in den Karkassen (Gerippe-Resten) toter Hühner/Hähnchen vorkommen kann und das sich in verrottendem organischem Material stark vermehrt. Holländische Gülle nach Polen? Laut niederländischem Infodienst Agriholland (18.7.2016) haben niederländische Vertreter von Bauernverband sowie Dünger-Verwertern bei einem Besuch in Polen geprüft, inwieweit überschüssiger Gülle-, Mist- und Trockenkot aus den Niederlanden auf polnischen Ackerbauflächen ausgebracht werden könnte. „… in der Seele weh“ Raiffeisen-Präsident Manfred Nüssel tut es „in der Seele weh“, wenn (sogenannte) Agrargenossenschaften „zum Ziel von Anlegeraktivitäten werden könnten und dazu dienen, reiche Leute noch reicher zu machen“ (Interview in der BauernZeitung 23/16). Es bleibt offen, ob sich dieses Bereicherungs-Beklagen auf jene Inhaber der LPG-Nachfolge-Betriebe bezieht, die sich nach der Einheit die Mehrheit in den LPGNachfolgebetrieben aneigneten und verbilligt Staatslandkaufen konnten und die ihre Anteile jetzt verkaufen – oder auf die agrarindustriellen Übernehmer dieser Anteile. Nüssel, dessen Raiffeisenverband insgesamt 750 dieser zumeist agrarindustriellen LPG-Nachfolger politisch vertritt, behauptete in diesem Interview, diese InvestorenÜbernahmen seien „zahlenmäßig keine große Nummer“. Demgegenüber ergab eine Studie des Thünen-Instituts (http://literatur.vti.bund.de/digbib_extern/dn052170.pdf ), dass 38% der untersuchten ostdeutschen Agrarunternehmen bereits im Eigentum von Investoren seien und dass generell die Konzentration des Kapitals auf wenige Gesellschafter zunehme. Zu ähnlichen Ergebnissen kommt auch der Greifswalder Geographie-Professor Helmut Klüter in seiner aktuellen Studie im Auftrag der Grünen über die „Landwirtschaft Mecklenburg-Vorpommerns im Bundesländervergleich“ (siehe: http://gruene-fraktion-mv.de/startseite/). Siehe auch: http://pdf.zeit.de/wirtschaft/2013-08/osten-spekulanten-landwirtschaft.pdf Niederländisches Plädoyer für Familienbetriebe Der in der niederländischen Regierung für Landwirtschaft zuständige Staatssekretär Martijn van Dam sieht in dem kleinteiligen Betriebsmodell von Familienbetrieben in der Landwirtschaft enorme ökonomische und soziale Vorteile gegenüber den Großstrukturen in anderen Teilen der Welt. Diese Kleinteiligkeit sei verbunden mit hoher Produktivität und Innovationskraft. Allerdings müssten Regelungen dafür getroffen werden, dass zugunsten der Familienbetriebe eine fairere Verteilung der Margen in der Lebensmittelkette erfolge – deshalb müsse die Marktstellung der Bauern gegenüber den Abnehmern ihrer Produkte gestärkt werden (nach Infodienst Boerderij vom 26.5.2016). Tierplatz-Obergrenzen in den Niederlanden? Der niederländische Agrar-Staatssekretär van Dam sprach sich für Instrumente der niederländischen Provinzen aus, um die Anzahl der Tiere zu begrenzen, wenn dies für die Erhaltung der Lebensqualität und der Gesundheit der Anwohner erforderlich sei. In dem Bericht „Veehouderij en Gezondheid Omwonenden“ waren mögliche Verbindungen zwischen dem Wohnen in der Nähe von Intensivtierhaltungen und der Gesundheit von Anwohnern thematisiert worden. Die Luftqualität in der Nähe solcher Ställe müsse verbessert werden (nach Agriholland vom 8.7.2016). Getrennte Wege Die BauernZeitung (26/2016) berichtet, dass der Bauernbund Brandenburg die Dachorganisation Deutscher Bauernbund (DBB) zum 31.12.2016 verlassen will. Der brandenburgische Landesverband gebe als Grund dafür agrarpolitische Divergenzen an. Der DBB-Präsident Klamroth sieht demnach den Grund darin, der der DBB kategorisch ein bundesweites Engagement ablehne. Bislang agiert der DBB nur in ostdeutschen Bundesländern als Vertretung privater Bauernhöfe - im Gegensatz zu den von LPG-Nachfolgebetrieben dominierten Landesbauernverbänden des Deutschen Bauernverbands. Weiblicherer Bauernverband gefordert Der Deutsche Bauernverband (DBV) muss weiblicher werden – so der Appell der Rechtsanwältin Mechtild Düsing in einem Leserbrief der top-agrar-Augustausgabe. Kein Verband könne sich das Festhalten an rein männlichen Strukturen noch erlauben – das rein männliche Präsidium sei ein Grund für den schlechten Ruf des Bauernverbands. Bauernopfer für Pleite-Airbus Als „langsamen Tod eines Prestigeobjekts“ beschreibt „Die Presse“ (14.7.2016) den drastischen Rückgang der Produktion des Airbus A380, des größten Passagierflugzeugs der Welt. Der deutsch-französische EADS- Konzern hatte es im Konkurrenzkampf mit Boeing entwickelt. Aus der ursprünglich erhofften Auslieferung von 1.200 Stück binnen zweier Jahrzehnte wurde laut „Die Presse“ nichts, weil die Weltluftfahrt weniger wuchs und weil die Fluggesellschaften auf kleinere und flexibler einsetzbare Flugzeuge setzte, die mehr Kerosin sparten. Der Riesenvogel dürfte sich demnach für Airbus kaum rechnen. Die Entwicklungskosten seien mit zwölf Mrd. Euro (kolportiert werden bis zu 28 Mrd. Euro) höher als geplant: „Gerechnet hatte man mit 10,7 Mrd. Euro. 2006 und 2007 schrieben EADS und Airbus schließlich Milliardenverluste, auch eine Folge zahlreicher Produktionsverzögerungen. Einige Manager versuchten das Ruder herumzureißen. Zunächst vergeblich. Airbus-Chef Enders setzte dem Treiben schließlich ein Ende und ein Sparprogramm auf, das den Abbau von 10.000 Arbeitsplätzen vorsah.“ - Genau für die Auslieferung dieses Airbus 380 hatte die Stadt Hamburg seinerzeit mit massivem politischem und medialem Druck die Startbahn des Airbus-Werks in das Obstbaugebiet hinein verlängert – gegen den heftigen Widerstand der Bewohner des Ortes Neuenfelde und der Obstbauern im Alten Land... Zucht-Kritik Die Bundestierärztekammer forderte bei ihrer Delegiertenversammlung vom Gesetzgeber, erblich bedingte Krankheitsrisiken zu bestimmen und für die Zucht Tierschutz-Indikatoren zu benennen. Die Leistungszucht dürfe nicht danach ausgerichtet sein, den Erfolg weniger Betriebe mit leistungsstarken Tieren zu erhöhen. Eine Fehlentwicklung nannten die Tierärzte eine zu geringe Zitzenzahl im Verhältnis zur Zahl geborener Ferkel. Vertragsmast bei Schweinen?! Angesichts der langandauernden Überproduktionskrise bei Schweinen und der dadurch verursachten ruinösen Erzeugerpreise wird in der Schweinebranche über Vertragsmast (ähnlich wie in der Geflügelbranche) diskutiert. Deren Befürworter erwarten davon – trotz Abhängigkeit von wenigen Schlachtkonzernen – die Vernetzung der gesamten Fleischkette vom Ferkelerzeuger bis zum Verarbeiter und außerdem eine gewisse Mengenregulation durch die Schlachtkonzerne. Als Vorreiter dieser „vertikalen Integration“ wird der Tönnies-Fleischkonzern genannt, der bereits einen eigenen Viehhandel aufgebaut hat. Laut Fachzeitung „sus“ hat Tönnies bereits „eine nicht unerhebliche Zahl an Mästern“ vertraglich gebunden. In der aktuellen Ausgabe von top agrar dementiert Tönnies, dass er an solchen Strukturen interessiert sei. Versteckte Lohnmast ist laut Brancheninsidern in den IntensivTierhaltungs-Regionen schon weit verbreitet – die Ställe gehörten zu etwa einem Drittel bereits Futtermittel-Lieferanten, Tierärzten oder Banken. Auch in Spanien hat die Lohnmast einen großen Anteil an der Schweinehaltung, in Belgien stieg laut sus in der aktuellen Krise der Lohnmastanteil von 50% auf 70%. Türkische Bauern unter dem Druck von Importen, Agrarindustrie und Bürgerkrieg AbL fordert mehr Beachtung gesellschaftlicher, wirtschaftlicher und landwirtschaftlicher Entwicklungen in der Türkei Angesichts der aktuellen Berichterstattung über die Vorgänge in der Türkei und wegen der großen Bedeutung dieses Landes für die Zukunft in Europa und im Nahen bzw. Mittleren Osten hat die Arbeitsgemeinschaft bäuerliche Landwirtschaft (AbL) hiesige Medien und Politiker aufgefordert, den gesellschaftlichen und wirtschaftlichen Hintergründen und Entwicklungen in der Türkei noch mehr Beachtung zu schenken. Nur dadurch , so der AbL-Landesverband Niedersachsen/Bremen, könne man nachvollziehen, weshalb Erdogans AKP bislang eine so große Unterstützung genieße und wo wesentliche Punkte für die weitere Entwicklung der Türkei, der deutsch-türkischen Beziehungen und einer Demokratisierung lägen. Die AbL, die Bauern in anderen Ländern nicht als Konkurrenten sondern als Berufskollegen betrachte, betonte hierbei die besondere Bedeutung der türkischen Bäuerinnen und Bauern, die 25% der Bevölkerung und der Wähler ausmachten. Die Landwirtschaft der Türkei, immerhin der weltweit siebtgrößte Agrarproduzent (mit Schwerpunkten bei Getreide, Zucker, Milch, Tabak, Nüssen, Trockenobst, Zitrusfrüchten , Baumwolle und Oliven) und Exporteur von Agrarprodukten nach Osteuropa, Nahost (Irak) und Nordafrika, sei geprägt von kleinbäuerlichen Betrieben. Viele davon, so die AbL mit Verweis auf Medienberichte, seien mittlerweile hochverschuldet und fühlten sich von Erdogans Regierungspartei AKP im Stich gelassen. Die Landflucht nehme zu, die in die Städte abgewanderten Ex-Bauern machten dort einen Großteil der Arbeitslosen aus. Dies sei auch eine Folge des Vordringens agrarindustrieller Groß-Strukturen, unter anderem veranlasst durch die frühere Einflussnahme des Internationalen Währungsfonds (IWF) - mit Privatisierungen von Staatsbetrieben und mit Subventionsstreichungen einerseits und verstärkten Billigimporten von Fleisch,. Lebendvieh und anderen Agrarprodukten andererseits. Diese Importe und damit die Abhängigkeit der inflationsanfälligen Lira vom Wechselkurs ausländischer Währungen, so die Analyse des Deutsch-Türkischen Journals, führten zu heftigen Preisschwankungen. Der Fleischimport schade den bäuerlichen Betrieben zusätzlich, weil die Importe über das staatliche Fleisch- und Milchunternehmen ETK liefen, das – im Gegensatz zu privaten Importeuren - keine Zölle abführen müsse: „Nur Industrielle und die ETK profitieren von alldem. Sie sagen, dass sie auch kleine Geschäftsleute unterstützen wollen, aber das tun sie nicht“, so wird Fazlı Yalçındağ, Vorsitzender des türkischen Fleischerverbands TKF, zitiert. Einem jüngsten Regierungsbeschluss zufolge ist bis Ende 2016 der Import von 570.000 lebenden Tieren geplant, staatseigene Betriebe sollen steuerfrei 400.000 Rinder zur Schlachtung, 150.000 zu Zuchtzwecken sowie 20.000 Schafe und Ziegen einführen. Die Verdrängung bäuerlicher Strukturen wurde auch beschleunigt durch ein Kreditprogramm der Türkischen Landwirtschaftlichen Bank, die im Jahre 2010 Milchproduzenten und Rinderhaltern langfristige Darlehen zu einem Zinssatz von null Prozent anbot, wodurch große Milcherzeugungs- und Verarbeitungsbetriebe entstanden. Ein Großteil der Milch wird zu Weltmarktpreisen als UHT-Milch nach Europa, in die USA und in den Mittleren Osten exportiert, sofern diese Märkte (wie im Fall Irak) nicht wegfielen. Unter dem Einfluss der geförderten Milchüberschüsse, so die Fachzeitung Schweizer Bauer, verfielen die türkischen Erzeugerpreise. Laut den Deutsch-Türkischen Nachrichten lag der türkische Milch-Erzeugerpreis im Mai bei umgerechnet 22 Cent. Die bestehenden Agrarsubventionen hat die Regierung kürzlich noch einmal erhöht, ohne dass dies die drastischen Preissteigerungen bei importiertem Diesel, Düngemitteln und Futtermitteln ausgleichen konnte. Das Regierung lockt auf der Internetseite „Invest in Turkey“ gezielt Investoren aus der Agrarindustrie an, mit Inhalten wie folgt: „Traditionell dominieren unverpackte, handgemachte Produkte den türkischen Milchproduktemarkt, das heißt, Investoren, die die Türkei und die Region mit einem Massenvertrieb erreichen möchten, steht ein riesiges Potenzial offen. Und dies beschränkt sich nicht nur auf Milchprodukte. Die Türkei möchte sich als bevorzugter Standort für regionale Zentralen und als Lieferzentrum für führende Global Player im Landwirtschaftssektor etablieren. Zur Stärkung von Investitionen im Sektor bietet das Land eine Reihe von Anreizen für potenzielle Investoren in der Agrarindustrie an. Unterstützende Maßnahmen umfassen günstige behördliche Vorschriften, eine extrem günstige Steuerstruktur, qualifizierte Arbeitskräfte und zahlreiche Investitionsanreize.“ Die türkische Landwirtschaft, so die AbL, werde außerdem geschädigt durch die Kämpfe zwischen dem türkischen Militär und kurdischen Kämpfern im Südosten der Türkei, von wo fast die Hälfte der Schafe, mehr als ein Drittel der Ziegen und knapp ein Drittel der türkischen Rinder stammten. Laut Deutsch-Türkischem Journal haben dort mittlerweile 100.000 Bauern ihre Felder und Betriebe verlassen müssen. Die AbL verweist abschließend auf ihre Unterstützung demokratischer und bäuerlicher Organisationen auch in der Türkei durch ihre Mitarbeit in Via Campesina, einem weltweit aktiven Zusammenschluss von Bauernorganisationen. – 24.07.2016 AbL unterstützt Filterpflicht und Keim-Grenzwerte für Tierfabriken Niederländische Studie belegt Gesundheits-Risiken für AgrarfabrikenAnwohner Vor dem Hintergrund der anstehenden Novellierung der Technischen Anleitung (TA) Luft durch einen Referentenentwurf des Bundesumweltministeriums verweist der Landesverband Niedersachsen/Bremen der Arbeitsgemeinschaft bäuerliche Landwirtschaft (AbL) auf aktuelle Ergebnisse einer niederländischen Studie, wonach Tierhaltungsanlagen mit hohen Tierzahlen bei den Anwohnern zu einer verringerten Lungenfunktion und vermehrten Lungenentzündungen führen. Die AbL unterstütze deshalb die geplante Filterpflicht für Groß-Tierhaltungsanlagen und die längst überfällige Festlegung von Vorsorge-Grenzwerten für Keime und Bioaerosole im Referentenentwurf der TA Luft. Diese Vorsorge-Grenzwerte würden von Agrarindustrie-Kritikern, den „Ärzten gegen Massentierhaltung“ und dem bundesweiten Bürgerinitiativen-Netzwerk „Bauernhöfe statt Agrarfabriken“ seit langem eingefordert. Laut AbL liegen in Deutschland bislang kaum ähnliche Untersuchungen wie in den Niederlanden vor – diese Lücke gelte es rasch zu schließen, auch gegen den Widerstand von Agrarindustrie-Lobbyisten. Demgegenüber liefen in den Niederlanden seit Jahren detaillierte Untersuchungen über die ImmissionsAuswirkungen von Agrarfabriken, und zwar in einem gemeinsamen Projekt der staatlichen Institutionen RIVM und NIVEL und der Universität Wageningen. Diese Untersuchungen, die Ende 2016 vollständig dokumentiert würden, stützten sich auf Daten von Hausärzten, Fragebögen und der Untersuchung von 2.500 Menschen. Zu den bisherigen Ergebnissen gehöre auch die Erkenntnis, dass in der Nähe von Tierhaltungsanlagen weniger Menschen an Asthma und Atemwegsallergien erkrankten – ähnlich wie Personen, die auf Bauernhöfen aufwüchsen. Gleichzeitig würden Menschen mit einer COPD-Lungenfunktionsstörung unter erheblich stärkeren Beeinträchtigungen ihrer Lungenfunktion leiden – vor allem im Umkreis von 1 km mit hoher Dichte von Tierhaltungsanlagen. Insgesamt fanden die Wissenschaftler mehr Lungenentzündungen in diesen Regionen und eine höhere Anfälligkeit für Infektionen und Befall mit antibiotika-resistenten MRSA-Keimen. AbL-Vertreter Eckehard Niemann verwies in diesem Zusammenhang auf Studien des Bundesinstituts für Risikobewertung (BfR), wonach das Auftreten antibiotikaresistenter MRSA-Bakterien eindeutig von der Zahl der Tiere pro Bestand und den Haltungsbedingungen abhängig seien. Insofern werde die geplante Filterpflicht für agrarindustrielle Anlagen mit mehr als 2.000 Mastschweinen, 750 Sauen oder 6.000 Aufzuchtferkeln diese Risiken mindern. Frei gelüftete Ställe mit (immissionsmindernder) Einstreu und Auslauf der Tiere dürften danach nur unterhalb dieser Größenordnungen genehmigt werden, was auch hinsichtlich der Relationen von Tierwohl und Bestandsgröße Sinn mache. Zugleich würden so die mittelständisch-bäuerlichen Schweinehaltungsbetriebe und die Betriebe mit artgerechteren Haltungsbedingungen gegenüber dem bisherigen Konkurrenzdruck durch agrarindustrielle Tierhalter und deren erzeugerpreisdrückender Überschussproduktion entlastet. Die beabsichtigte bundesweite Filterpflicht schaffe zudem eine Wettbewerbsgleichheit zwischen den Ländern mit bestehender Filterpflicht (Niedersachsen, NRW, Schleswig-Holstein) und Ländern ohne bisherigen Filtererlass bzw. unzureichendem Filtererlass (Thüringen) . In jedem Fall müsse konsequent kontrolliert und geahndet werden, wenn Agrarindustrielle ihre Filteranlagen aus Kostengründen zeitweilig abstellten. Die AbL forderte auch für Großanlagen der Geflügelhaltung eine rasche Filterpflicht, weil hierfür mittlerweile Filter entsprechend dem Stand der Technik vorhanden seien. Dies sei auch angesichts der EU-Forderung nach einer drastischen Senkung der Ammoniak-Immissionen in Deutschland dringend geboten. Das Bundesbaugesetzbuch, so die AbL, müsse zudem die bisherigen BauBeschränkungen für gewerbliche Tierfabriken rasch auf sämtliche GroßTierhaltungsanlagen ausdehnen, die EU-Vorgaben zum Tierwohl müssten auch in Deutschland endlich ordnungsrechtlich umgesetzt werden. Dann sei das Ziel einer mittelständisch-bäuerlichen und artgerechteren Nutztierhaltung und das Ziel einer EU-weiten Beendigung der agrarindustriellen Massentierhaltung durchaus realistisch, wie das Gutachten des Wissenschaftlichen Beirats des Bundesagrarministeriums zur Zukunft der Nutztierhaltung an vielen Punkten belege. 13.07.2016 LINKS: http://www.agriholland.nl/nieuws/artikel.html?id=182583 http://www.rivm.nl/dsresource?objectid=rivmp:319200&type=org&disposition=inline&ns_nc=1 „Wir finanzieren den Molkereien ihre Weltmarkteroberungen“ Interview mit Ottmar Ilchmann, Milchbauer in Niedersachsen und stellvertretender Bundesvorsitzender der Arbeits- gemeinschaft bäuerliche Landwirtschaft (AbL) Sie haben bereits mehrfach Aktionen vor der größten deutschen Molkerei „Deutsches Milchkontor“ (DMK) mitorganisiert und einmal sogar die Einfahrt für mehrere Stunden blockiert. Wieso demonstrieren Bauern und Bäuerinnen vor ihren Molkereien? Wir befinden uns in einer existenzbedrohenden Krise, seit über anderthalb Jahren sind die Milchpreise nicht mehr kostendeckend. Die Genossenschaftsmolkereien, die eigentlich den Bauern gehören, sind aber als Unternehmen kaum von der Krise betroffen, denn sie geben die geringeren Erlöse einfach eins zu eins an ihre Lieferanten weiter. Sie weigern sich, die von der Politik geschaffenen Möglichkeiten zur Reduzierung der Menge zu nutzen, um dadurch den Preis wieder steigen zu lassen. Ihnen ist das Überleben ihrer eigenen Mitglieder und Lieferanten völlig egal. Deshalb ist es nur zu berechtigt, wenn Bäuerinnen und Bauern auf diesen Missstand hinweisen und vor den Molkereien demonstrieren. Eine besondere Verantwortung kommt hier dem DMK mit seiner marktbeherrschenden Größe zu, deshalb nehmen wir diese Molkerei besonders in die Pflicht. Die Molkereien beklagen aber, dass der Export eingebrochen ist. Ist das nicht höhere Gewalt? Durch das Russland-Embargo und den Nachfragerückgang in China sind tatsächlich wichtige Märkte verloren gegangen. Aber gleichzeitig haben die Molkereien ihre Exporte in andere Regionen gesteigert, sodass die exportierte Menge im Krisenjahr 2015 sogar gestiegen ist. Kein Wunder, denn mit den extrem niedrigen Rohmilchpreisen ermöglichen wir Milcherzeuger den Molkereien ihre Exporterfolge! Wir finanzieren den Molkereien die Eroberung von Weltmarktanteilen, und wenn es uns den Hof kostet! Der Deutsche Bauernverband gibt dem Lebensmitteleinzelhandel die Schuld. Immerhin hat Aldi vor einigen Wochen die Trinkmilchpreise auf 49 Cent heruntergeschraubt. Ein Milchpreis von unter 50 Cent, die billigsten Angebote gibt es mittlerweile für 42 Cent, ist unmoralisch und entwürdigend. Natürlich nutzen die großen Handelsketten ihre Marktmacht und die Übermengen an Milch knallhart aus, um die Molkereien im Preis zu drücken. Andererseits hätten sie ohne den Mengendruck gar nicht diese Verhandlungsposition. In den Boom-Jahren 2013 und 2014 haben sie ja auch anstandslos die wesentlich höheren Preise gezahlt. Es sind doch auch hier wieder die Molkereien, die die Menge gepuscht haben und sie jetzt nicht senken wollen und die dem Lebensmitteleinzelhandel die unmoralisch niedrigen Angebote machen! Warum ist diese Milchkrise so außergewöhnlich? Die Krise ist die längste in der neueren Geschichte der Milcherzeugung. 2009 war auch schlimm, aber da ging es nach neun Monaten schon wieder bergauf. Das ist sicher auch eine Folge des Ausstiegs aus der Milchquotierung. Wenn bei den niedrigen Preisen Milcherzeugern die Luft ausgeht und sie ihren Hof aufgeben, übernehmen Wachstumsbetriebe die Flächen und die Kühe und liefern die Milch weiter. Das hatte die Quote 2009 verhindert. Ungewöhnlich ist auch die Deutlichkeit, mit der Politiker, Agrar-„ Ökonomen“, Bauernverbandsvertreter und Molkereivertreter jetzt die „Marktbereinigung“ infolge der Krise gutheißen und sich zum Strukturwandel bekennen. Es wird inzwischen offen ein Übergang von einer bäuerlichen in eine industrialisierte Milchwirtschaft propagiert. Damit werden die Interessen der Bäuerinnen und Bauern und weiterer Teile der Gesellschaft denen der Ernährungsindustrie untergeordnet. Vielen Dank für das Gespräch! Interview: Berit Thomsen, Arbeitsgemeinschaft bäuerliche Landwirtschaft (AbL) 7. Juli 2016 zuletzt geändert: 7. Juli 2016